Familienunterhalt und Pflegefall: BGH entscheidet richtungsweisend

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Am 27.04.2016 entschied der Bundesgerichtshof über den zu leistenden Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360a BGB, den ein Ehegatte dem anderen Ehegatten zu leisten hat, wenn dieser stationär pflegebedürftig wird (Az.: XII ZB 485/14).

Mit dieser Entscheidung hat der BGH nun klargestellt, dass der Bedarf des stationär Pflegebedürftigen nach den konkret erforderlichen Pflege- und Heimkosten bemessen werde. In diesem Fall solle der Familienunterhaltsanspruch ausnahmsweise auf Zahlung einer Geldrente gerichtet sein. Zudem setze ein solcher Anspruch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus. Dabei sei dem Pflichtigen ein Eigenbedarf als Selbstbehalt zuzubilligen, der in zulässiger Weise nach dem – in der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen – sog. eheangemessenen Selbstbehalt bemessen wird.

Abgrenzung Familienunterhalt und Trennungsunterhalt

Der BGH stellt anfangs zunächst klar, dass eine dauerhafte stationäre Pflege eines Ehegatten in einem Pflegeheim für sich genommen nicht zur Trennung i.S.v. § 1361 Abs. 1 BGB führt. Um die eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) aufzuheben, darf die häusliche Gemeinschaft nicht mehr bestehen und ein Ehegatte muss sie erkennbar nicht wiederherstellen wollen, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt.

Demzufolge bedarf die Trennung i.S.d. §§ 1361, 1567 BGB einer Äußerung des Willens, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht fortführen zu wollen. Dies kann durch eine entsprechende Äußerung oder durch ein für den Ehegatten erkennbares Verhalten, das unmissverständlich den Trennungswillen zum Ausdruck bringt, geschehen.

Liegt dies jedoch nicht vor, so wird, wie im konkreten Fall, Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360a BGB geschuldet.

Bedarfsbemessung des pflegebedürftigen Ehegatten

Der Anspruch auf Familienunterhalt richtet sich dann in dieser besonderen Situation der stationären Pflegebedürftigkeit eines Ehegatten nach dessen konkret erforderlichen Heim- und Pflegekosten, weil dem Pflegebedürftigen ein besonderer existenznotwendiger Bedarf entsteht, der als unabweisbarer konkreter Bedarf nicht auf die Hälfte des Familieneinkommens beschränkt werden kann.

Leistungsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung

Die durch die Pflegebedürftigkeit entstandene besondere Situation macht es dann erforderlich, die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten als Anspruchsvoraussetzung zu prüfen. Der BGH begründet dies zum einen damit, dass bei unbeschränkter Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten der übrigen Familie die Mittel entzogen werde, die diese für den eigenen Lebensbedarf benötigen, was besonders mit dem vorrangigen Unterhalt für minderjährige haushaltsangehörige Kinder nicht zu vereinbaren wäre. Zum anderen sei der pflegebedürftige Ehegatte seinerseits zu eigenen Familienunterhaltsleistungen nicht mehr in der Lage, sodass sich die Frage einer gleichmäßigen Verteilung aller verfügbaren Mittel nicht länger stelle.

Selbstbehalt beim Familienunterhalt

Daher ist dem Unterhaltspflichtigen in diesem Fall auch beim Familienunterhalt ein angemessener eigener Unterhalt als Selbstbehalt zu belassen. Dieser ist, so der BGH, in zulässiger Weise nach dem – in der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen – Ehegattenselbstbehalt zu bemessen. Es soll vermieden werden, den unterhaltspflichtigen Ehegatten mit den Pflegekosten übermäßig zu belasten, da dieser „nicht selten weiterhin Fürsorge für den pflegebedürftigen Ehegatten wahrnehmen und in Form von Besuchen, Organisation der Pflege oder sonstiger immaterieller Unterstützung leisten“ wird.

Der BGH will mit dem Selbstbehalt beim Familienunterhalt erreichen, dass nicht der Ehegatte besser gestellt ist, der sich zur Trennung von seinem pflegebedürftigen Ehegatten entschließt. Dadurch entstehende Bedarfslücken hinsichtlich der Heimkosten sprechen laut BGH nicht gegen einen Selbstbehalt beim Familienunterhalt. Diese Bedarfslücken gehen dann zulasten des Sozialhilfeträgers, da es dem pflegebedürftigen Ehegatten an einem, dem sozialhilferechtlich der Ersatzgemeinschaft zugerechneten Einkommen korrespondieren Unterhaltsanspruch mangelt.

Ob dem Unterhaltspflichtigen auch gegenüber dem konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten generell die Hälfte seines Einkommens als Selbstbehalt zu belassen ist, ließ der BGH offen, bewertete es jedoch als naheliegend.

Fazit

Durch den Beschluss des BGH ist nunmehr verdeutlicht worden, dass der Ehegatte eines stationär Pflegebedürftigen mit seinem Einkommen für die Heim- und Pflegekosten aufzukommen hat, ihm dabei jedoch ein angemessener Eigenbedarf als Selbstbehalt zuzubilligen ist. Die zu tragenden Kosten sind ausnahmsweise als Geldrente zu zahlen. Durch diese Entscheidung besteht in finanzieller Hinsicht nun kein Anlass mehr für den unterhaltspflichtigen Ehegatten, sich vom pflegebedürftigen Ehegatten zu trennen.


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