Finanzierung einer russischen Tochtergesellschaft

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Die Finanzierung von Tochtergesellschaften aus Eigenkapital überwiegt in Russland nach wie vor. In Russland tätige Finanzinstitute schätzen, dass lokale Unternehmen ihre Investitionen zu über 70% mit eigenen Mitteln finanzieren.

Gemäß dem Business Environment and Enterprise Performance Survey for Russia, round V (BEEPS V), das die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) zusammen mit der Weltbank implementiert hat, beurteilen russische Unternehmen die unzureichende Finanzierung - wie die Steuersätze - als Haupthindernisse für Entwicklung ihrer Geschäftstätigkeit. Im Hinblick auf die Krise entwickelt sich der Fremdfinanzierungssektor relativ langsam. Es ist daher davon auszugehen, dass die Ausstattung eines Unternehmens mit Eigenkapital auch weiterhin bedeutsam bleiben wird.

Gesellschafter einer russischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (OOO) oder einer Aktiengesellschaft (AO) können ihre Tätigkeiten durch:

-          Erhöhung des Stamm- oder des Grundkapitals;

-          Zahlung von satzungsmäßig bestimmten Nachschüssen ins Vermögen einer OOO oder einer nichtöffentlichen AO;

-          aufgrund von Verträgen über einen Nachschuss bzw. eine "unentgeltliche Finanzhilfe";

-          Gesellschafterdarlehen, insbesondere Wandeldarlehen,

mit zusätzlichem Kapital ausstatten.

1.         Kapitalerhöhung 

1.1       Vollzahlung des Stammkapitals 

Die Erhöhung des Stammkapitals einer OOO wird erst mit seiner Vollzahlung zulässig.

1.2       Beschluss über die Kapitalerhöhung

Eine weitere Voraussetzung ist der förmliche Beschluss der Gesellschafter über die Kapitalerhöhung.

In diesem Beschluss sind u.a.

-          Wert der tatsächlichen zusätzlichen Einlage,

-           Nominalwert der Einlage, d.h. der Wert, um den der in der Satzung bestimmte Nominalwert infolge der Kapitalerhöhung erhöht wird, und

-          die geplante Frist für die Einzahlung der Einlage

anzugeben.

Die Gesellschafter können Einlagen sowohl in Fremdwährung, wie auch in Rubel genehmigungsfrei zahlen lassen.

Wenn die geplante Frist für die Einzahlung der Einlage im Beschluss nicht angegeben ist, muss die Einlage innerhalb von zwei Monaten nach der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung eingezahlt werden. Zu diesem Zeitpunkt muss die Einlage erbracht sein, worüber der Registrierungsbehörde gegenüber der Nachweis in Form eines Bestätigungsschreibens der Bank der OOO zu führen ist.

1.3       Beschluss über die Bestätigung der Ergebnisse der Kapitalerhöhung

Innerhalb eines Monats nach dem Ablauf der Frist für die Einzahlung der Einlage (Ziff. 1.2) müssen der Gesellschafter einen weiteren Beschluss, mit dem Ergebnisse der tatsächlichen Einzahlung der Einlage und die Satzungsänderungen bestätigt werden, erfassen. Bei Verletzung dieser Ein-Monats-Frist gilt die Kapitalerhöhung als nicht durchgeführt.

1.4       Staatliche Registrierung der Satzung 

Die Kapitalerhöhung macht eine zu registrierende Änderung der Satzung erforderlich, da die Satzung der OOO die Angaben über die Höhe des Stammkapitals und den Nominalwert ihres Gesellschafters enthalten muss. Für Dritte sind die Satzungsänderungen erst mit ihrer staatlichen Registrierung rechtswirksam.

Innerhalb eines Monats nach Annahme des Beschlusses über die Bestätigung der Ergebnisse der Kapitalerhöhung müssen die Satzungsänderungen bei der Registrierungsbehörde - also der Steuerinspektion am Sitz der OOO - vorgelegt werden. Bei Verletzung der Ein-Monats-Frist gilt die Kapitalerhöhung ebenso als nicht vorgenommen.

Die gesamte Kapitalerhöhung der OOO kann ca. 2 bis 3 Monate in Anspruch nehmen.

1.5       Fazit

Nebst der erforderlichen staatlichen Registrierung und der relativ langen Prozedur ist bei Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung zu berücksichtigen, dass, wenn am Ende des zweiten Finanzjahres der Wert der Reinaktiva der OOO geringer ist als das - erhöhte - Stammkapital, die Gesellschaft gemäß Art. 90 Ziff. 3 russ. ZGB verpflichtet ist, den Wert der Reinaktiva dementsprechend zu erhöhen oder ihr Stammkapital zu verringern.

1.6       Besonderheiten der AO

Gem. Art. 27 Ziff. 1 Abs. 2 des russischen Aktiengesetzes kann die Satzung einer AO die Anzahl und den Nominalwert von Aktien bestimmen, die die Gesellschaft zusätzlich zu den untergebrachten Aktien unterbringen darf (angekündigte Aktien). Die Ausgabe zusätzlicher Aktien darf nur im Rahmen der satzungsmäßig bestimmten Zahl der angekündigten Aktien erfolgen.

Der Beschluss über die Kapitalerhöhung und die Satzungsänderung kann durch den Aufsichtsrat (AR) erfolgen, wenn er durch die Satzung dazu ermächtigt ist. Die Beschlussfassung erfolgt durch einstimmigen Beschluss aller Mitglieder des AR. Sieht die Satzung keine Ermächtigung für die Abstimmung durch den AR vor, beschließt die Hauptversammlung die Kapitalerhöhung auf Vorschlag des AR mit einfacher Mehrheit.

Im Unterschied zur OOO muss eine AO ihre Aktienausgabe bei der Zentralen Bank Russlands registrieren und darf erst mit dieser Registrierung die neuen Aktien auf Aktienkonten der Aktionäre überweisen lassen.

2.         Finanzierung in Form eines Nachschusses

Ein Vorteil der Nachschussleistung gegenüber der Erhöhung des Stammkapitals liegt darin, dass sie nicht zur Erhöhung des Stammkapitals führt. Aus diesem Grund ist - anders als bei der Kapitalerhöhung - die staatliche Registrierung bei der Nachschussleistung nicht erforderlich.

Für die Leistung von Nachschüssen - "Einlagen in das Vermögen der Gesellschaft"; Art. 27 russ. GmbH-Gesetz - sind zwei folgende Voraussetzungen zu erfüllen.

2.1       Satzungsmäßige Begründung einer Nachschussverpflichtung

Die erste Voraussetzung ist ihre statutarische Zulässigkeit.

Ist eine solche Regelung in der Satzung der OOO nicht enthalten, wäre eine Satzungsänderung erforderlich, um die Gesellschafter zur Nachschussleistung zu verpflichten. Die Satzungsänderung bedarf des einstimmigen Beschlusses von Gesellschaftern der OOO.

2.2       Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Nachschussleistung

Ferner soll die Gesellschafterin der OOO einen förmlichen Beschluss über die Nachschussleistung, in dem deren Höhe und Einzahlungsfrist anzugeben sind, fassen. Der Beschluss bedarf der Zweidrittelmehrheit aller Gesellschafter der OOO, es sei denn, dass die höhere Stimmenanzahl durch die Satzung bestimmt ist.

2.3       Steuerrechtliche Erfassung

Die Nachschussleistung unterliegt keiner Besteuerung durch die Gewinnsteuer (Art. 251 Ziff. 3.7 russ. Steuergesetzbuch; "StGB").

Ihre Besteuerung durch Mehrwertsteuer ist umstritten. Übertragung von Vermögen, die einen Investitionscharakter hat, wie z.B. Einlagen ins Grund- oder Stammkapital, gelten nicht als Vertrieb ("Realisation") von Waren, Arbeiten oder Dienstleitungen und ist somit mehrwertsteuerfrei (Art. 39 Ziff. 3 Unterz. 4 i.V.m. Art. 146 Ziff. 2 Unterz. 1 StGB).

Das russ. Finanzministerium vertritt die Ansicht, dass die Nachschussleistung ausdrücklich darin nicht genannt ist und deswegen einer MWS unterliegt (Schreiben vom 26.12.2016 Nr. 03-07-08/77947). Dessen ungeachtet finden sich Gerichtsbeschlüsse, die auch die Nachschussleistung als eine solche mehrwertsteuerfreie Investitionsoperation subsumieren (Beschluss der Föderalen Wirtschaftsgerichts des Wolga-Wjatka Gerichtsbezirks vom 03.12.2012 Nr. A29-10167/2011).

3.         "Unentgeltliche Finanzhilfe" 

In der Praxis schließen Gesellschafter und ihre Kapitalgesellschaft häufig Verträge über "unentgeltliche Finanzhilfe" ab, auf deren Grundlage Geldmittel unentgeltlich zur Verfügung der OOO oder der AO gestellt werden.

Ab 2016 ist eine solche Finanzierungsmodalität für AOs ausdrücklich durch das russ. Aktiengesetz eingeführt.

3.1       Schenkungsverbot

Zu beachten ist, dass eine Schenkung gemäß Artikel 575 Ziff. 4 russ. ZGB im Verhältnis zwischen zwei kommerziellen Organisationen verboten ist. Sofern der Nachschuss durch eine (ausländische) Handelsgesellschaft gezahlt wird, ist das Risiko nicht auszuschließen, dass die unentgeltliche Zuwendung an eine OOO gemäß Artikel 168 ZGB angefochten sein wird.

Allerdings sind die OOO und ihre Gesellschafter keine voneinander unabhängigen juristischen Personen. De facto würde Übergabe des Vermögens innerhalb einer Unternehmensgruppe erfolgen. Mehr noch, die Rechtsprechung ordnet solche Verträge als keine Schenkungsverträge zu, da unentgeltliche Finanzhilfe - wie eine Nachschussleistung - die Höhe der Reinaktiva der OOO und somit den tatsächlichen Wert des Anteils eines Gesellschafters beeinflusst (Beschluss der Föderalen Wirtschaftsgerichts des Fernosten-Gerichtsbezirks vom 21.01.2019 Nr. F03-5575/2018).

Dazu kommt noch, dass ein Vertrag zwischen einer russischen und einer deutschen Person deutschem Recht unterstellt werden kann. Soweit uns bekannt ist, kennt das deutsche Recht kein vergleichbares Schenkungsverbot.

Für AOs besteht dieses Risiko nicht. Nach Art. 32.2 Ziff. 1 des Aktiengesetzes finden die Vorschriften des ZGB über den Schenkungsvertrag auf Verträge über die Nachschussleistung durch Aktionäre keine Anwendung.

3.2       Großgeschäft

Bei einem hohen Betrag der Finanzhilfe sollte der Generaldirektor der OOO die vorherige Zustimmung der Gesellschafter für Abschluss des Vertrags einholen. Dies kommt in Betracht, wenn ihre Summe 50% des Bilanzwertes der OOO übersteigt (Art. 46 russ. GmbH-Gesetz).

3.3       Steuerrechtliche Erfassung

Die Befreiung von der Zahlung der Gewinnsteuer, die durch Art. 251 Ziff. 1 Unterz. 11 StGB für unentgeltliche Zahlungen an die russische Tochtergesellschaft vorgesehen ist, gilt nur für einen Gesellschafter, der einen Anteil am Stammkapital der OOO in Höhe von über 50% besitzt. Zur Besteuerung durch die MWS gilt das Gleiche wie für die Nachschusszahlung (vgl. oben Ziff. 2.3).

4.         Gesellschafterdarlehen, insbesondere Wandeldarlehen

Die Gesellschafter können das Kapital auch aufgrund eines Darlehens aufbringen.

Ab dem 13.07.2021 kann eine OOO oder eine AO ein Wandeldarlehen in Anspruch nehmen, das mit der Option einer möglichen späteren Umwandlung der Darlehensschuld samt Zinsen in eine Gesellschaftsbeteiligung verbunden ist. Das Wandeldarlehen eignet sich vor allem zur Anschubfinanzierung für Start-Up-Unternehmen und als Brückenfinanzierung, wenn z.B. ein neuer Markteintritt bevorsteht.

Als Darlehensgeber eines Wandeldarlehens können sowohl Gesellschafter, wie auch Dritte auftreten. Strategische Unternehmen und Finanzorganisationen, die keine Banken sind, dürfen kein Wandeldarlehen aufnehmen.

Ein Wandeldarlehensvertrag und der dazu gehörige einstimmige Genehmigungsbeschluss der Gesellschafter der OOO bedürfen der notariellen Beurkundung.

Innerhalb von 2 Arbeitstagen nach der Beurkundung stellt der Notar einen Antrag auf Registrierung von Angaben über den Vertrag im Register von juristischen Personen (EGRJuL), u.a. über den Darlehensgeber und den zu wandelnden Höchstkapitalbetrag.  

Der darlehensgebende Gesellschafter darf innerhalb von 3 Monaten nach dem Eintritt der Fälligkeit eine Forderung auf die Wandlung der Darlehensschuld in einen Anteil und die entsprechende Kapitalerhöhung vor dem Notar geltend machen.

Der Notar benachrichtigt am Folgetag die OOO über die Forderung. Wenn die OOO innerhalb von 14 Arbeitstagen keine Widersprüche einlegt, beantragt er das Register um die Registrierung der Erhöhung des Stammkapitals der OOO. Im Falle der Nichterfüllung kann der Darlehensgeber seinen Wandlungsanspruch gerichtlich durchsetzen.    

Foto(s): www.karimullin.com


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