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Freispruch für Transplantationsarzt im Organspende-Skandal

  • 2 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Der im Zusammenhang mit dem Organspende-Skandal an den Unikliniken Göttingen und Regensburg angeklagte Arzt ist nach 60 Verhandlungstagen durch das Landgericht Göttingen vom Vorwurf des versuchten Totschlags in elf Fällen sowie der Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen freigesprochen worden. Den Haftbefehl gegen den seit Januar 2013 in Untersuchungshaft befindlichen Chirurgen hob das Gericht auf.

Manipulationen zur Tatzeit nicht strafbar

Der frühere Medizinprofessor und Leiter der Göttinger Transplantationsmedizin soll Krankenakten so manipuliert haben, dass Patienten auf einer wegen der Knappheit an Spenderorganen bestehenden Warteliste nach vorne gelangten. Das sieht auch das Gericht als gegeben an. Die Manipulationen seien aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafbar gewesen.

Dass andere auf eine Spenderleber wartende Menschen dadurch möglicherweise starben, habe sich laut Landgericht Göttingen jedoch nicht erwiesen – die Vorwürfe des versuchten Totschlags waren so nicht haltbar. Ebenfalls nicht bewiesen werden konnte, dass der angeklagte Arzt Geld dafür genommen habe. Der weitere Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge betraf die Lebertransplantation an drei Patienten ohne medizinische Notwendigkeit. Alle drei verstarben später. Auch hier sah das Gericht ein Fehlverhalten des Chirurgen als nicht erwiesen an.

Wartezeit für Alkoholiker verfassungswidrig

Einer der Vorwürfe betraf eine Lebertransplantation zugunsten einer alkoholkranken Frau. Die Mutter von zwei Kindern soll noch kurz vor der Operation Alkohol getrunken haben. Eine Richtlinie der Bundesärztekammer verlangt jedoch, dass Patienten mindestens sechs Monate trocken sind, bevor sie eine neue Leber erhalten. Diese Richtlinie sei aus Sicht des Vorsitzenden Richters verfassungswidrig, da sie gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes verstoße.

Staatsanwaltschaft kündigt Revision an

Acht Jahre Freiheitsstrafe und ein lebenslanges Berufsverbot forderte die Staatsanwaltschaft Göttingen für den Mediziner. Seine Verteidiger plädierten auf Freispruch. Infolge des Urteils hat die Staatsanwaltschaft bereits angekündigt, Revision einzulegen. Dadurch würde der Fall zum Bundesgerichtshof (BGH) gelangen.

Weitreichende Folgen des Organspende-Skandals

Unbestritten sind die Folgen des Organspende-Skandals, der ausgehend von der Uniklinik Göttingen im Juli 2012 für Aufruhr sorgte. Infolge umfangreicher Ermittlungen ergaben sich auch an anderen Universitätskliniken Ungereimtheiten. Im Raum stand insbesondere der Vorwurf, dass sich Patienten Organe erkauft haben sollen. Das ließ die Zahl der Organspenden massiv einbrechen. Außerdem wurden stärkere Kontrollen eingeführt, finanzielle Anreize für einzelne Operationen abgeschafft sowie das Organvergabeverfahren erheblich geändert. Statt eines einzelnen Arztes entscheiden nun mehrere Personen über die Organvergabe. Wartelisten-Manipulationen sind inzwischen durch das Transplantationsgesetz strafbar. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

(Landgericht Göttingen, Urteil v. 06.05.2015, Az.: 6 Ks 4/13, nicht rechtskräftig)

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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