Führerschein: BVerwG schränkt Möglichkeiten zum Punkteabbau ein

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Die Richter am Bundesverfassungsgericht messen dem Zeitpunkt der Rechtskraft eines Verkehrsverstoßes keine Bedeutung bei, wenn es um die Frage des Punktestandes nach Ergreifen von Rabattmaßnahmen geht. Das Problem:  Das sog. „Tattagprinzip“, das vielen Verkehrssündern den Führerschein gerettet hat gilt nun nichts mehr, wenn es um Rabattmaßnahmen geht.

 Zu viele Punkte in Flensburg führen unweigerlich zum Verlust der Fahrerlaubnis. Das Gesetz kennt aber ein Bonussystem. Wird das Punktekonto zu dick, kann der Verkehrssünder bis zu vier Punkte abbauen indem er – je nach Punktestand - an einem Aufbauseminar bei einer Fahrschule teilnimmt oder eine verkehrspsychologische Beratung mitmacht.  Für so manchen Autofahrer bedeutet diese Rabattlösung die Rettung seines Führerscheins. Begeht er eine neue Zuwiderhandlung, deren Ahndung zu einem kritischen Punktestand führen würde, kann er durch die Teilnahme an einer Rabattmaßnahme sein Punktekonto rechtzeitig entlasten. Mit Hilfe eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid wird die Rechtskraft der neuen Bußgeldentscheidung  hinausgezögert. In der Zwischenzeit legt der Betroffene  der Führerscheinstelle eine Teilnahmebescheinigung vor und der Punktestand wurde rechtzeitig reduziert, bevor die Punkte der neuen Entscheidung hinzugerechnet werden.

Dieser  Möglichkeit  hat das Bundesverwaltungsgericht nun ein Ende bereitet. In einem Urteil vom 25. September 2008 entschieden die Richter, dass es nicht auf die rechtskräftige Ahndung des  neuen Verkehrsverstoß ankomme. Nach Sinn und Zweck der Rabattregelung des  Straßenverkehrsgesetzes (§ 4 Abs. 3 StVG) sei für einen möglichen Punkteabzug  entscheidend, wann der neue Verstoß begangen wurde (Tattagprinzip).

Bisher  wurde in Justiz und Verwaltungspraxis überwiegend die Auffassung vertreten , dass es für die Ermittlung eines Punktestandes, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann, nur auf die zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig geahndeten Verstöße ankommt (Rechtskraftprinzip).  Jetzt soll  der  Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde gegen einen Führerscheininhaber die Rechtskraft der Straf- oder Bußgeldentscheidung nicht mehr vorausgehen müssen.     

Praktisch bedeutet das aktuelle Urteil des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts für das sog. „Tattagprinzip“, dass es künftig zu spät ist nach einem erneut begangenen Verkehrsverstoß, der bei einer Ahndung zum Überschreiten einer kritischen Punktemarke führt,  den Punktestand vorher noch durch die Teilnahme an einem Aufbauseminar  zu reduzieren.

Vorausschauendes Punktemanagement empfehlenswert

Vielfahrern und allen Führerscheininhabern, denen öfters Verkehrsverstöße vorgeworfen werden, empfehle ich daher dringend,  sich beim Kraftfahrt-Bundesamt über den aktuellen Punktestand auf dem Laufenden zu halten und die gesetzlichen Rabattmöglichkeiten rechtzeitig  in Erwägung zu ziehen. Dabei  sollte daran gedacht werden, dass ein Punkteabzug durch den Besuch eines Fahrschul-Seminars oder einer verkehrspsychologischen Beratung nur jeweils einmal innerhalb von fünf Jahren möglich ist. Bei bestimmten Verkehrsstraftaten können immerhin bis zu sieben Punkte auf einen Schlag eingetragen werden.    

Weitere Schwächung der Rechte von Auto- und Mororradfahrern

Die Entscheidung der Leipziger Richter für das Tattagprinzip verdient Kritik.  Einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung stellt sie – auch wenn es auf den ersten Blick so scheint – aber nicht dar. Die Fahrerlaubnisbehörde ist bei der Entscheidung über Maßnahmen gegen einen Fahrerlaubnisinhaber nach dem Punktesystem an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebunden. So steht es in § 4 Abs. 3 S. 2 StVG. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Fahrerlaubnisbehörde durch seine aktuelle Entscheidung  daher nicht etwa die Möglichkeit eröffnet, dem Betroffenen die Mobilität zu entziehen und sich dabei auf einen Vorwurf zu stützen, von dem er später freigesprochen wird. Rechtsstaatliche Prinzipien sollten also gewahrt bleiben. In der Praxis schwächt das Urteil jedoch einmal mehr die Rechte von Auto- und Motorradfahrern , weil es den Spielraum für eine Punkteabbau einschränkt .  Die Rabattmaßnahme als Notbremse vor dem endgültigen Führerschein-Aus wird es jetzt wohl nicht mehr geben.

Der Beitrag nimmt Bezug auf die Urteile des BVerwG vom 25.09.2008 mit den Aktenzeichen 3 C 3.07, 3 C 21.07, 3 C 34.07).

Der Verfasser, Christian Demuth, ist Rechtsanwalt und auf Verkehrsstraf- und Bußgeldrecht spezialisiert.

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