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Gemeinschaftliches Testament als Einzeltestament?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Bei einem gemeinschaftlichen Testament setzen sich Eheleute in der Regel zunächst gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen ferner den/die Erben des Letztversterbenden. Das Testament muss eigenhändig geschrieben und von beiden Eheleuten unterschrieben werden, um wirksam zu sein. Hat jedoch nur ein Ehepartner unterschrieben, liegt kein wirksames gemeinschaftliches Testament, sondern vielmehr nur der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments vor, der aber nicht maßgeblich für die Erbfolge ist. Es stellt sich daher die Frage, ob man die Verfügung in ein Einzeltestament des Unterzeichners umdeuten kann oder ob wegen Unwirksamkeit des Testaments die gesetzliche Erbfolge gilt.

Ehefrau unterschreibt Testamente nicht

Ein Ehepaar wollte ein gemeinschaftliches Testament errichten, wonach unter anderem zunächst der überlebende Ehegatte Erbe wird. Nach dessen Tod sollten – da die Ehe kinderlos geblieben war und nähere Verwandte nicht mehr lebten – der Neffe der Ehefrau und die Nichte des Ehemannes das Vermögen zu gleichen Teilen erben. Der Ehemann setzte das Testament innerhalb weniger Monate zweimal handschriftlich entsprechend auf und unterschrieb die Schriftstücke. Die Frau unterzeichnete die Testamente dagegen nicht, sondern setzte ihre Unterschrift unter eine am Computer gefertigte Beitrittserklärung.

Nach dem Tod ihres Mannes war die Witwe der Ansicht, dass die gemeinschaftlichen Testamente in Einzeltestamente umzudeuten seien, und beantragte einen Erbschein, der sie als Vorerbin, den Neffen und die Nichte als Nacherben auswies. Die Nichte zog daraufhin vor Gericht – eine Umdeutung der Verfügungen in Einzeltestamente komme nicht in Frage. Es gelte vielmehr die gesetzliche Erbfolge, wonach die Witwe nur zu ¾ Erbin geworden sei. Der Rest stehe ihr selbst zu.

Keine Umdeutung möglich

Das Oberlandesgericht (OLG) München gab der Nichte Recht und wies den Erbscheinsantrag der Witwe zurück. Da ihre Unterschrift unter den Verfügungen fehlte, waren sie als gemeinschaftliche Testamente nicht wirksam – es galt daher die gesetzliche Erbfolge, wonach die Witwe ihren Mann nach den §§ 1371 I, 1931 I 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nur zu ¾ beerbt hat. Die Nichte dagegen war als Verwandte zweiter Ordnung Erbin zu ¼.

Eine Umdeutung der Verfügungen in Einzeltestamente war ebenfalls nicht möglich. Zwar hat der Erblasser seine Erklärungen wirksam nach § 2247 BGB abgegeben, also die Schriftstücke eigenhändig ge- und unterschrieben – mithin die Voraussetzungen zur Errichtung eines Einzeltestaments erfüllt. Gegen eine Umdeutung in Einzeltestamente sprach aber, dass nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, ob der Erblasser dieselben Verfügungen auch ohne den Beitritt seiner Frau – also als Einzeltestamente – getroffen hätte.

Da der Ehemann kurz nach Errichtung des ersten gemeinschaftlichen Testaments ein zweites errichtet hat, drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass der Ehemann nur ein gemeinschaftliches und gerade kein Einzeltestament mit den entsprechenden Regelungen errichten wollte. Außerdem hätte eine Umdeutung in ein Einzeltestament beim Vorversterben der Ehefrau zur Folge gehabt, dass mangels letztwilliger Verfügung der Frau die gesetzliche Erbfolge gegriffen hätte – der Ehemann wäre dann nur zu ¾ Erbe geworden, obwohl die Eheleute ursprünglich geplant hatten, dass das gesamte Vermögen zunächst an den überlebenden Partner gehen solle.

Ferner war aus den Testamentsentwürfen ersichtlich, dass nur leibliche Verwandte nach dem Versterben beider Ehepartner das Vermögen gleichmäßig erhalten sollten. Bei einem Einzeltestament wäre seine leibliche Nichte aber benachteiligt gewesen: So wäre sie zunächst enterbt worden, weil die Ehefrau des Erblassers Vorerbin geworden wäre, mithin dessen gesamtes Vermögen erhalten hätte. Nach deren Tod würde aber – mangels einer letztwilligen Verfügung der Frau – die gesetzliche Erbfolge greifen. Das bedeutet, der Neffe als deren einziger Verwandter wäre ihr Alleinerbe und obendrein wegen des Einzeltestaments des Erblassers dessen Nacherbe zu 50 %. Dagegen würde die Nichte des Erblassers nur 50 % des Vermögens ihres Onkels erhalten und sonst nichts. Es ist davon auszugehen, dass der Erblasser eine solche Rechtsfolge nicht gewollte hätte – schließlich sollte das Vermögen der Eheleute gleichmäßig auf die noch lebenden Verwandten verteilt werden. Die beiden Testamentsentwürfe konnten daher nicht als Einzeltestamente aufrechterhalten werden.

(OLG München, Beschluss v. 23.04.2014, Az.: 31 Wx 22/14)

(VOI)

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