Grundlagen des Erbrechts - brauche ich ein Testament und welche Punkte sind dabei zu beachten?

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Irgendwann stellt sich die Frage, ob und welche Vorkehrungen für den eigenen Todesfall zu treffen sind. Dies kann zu einem frühen Zeitpunkt im Leben der Fall sein, beispielsweise wenn Kinder geboren wurden und man sie auch für den Fall des eigenen Ablebens gut versorgt wissen möchte. Meistens stellt sich diese Frage aber eher in späteren Jahren, wenn hinsichtlich der Zusammensetzung des eigenen Vermögens und der Familienverhältnisse im Grundsatz keine Veränderungen mehr zu erwarten sind.

Man steht dann vor der Frage, ob es nötig ist, ein Testament zu errichten oder ob man es bei der gesetzlichen Erbfolge belassen kann.

Merke:

Ohne Testament tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

1. 

Die gesetzliche Erbfolge ist auf Fälle zugeschnitten, in welchen der Erblasser eventuell geheiratet und Kinder gezeugt hat, setzt also die „Ursprungsfamilie“ voraus.

Betrachtet man die sich ergebende gesetzliche Erbfolge isoliert, kann es in diesen Fällen völlig ausreichend sein, es bei der gesetzlichen Erbfolge zu belassen und kein Testament zu errichten.

Sobald in dem Familiengefüge jedoch Verwerfungen eingetreten sind (Scheidung der Ehepartner, außereheliche Kinder, Zusammentreffen von gemeinschaftlichen und außerehelichen Kindern, neue Eheschließungen), reichen die Mechanismen der gesetzlichen Erbfolge nicht mehr aus, um die vom Erblasser gewünschten Ziele zu erreichen. In diesen Fällen wird es dann nötig sein, ein auf die Besonderheiten der Familienkonstellation abgestimmtes Testament zu errichten.

Die Errichtung eines Testaments ist ferner dann erforderlich, wenn nicht der Nachlass als Ganzes auf die Erben übergehen, sondern „gelenkt“ werden soll, wenn also bspw. bestimmte Vermögensgegenstände bestimmten Personen zugewendet werden, Miterbengemeinschaften vermieden werden sollen oder wenn der Erblasser sonstige ausdrückliche Anordnungen im Testament treffen möchte.

Auch kann der Wunsch des Erblassers dahingehen, Personen als Erben einzusetzen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören.

2.

Gesetzliche Erben sind, ganz allgemein ausgedrückt, die Verwandten und der Ehegatte des Erblassers.

a.

Es gibt mehrere sogenannte Ordnungen gesetzlicher Erben, wobei vorhergehende Ordnungen die nachfolgenden ausschließen.

Gesetzliche Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, also seine Kinder, Enkel, Urenkel, wobei lebende nähere Abkömmlinge die weiter entfernt mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge ausschließen.

Gesetzliche Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, wobei hier noch lebende Eltern des Erblassers ihre Abkömmlinge, also die Geschwister des Erblassers, „vertreten“.

Gesetzliche Erben dritter Ordnung sind dann die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.

Zuletzt werden als gesetzliche Erben vierter Ordnung die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge bestimmt.

b.

Parallel zu diesen Erbordnungen, die die Verwandten des Erblassers betreffen, besteht ein gesetzliches Erbrecht des Ehegatten/ Lebenspartners. Dies setzt den Bestand einer Ehe bzw. einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz voraus. Im Folgenden gelten die Ausführungen, die für das Ehegattenerbrecht gemacht werden auch für das gesetzliche Erbrecht des Lebenspartners, da dessen gesetzliches Erbrecht dem des Ehegatten nachgebildet ist.

Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Ehegatte/ eingetragene Lebenspartner neben Verwandten erster Ordnung eine Erbquote von ¼ hat, neben Verwandten zweiter Ordnung eine Quote von ½.

Der Ehegatte/ eingetragene Lebenspartner wird dann gesetzlicher Alleinerbe, wenn weder Verwandte der ersten noch der zweiten Ordnung noch Großeltern des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls leben.

c.

Der mit der Ehe bzw. der eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangene Güterstand hat ebenfalls Einfluss auf die Erbquote.

Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhöht sich die gesetzliche Erbquote von ¼ um ein weiteres ¼ als pauschalen Zugewinnausgleich. Im Falle des Güterstands der Gütertrennung kommt es für die Frage der güterrechtlichen Erhöhung des gesetzlichen Erbteils darauf an, wie viele Abkömmlinge neben dem Ehegatten/ eingetragene Lebenspartner vorhanden sind.

3.

Ein besonderes Augenmerk ist sowohl bei testamentarischen Gestaltungen als auch bei Schenkungen unter Lebenden auf die steuerlichen Folgen zu richten.

Sowohl der Erwerb von Todes wegen (also das „Erben“) als auch Schenkungen unter Lebenden unterliegen der Erbschafts- und Schenkungssteuer.

a.

Die persönliche Steuerpflicht knüpft an den Wohnsitz bzw. die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. War dieser Inländer, so sind erbschafts- und schenkungssteuerbare Vorgänge zu versteuern.

Die Steuer entsteht grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers bzw. bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.

b.

Das Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) sieht eine Besteuerung nach mehreren Steuerklassen vor. Je niedriger die Steuerklasse umso günstiger die Besteuerung.

Zur Steuerklasse I zählen Ehegatte/ eingetragene Lebenspartner, Kinder und Stiefkinder, Abkömmlinge von Kindern und Stiefkindern und die Eltern des Erblassers bei Erwerben von Todes wegen.

Die Steuerklasse II umfasst die Eltern und Großeltern des Erblassers sofern sie nicht zur Steuerklasse I gehören, Geschwister, Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern, Stiefeltern, Schiegerkinder, Schwiegereltern, den geschiedenen Ehegatten und den Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft.

Unter Steuerklasse III fallen alle übrigen Erwerber.

Die Spanne der Steuersätze umfasst, abhängig von der Steuerklasse und vom Wert des steuerpflichtigen Empfangs, 7 % - 50 %.

c.

Für Ehegatten und den eingetragenen Lebenspartner des Erblassers sieht das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz einen Freibetrag von € 500.000,00 vor,

für Kinder und Stiefkinder des Erblassers sowie Kinder verstorbener Kinder und Stiefkinder des Erblassers ist ein Freibetrag von € 400.000,00 vorgesehen; für weitere Kindeskinder ein

Freibetrag von € 200.000,00.

Alle übrigen Personen der Steuerklasse I haben Freibeträge von € 100.000,00.

Personen der Steuerklasse II und Personen der Steuerklasse III in Höhe von € 20.000,00.

d.

Sowohl bei der Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten als auch bei der Gestaltung von Testamenten (insbesondere gemeinschaftlichen Testamenten von Eheleuten, bei Anordnung von Vermächtnissen oder von Vor- und Nacherbschaft) sollte auch der steuerlichen Optimierung Rechnung getragen werden.

Insbesondere gilt es auch, Verknüpfungen zum Einkommensteuerrecht und zum Ertragssteuerrecht zu überschauen und zu berücksichtigen.

4.

Weiteres Augenmerk ist bei der Testamentserstellung auf mögliche Pflichtteilsansprüche zu richten:

a.

Der Pflichtteil sichert den Abkömmlingen und dem Ehegatte/ eingetragenen Lebenspartner des Erblassers sowie eingeschränkt auch dessen Eltern einen Mindestanteil am Nachlass, der diesem Personenkreis nur unter sehr engen Voraussetzungen entzogen werden kann.

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch.

Der (nur) Pflichtteilsberechtigte wird somit nicht Erbe des Erblassers sondern hat einen Zahlungsanspruch gegen die Erben des Erblassers.

Werden durch testamentarische Verfügung Personen des oben genannten Kreises der Pflichtteilsberechtigten von der Erbfolge ausgeschlossen, sollte der Erblasser sich dazu Gedanken machen, wie mit der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen und mit der Auszahlung derselben umzugehen ist.

Die Pflichtteilsberechtigten können durch notarielle Urkunde auf ihren Pflichtteil verzichten.

Besteht hierzu keine Bereitschaft, kann bei ausreichenden Nachlässen mit Vermächtnissen zugunsten derjenigen Pflichtteilsberechtigten, die ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen, gearbeitet werden.

Bei gemeinschaftlichen Testamenten, in denen der überlebende Ehegatte als Alleinerbe und gemeinsame Kinder als Erben eingesetzt werden, kann auch so verfahren werden, dass dasjenige Kind, welches im 1. Erbfall den Pflichtteil geltend macht (und erhält), auch im 2. Erbfall nur den Pflichtteil erhält.

b.

Abzuraten ist vom Versuch, mögliche Pflichtteilsansprüche durch Schenkungen zu Lebzeiten an Dritte auszuhöhlen.

Sofern dies innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren vor dem Erbfall passiert, ist, gestaffelt nach der zwischen Schenkung und Erbfall abgelaufener Zeit, anteilig der Wert der Schenkung dem Nachlass zuzurechnen und daraus dann der sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen.

Bei Schenkungen an den Ehegatten/ eingetragenen Lebenspartner beginnt der Lauf der 10-Jahres-Frist erst mit Auflösung der Ehe oder der Partnerschaft.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aller anzustellenden Erwägungen bei Errichtung eines Testaments bzw. Nachlassplanung.

Angesprochen wurden nur die in meiner Praxis häufigsten Punkte; es kann, je nach Zielrichtung des Testaments, eine Vielzahl anderer zu berücksichtigender Punkte geben.

Für eine konkrete Besprechung Ihres Anliegens beziehungsweise Beratung im Rahmen der Testamentserstellung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


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