Günstigere Zinsen sichern durch Widerruf oder Kündigung von Altdarlehensverträgen

  • 5 Minuten Lesezeit

Seit Jahren sinken die Zinsen für Immobiliendarlehen.

Vor etwa 15 Jahren konnte man sich glücklich schätzen, sofern man für eine Immobilienfinanzierung einen Sollzins von 5 - 6% erhielt. Vor etwa 10 Jahren lagen die Zinsen schon deutlich niedriger bei ca. 4% Sollzinssatz.

Aktuell liegen die Zinssätze bei ca. 2% Sollzinssatz oder sogar noch niedriger.

Ein Unterschied beim Zinssatz von alleine 2 Prozentpunkten macht bei einem Darlehen über 150.000,00 € bereits einen Betrag von rund 3.000,00 € jährlich aus.

Insofern stellt sich für Immobilienbesitzer die berechtigte Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, sich die günstigeren Zinsen zu sichern.

Das Problem stellt jedoch der bestehende Altdarlehensvertrag mit langer Festzinsbindung dar, welchen Banken und Sparkassen in der Regel nicht auflösen wollen.

Aus Sicht der Banken und Sparkassen ist dies nachvollziehbar, bei Altverträgen verdienen diese deutlich mehr Geld an der Finanzierung als bei Neuverträgen.

Sofern eine Bank den Kunden überhaupt aus dem Darlehensvertrag entlässt, verlangt diese in der Regel immer eine sogenannte „Vorfälligkeitsentschädigung“.

Diese Vorfälligkeitsentschädigung soll den erlittenen Zinsschaden der Bank ausgleichen, eben aufgrund der vorzeitigen Ablösung des Darlehens.

Will ein Kunde sich günstigere Zinsen sichern, durch eine Umschuldung auf einen Neuvertrag, lohnt sich dies in der Regel nicht, sofern der Kunde eine Vorfälligkeitsentschädigung an die alte Bank zahlen muss.

Daher stellt sich die Frage, ob man ein Immobiliendarlehen oder andere Kredite auch ohne Vorfälligkeitsentschädigung ablösen kann.

Bei langfristigen Darlehen gibt es diesbezüglich ein Sonderkündigungsrecht nach 10 Jahren

Gemäß § 489 Abs.1 Ziff. 2 BGB kann der Darlehensnehmer bei langfristigen Darlehen mit Festzinssatz dieses nach Ablauf von 10 Jahren (nach dem vollständigen Empfang) unter Einhaltung einer 6 monatigen Kündigungsfrist kündigen.

Da Darlehen teilweise auch über 15 Jahre oder länger finanziert werden, besteht somit zumindest nach Ablauf von 10 Jahren eine gesetzlich vorgesehene Kündigungsmöglichkeit für den Darlehensnehmer.

Eine weitere Möglichkeit aus einem Altdarlehen als Bankkunde „auszusteigen“, ist der Widerruf des Darlehensvertrages.

Diese Möglichkeit steht jedoch nicht jedem Bankkunden offen, sondern lediglich dem, in dessen Darlehensvertrag die finanzierende Bank bei Abschluss des Darlehens eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung verwendet hat.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in Immobiliendarlehen oder auch bei anderen Krediten, geben vielen Verbrauchern die Möglichkeit, noch viele Jahre nach Vertragsschluss einen Kredit vorzeitig aufzulösen.

Der Lauf der Widerruffrist beginnt nämlich erst mit einer korrekten Widerrufsbelehrung.

Die gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung sind in den §§ 355 ff. BGB normiert. Eine ordnungsgemäße Belehrung ist danach an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, die von der Rechtsprechung in den letzten Jahren weitere Konkretisierungen erfahren hat.

Aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Widerrufsbelehrung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 15.08.2012 (Az.: VIII ZR 378/11) seine bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an die eine Widerrufsfrist in Gang setzende Widerrufsbelehrung nochmals konkretisiert. Es geht hier insbesondere um den Fristbeginn des Widerrufsrechts für den Kunden. Der BGH hat in dem konkreten Fall entschieden:

  • Eine Widerrufsbelehrung, die den Hinweis enthält, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” beginne, genügt wegen der Verletzung des Deutlichkeitsgebots nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. und macht die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
  • Folge der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung ist grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht, solange der Vertrag noch nicht vollständig erfüllt ist. Da es keine Regelung für das Widerrufsrecht gibt, kann sie auch noch danach gelten.
  • Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn die vollständige Musterwiderrufsbelehrung nach einer entsprechenden Verordnung verwendet worden ist.

Darlehensnehmern von Verbraucherdarlehen (Anschaffungsdarlehen oder Immobilienkredite) eröffnet sich durch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung die Möglichkeit, sich vom Kreditvertrag zu lösen. Der Widerruf kann auch noch viele Jahre nach Abschluss der Immobilienfinanzierung oder anderer Darlehen erfolgen.

Wann ist eine Widerrufbelehrung fehlerhaft?

Die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung kann sich z. B. aus der Verwendung des Wortes „frühestens” (wie in dem BGH-Fall) oder auch anderen Belehrungsmängeln immer dann ergeben, wenn die von der Bank verwendete Widerrufbelehrung textlich von der gesetzlich vorgeschriebenen „Musterwiderrufbelehrung“ abweicht. Dies gilt auch, wenn die Bank oder Sparkasse Angaben unterlässt, welche lediglich in den Anlagen zur Musterwiderrufsbelehrung als Sondertextbausteine für bestimmte Geschäftsvorfälle vorgesehen sind.

Allerdings ist die Rechtslage in jedem Einzelfall sehr genau zu prüfen, insbesondere da seit dem Jahr 2002 bis heute die Musterwiderrufsbelehrung 9-mal geändert wurde.

Was bringt ein Widerruf für Vorteile?

Bei der aktuellen Zinssituation kann z. B. bei langjährigen Baufinanzierungen viel Geld gespart werden: Es besteht die Möglichkeit, sich von einem älteren und zu einem höheren Zinssatz abgeschlossenen Darlehensvertrag (auch Forward-Darlehen) durch Widerruf zu lösen. 

Für die erforderliche Neufinanzierung können dann die aktuell günstigen Zinssätze genutzt werden. Des Weiteren muss der Verbraucher zwar auch bei Widerruf der Bank die vertraglich vereinbarten Zinsen zahlen, aber auch die Bank muss im Gegenzug für die bereits erhaltenen Tilgungsraten Zinsen an den Verbraucher zahlen, was wiederum zu einem erheblichen finanziellen Vorteil für den Verbraucher führen kann. Darüber hinaus bleibt dem Verbraucher auch noch die Möglichkeit, die an die Bank zu zahlenden Zinsen zu reduzieren, wenn es ihm gelingt, nachzuweisen, dass die „marktüblichen Zinsen“ günstiger waren, als die vertraglich vereinbarten. In diesem Fall stehen der Bank nämlich „nur“ die „marktüblichen Zinsen“ zu.

Weitere Kosten und insbesondere eine Vorfälligkeitsentschädigung kann die Bank oder Sparkasse bei wirksamem Widerruf ebenfalls nicht geltend machen.

Auch wenn die Bank dem Darlehensnehmer gekündigt hat, ist ein Widerruf noch möglich. Wurde der Darlehensvertrag von der Bank oder Sparkasse gekündigt, erfolgt in der Regel ein negativer Schufa-Eintrag, was eine neue Finanzierung deutlich erschwert oder nahezu unmöglich macht. Erfolgt jedoch ein wirksamer Widerruf des Darlehensvertrags muss die Bank auch die negative Schufa-Meldung zurücknehmen.

Zunächst sollte man die rechtlichen Chancen eines möglichen Widerrufs jedoch durch einen Fachmann prüfen lassen.

Dann sollte der Widerruf auch taktisch gut vorbereitet sein. Denn widerruft man ein Darlehen, ist der erhaltene Darlehensbetrag innerhalb von 30 Tagen an die Bank zurückzuzahlen. Man sollte also bereits vor Erklärung des Widerrufs eine verbindliche alternative Finanzierungszusage besitzen, anderenfalls kann die Vorgehensweise üble Folgen haben. Man kann natürlich den Widerruf gegenüber der Bank auch erst einmal nur „androhen“ und nicht gleich (verbindlich) erklären. Dann besteht jedoch die Gefahr, dass die Bank kurzfristig nachbelehrt und damit die Widerrufsfrist in Gang setzt, um den Kunden zeitlich unter Druck zu setzen.

Es lohnt sich deshalb, den Finanzierungsvertrag von einem Fachmann prüfen zu lassen und mit diesem die weitere Vorgehensweise im Detail zu planen, wenn ein Widerruf des Darlehensvertrages möglich ist.

Bei Fragen können Sie sich gerne an uns wenden. Wir beraten oder vertreten Sie bundesweit.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Keller

Beiträge zum Thema