Häufige Kurzerkrankungen als Kündigungsgrund

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Beitrag zum Urteil des BAG vom 23.01.2014 – 2 AZR 582/13.

Ausgangslage:

Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob sie Arbeitnehmer bei häufigen Kurzerkrankungen kündigen können.

Sachverhalt:

Die Arbeitnehmerin war seit 1981 bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ist sie ordentlich unkündbar. Seit dem Jahr 2000 war die Arbeitnehmerin aufgrund unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Zuletzt war die Arbeitnehmerin in der Zeit vom 16.11. bis zum 19.12.2011 arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber hat daraufhin die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist erklärt.

Urteil des BAG:

Das BAG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten sei. Sie beginne regelmäßig, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen habe, die ihm die Entscheidung darüber ermögliche, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht. Bei Dauertatbeständen – häufige Kurzerkrankungen – lasse sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liege ein solcher Tatbestand vor, reiche es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stütze, auch noch bis mindestens 2 Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben seien (BAGE 231, 299). Im Fall einer langandauernden – durchgehenden – Arbeitsunfähigkeit liege ein solcher Dauertatbestand vor. Nun hat das BAG entschieden, dass auch häufige Kurzerkrankungen einen Dauertatbestand darstellen könnten. Kündigungsgrund sei dabei, wie im Fall einer langandauernden Erkrankung, nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Da der Arbeitnehmer in den Fällen häufiger Kurzerkrankungen typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg teilweise gesund, teilweise arbeitsunfähig erkrankt sei, komme es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bis mindestens 2 Wochen vor Zugang der Kündigung – zufällig – arbeitsunfähig gewesen war. Maßgebend sei vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, also die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen, noch bis mindestens 2 Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat.

Nach dem 3-Stufen-Modell des BAG ist im Fall häufiger Kurzerkrankungen durch den Arbeitgeber folgende Prüfung vorzunehmen.

1. Stufe

Zum Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankung im bisherigen Umfang befürchten lassen.

2. Stufe

Die prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, wozu auch wirtschaftliche Belastungen, z. B. einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, gehören.

3. Stufe

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung muss geprüft werden, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.

Anmerkung RA Müller:

Die Gerichte legen bei einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung einen strengen Prüfungsmaßstab an. Der Arbeitnehmer muss über Jahre hinweg mehrere Kurzerkrankungen gehabt haben, in welchen der Arbeitgeber verpflichtet war, Entgeltzahlungen zu erbringen, obwohl dem keine nennenswerte Arbeitsleistung gegenübersteht. Das Arbeitsverhältnis muss quasi „sinnentleert“ sein.

Vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung wegen Kurzerkrankungen sollte der Arbeitgeber unbedingt rechtlichen Rat einholen.

Rechtsanwalt Daniel Müller LL. M. Eur.


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