Haftung des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nachbarn – Schadensersatz oder Ausgleichspflicht?

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Haftet der Grundstückseigentümer für Schäden beim Nachbarn auch dann, wenn ihm kein schuldhaftes Verhalten vorwerfbar ist? 

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 

Eine das gesamte Schadensersatzrecht prägende gesetzliche Regelung, die auch im Verhältnis der benachbarten Grundstückseigentümer gilt. Ebenso ist es möglich, dass sich der Grundstückseigentümer vom Verschuldensvorwurf wiederum befreien kann, wenn der Schaden beim Nachbarn durch den eigenen Handwerker verursacht worden ist, und der Grundstückseigentümer aber nachweisen kann, dass er die gebotene Sorgfalt bei der Auswahl des Handwerkers aufgewendet hatte. 

Bis hierhin unterscheidet sich die Haftung im Nachbarschaftsverhältnis nicht von denkbaren Fallkonstellationen in anderen Lebensbereichen.

Das nachbarschaftliche Verhältnis kennt jedoch darüber hinausgehend den verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Das Urteil des BGH vom 09. Februar 2018 – V ZR 311/16 setzt hier neue Maßstäbe für die Haftung des Grundstückseigentümers für Schäden beim Nachbarn, die durch eine beauftragte Handwerkerfirma verursacht werden. 

Dort hatte der Eigentümer eines Hauses Dachdeckerarbeiten durch eine Fachfirma ausführen lassen. Dabei kam es zu einem Brand, welcher nicht nur das eigene Haus, sondern auch das des Nachbarn erheblich beschädigte. Hier hob der BGH die Entscheidung der Vorinstanz auf. 

Diese hatte zum einen die Schadensersatzverpflichtung des Grundstückseigentümers wegen schuldhafter Verursachung abgelehnt, weil der Eigentümer selbst nicht schuldhaft gehandelt und auch die gebotene Sorgfalt bei der Auswahl und Beauftragung der Dachdeckerfirma beachtet hatte. 

Zum anderen aber wurde von der Vorinstanz auch der hier erörterte, verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch abgelehnt. Bezüglich letzterem Anspruch führte der BGH verkürzt aus: Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist anzunehmen, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein benachbartes Grundstück ausgehen, welche der Eigentümer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, jedoch weder rechtlich noch tatsächlich verhindern kann, und wenn er dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß übersteigen. 

Nach dem BGH war ein solcher Ausgleichsanspruch hier zu bejahen. Denn der Grundstückseigentümer war nach Ansicht des BGH nach wertender Betrachtung für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks –die Dachdeckerarbeiten – verantwortlich ist. 

In ähnlichen Fällen hatte der BGH die Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers schon in wertender Betrachtung bejaht, etwa wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts elektrischer Geräte in Brand gerät (BGH, Urteil vom 11. Juni 1999 – V ZR 377/98, BGHZ 142, 66, 70; BGH Urteil vom 1. Februar 2008 – V ZR 47/07, NJW 2008, 992, 993) oder aber wenn Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt (Senat, Urteil vom 30. Mai 2003 -VZR 37/02, BGHZ 155, 99, 105 f.). 

Der BGH führt aus, der Nachbar hatte keine Möglichkeit gehabt, das drohende Übergreifen des Brandes auf sein Grundstück zu verhindern. Die durch den Brand verursachten Beschädigungen überstiegen auch das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. 

Dass der Brand durch die Dachdeckerfirma verursacht worden war, steht der Verantwortlichkeit im Bereich des verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs auch nicht entgegen. Denn mittelbarer Handlungsstörer ist auch derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen Dritten (Handwerkerfirma) in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht hat. Was mit der Beauftragung der Dachdeckerfirma der Fall gewesen war. 

Die Entscheidung des BGH wird beachtliche Auswirkungen auf die zukünftigen Auseinandersetzungen im Nachbarschaftsrecht zu Schadensersatz- und Ausgleichsansprüchen haben. Der Verweis auf die sorgfältige Auswahl der Handwerkerfirma kann u. U. daher nicht mehr ausreichen, um sich als Eigentümer von der Haftung gegenüber dem Nachbarn zu befreien. 

Allein die Beauftragung des Handwerkers kann Anknüpfungspunkt für die wertende Bejahung der Verantwortlichkeit gegenüber dem geschädigten Nachbarn sein. Wegen der Ermittlung der bezifferbaren Höhe des vom BGH befürworteten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs verwies der BGH zurück an die Vorinstanz. 

Nach hiesiger Ansicht wird die Rechtsprechung in solchen Fällen zukünftig zu klären und herauszuarbeiten haben, inwieweit dieser verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch sich vom verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf den Umfang der Erstattungspflicht abgrenzt oder aber sich mit ihm deckt. 

Mitgeteilt von 

Kranich/Pohland

Rechtsanwaltskanzlei Kranich, Berlin 


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