Hartz IV – Wann sind Zuwendungen (kein) Einkommen?

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Am 23.08.2011 hat das Bundessozialgericht (BSG) einen Fall (Az.: B 14 AS 74/10 R) verhandelt, in dem es um die Frage ging, ob Geldgeschenke an Minderjährige, die während des Leistungsbezuges zugeflossen sind und in der Summe die jährliche Bagatellgrenze von 10 EUR monatlich überschreiten, als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Der Fall: Die Großmutter der Kläger hatte für zwei Enkelkinder je einen Betrag von 135 EUR als Geburtstagsgeschenk und für drei Enkelkinder je 100 EUR als Weihnachtsgeschenk überwiesen. Das beklagte Jobcenter rechnete von diesem Betrag insgesamt 510 EUR als Einkommen an und verlangte von den Klägern die Erstattung.

Die Entscheidung: Das Sozialgericht Leipzig hob die Leistungskürzung teilweise auf; je Anlass seien 50 EUR (also insgesamt 250 EUR) nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Auf die Berufung des beklagten Jobcenters hat das Sächsische Landessozialgericht das Urteil aufgehoben und ausgeführt, dass die Kläger das Geld zur freien Verfügung erhalten hätten und es zu demselben Zweck wie die Grundsicherungsleistung hätten einsetzen können. Insoweit sei das Geld voll als Einkommen anzurechnen, eine Reduzierung käme nicht in Betracht. Vor dem Bundessozialgericht endete das Verfahren mit einem Anerkenntnis des beklagten Jobcenters mit der Folge, dass die Geldgeschenke im vorliegenden Fall nicht als Einkommen angerechnet werden und die Kläger somit nichts erstatten müssen. Da das Anerkenntnis jedoch wohl aufgrund formeller Fehler zustande kam, ist dieses Ergebnis nicht allgemeingültig.

Das Bundessozialgericht hat jedoch explizit darauf hingewiesen, dass sich die maßgebliche Rechtslage zum 01.04.2011 geändert hat. Nach § 11a SGB II sind nun Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

In den Dienstanweisungen der Jobcenter werden als Beispiele für solche nicht anrechenbare Zuwendungen gesellschaftliche Preise zur Ehrung von Zivilcourage, Ehrenabgaben aus öffentlichen Mitteln, Spenden aus Tombolas für bedürftige Menschen und Begrüßungsgelder für Neugeborene genannt. Obergrenze für die Nichtberücksichtigung derartiger Zuwendungen seien die geltenden Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II. Anrechnungsfrei seien in der Regel auch Zuwendungen Dritter, die an den Bezug von ALG II oder Sozialgeld geknüpft sind, wie etwa Zuschüsse zu Schulmaterialien und Bereitstellung von Verhütungsmitteln. Zuwendungen von Verwandten an minderjährige Kinder (z. B. Taschengeld, Zuwendungen zur Jugendweihe sowie an religiösen Festen u. a. Firmung, Kommunion, Konfirmation) seien nicht anzurechnen, wenn die Zuwendung die bei Volljährigen geltende Versicherungspauschale von monatlich 30 EUR nicht übersteigt.

Fazit: Welche Zuwendungen „grob unbillig" sind oder „die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch (SGB II) nicht gerechtfertigt wären", wird die Rechtsprechung klären müssen. Insbesondere bei größeren Geldgeschenken ist jedoch weiter damit zu rechnen, dass diese vom Jobcenter als Einkommen angerechnet werden.



Rechtsanwalt
Matthias Herberg

Fachanwalt für Sozialrecht,
Fachanwalt für Medizinrecht

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