Hat ein Eigentümer einen Anspruch auf Barrierefreiheit in der Wohnungseigentümergemeinschaft?

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Hintergrund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das für viele Eigentümer von Wohnungen jetzt oder in Zukunft relevant sein wird. 

Der Fall

Ein rüstiger, fast 80-jähriger Wohnungseigentümer wohnt im 5. Stock eines Mehrfamilienhauses. Er pflegt und betreut zeitweilig seine zu 100 % behinderte Enkelin, die unter anderem erhebliche Störungen der Motorik und Koordination hat. Ein Aufzug ist in dem Haus nicht vorhanden. 

Der 80-jährige Wohnungseigentümer möchte auf eigene Kosten einen Personenaufzug einbauen. Er sei insbesondere wegen der Pflege der Enkelin auf den Aufzug angewiesen. Ein entsprechender Antrag in der WEG-Versammlung hat keinen Erfolg. Der Wohnungseigentümer klagt auf Duldung des Einbaus.

So entschied das Gericht

Der Bundesgerichtshof entschied, dass dem Wohnungseigentümer kein Anspruch auf nachträglichen Einbau eines Personenaufzugs auf eigene Kosten zusteht. Grundsätzlich bedarf es für diese bauliche Veränderung der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, da der nachträgliche Einbau eines Personenaufzugs im Treppenhaus für die übrigen Wohnungseigentümer einen Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG bedeutet. Der Nachteil, der aus der baulichen Veränderung zur Herstellung von Barrierefreiheit erwächst, übersteigt das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung die Grundrechte auf Eigentum (Art.14 Abs. 1 GG) und Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 3 GG – Verbot der Benachteiligung Behinderter) gegenüber und wog die Interessen der Wohnungseigentümer gegeneinander ab. 

Warum hat das Gericht diese Entscheidung gefällt?

Entscheidend in diesem Fall war die fehlende Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer sowie der fehlenden Vereinbarung der Wohnungseigentümer. Denn die geplante Maßnahme begründet ein Sondernutzungsrecht im Sinne des Wohnungseigentumsrechts. In diesem Fall sollte der Personenaufzug nur einzelnen bau- und zahlungswillig Wohnungseigentümern zur Verfügung stehen. Ein Teil des Treppenhauses als Gemeinschaftseigentums wird dann nur wenigen Wohnungseigentümern zur Nutzung überlassen. Die anderen Wohnungseigentümer würden von der Nutzung eines Teils des Treppenhauses ausgeschlossen werden. Das allen zur Verfügung stehende Treppenhaus wird durch den Einbau eines Personenaufzugs verringert. Die Schaffung eines Sondernutzungsrechtes setzt aber eine WEG-rechtliche Vereinbarung voraus. Diese muss einstimmig erfolgen. Sondernutzungsrechte sind dadurch gekennzeichnet, dass einem oder mehreren Wohnungseigentümern unter Ausschluss der Übrigen das Recht zur Nutzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums zugewiesen wird.

Gilt diese Entscheidung für alle vergleichbaren Fälle?

In einem anderen Fall könnte die erforderliche Interessenabwägung ergeben, dass ein Wohnungseigentümer auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer einen Treppenlift, eine Rollstuhlrampe oder einen Handlauf anbringen darf. Dies hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ab.

Fazit

Vor dem Kauf einer Eigentumswohnung im 5. Stock ohne Personenaufzug sollte aufgrund des Alters überlegt werden, ob der Bezug im Hinblick auf eventuelle Gesundheitsbeeinträchtigungen im Alter sinnvoll ist.

Für alle rechtlichen Fragen rund um das Thema Wohnungseigentumsrecht steht Ihnen Rechtsanwältin und Fachanwältin für Miet- und WEG-Recht Birgit Gladisch telefonisch gern zur Verfügung.

Dieser Aufsatz beruht auf dem BGH-Urteil vom 13.01.2017 (AZ: V ZR 96/16).


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