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HIV-Infektion als Berufskrankheit: Nachweis nach 30 Jahren

  • 3 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Krankenhauspersonal ist einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt. Trotz Schutzmaßnahmen ist eine Ansteckung nicht restlos auszuschließen, gerade wenn neue und noch weitgehend unbekannte Krankheiten auftreten. Schon 1997 urteilte das Bundessozialgericht (BSG) im Fall einer Krankenhausärztin, dass deren HIV-Infektion als Berufskrankheit entschädigt werden müsse (BSG, Urteil v. 18.11.1997, Az.: 2 RU 15/97).

Keine Berufskrankheit liegt hingegen vor, wenn die Krankheitsursache im privaten Bereich liegt. Oft kommt es hier zu Beweisschwierigkeiten. Ein vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) entschiedener Fall zeigt aber, dass selbst nach rund 30 Jahren noch eine Anerkennung als Berufskrankheit durchgesetzt werden kann.

Gesetzliche Unfallversicherung im Praktikum

Im Sommer 1982 absolvierte die später an AIDS erkrankte Klägerin ein Praktikum in einer Privatklinik. Dabei war sie unter anderem in den Bereichen Chirurgie, Orthopädie und innere Medizin tätig und zog sich währenddessen mehrere Verletzungen an Spritzen, Kanülen und Skalpellen zu. Unter anderem soll die Klägerin sich nach einer Blutentnahme versehentlich mit der Spritze tief in den Daumen gestochen haben. Klare Verhaltensregeln für solche Fälle gab es damals nicht. In den Wochen danach traten bei ihr grippeähnliche Symptome auf, mit Fieber, Durchfall und Übelkeit. Fünf Jahre später wurde bei der jungen Frau eine HIV-Infektion festgestellt. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte damals Leistungen ab, da die Betroffene in dem Verfahren nur unvollständige Angaben gemacht hatte.

Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?

Bei der Verletzung durch eine Spritze mag man zuerst an einen Arbeitsunfall denken. Schließlich handelt es sich um ein plötzliches und zeitlich begrenztes Ereignis von außen, das auch im allgemeinen Sprachgebrauch eher als Unfall, denn als Krankheit bezeichnet würde. Berufskrankheiten entwickeln sich im Gegensatz dazu über einen längeren Zeitraum. Entsprechend schwieriger ist es, deren Ursache nachzuweisen. Nach Ansicht des LSG schließt ein Unfallereignis in diesem Fall das Bestehen einer Berufskrankheit nicht aus.

Aber nur bestimmte Krankheiten kommen überhaupt als Berufskrankheit infrage. Welche das sind, regelt die Berufskrankheiten-Verordnung mit ihrer Anlage 1. Nach deren Nummer 3101 können „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war" als Berufskrankheiten anerkannt werden. Darunter fallen regelmäßig die in einem Krankenhaus beschäftigten Personen.

Keine Risikogruppe und typischer Verlauf

Den Einwand der Beklagten, dass sich die Klägerin auch im privaten Bereich mit dem HI-Virus angesteckt haben könnte, ließ das Gericht nicht gelten. Schließlich gehörte die Erkrankte als Privatperson zu keiner bekannten Risikogruppe. Durch das Krankenhaus-Praktikum allerdings war sie nicht nur einer allgemeinen, sondern einer signifikant erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Die geschilderten Vorfälle, insbesondere die dabei vermutlich übertragene Blutmenge, konnten auch ausreichend für eine Ansteckung mit dem HI-Virus gewesen sein. Dies war durch ein medizinisches Gutachten bestätigt.

Dass sich die HIV-Infektion erst später ereignet und bis zur Feststellung 1987 eben recht schnell entwickelte, sei laut Urteil unwahrscheinlich. Wesentlich naheliegender war nach Ansicht der Richter tatsächlich eine Ansteckung im Rahmen des Praktikums 1982. Dazu passte auch der restliche zeitliche Verlauf. So waren die zeitnah auftretenden grippeähnlichen Symptome rückwirkend betrachtet ebenfalls ein Indiz für die damals erfolgte Infektion.

Dementsprechend wurde die Beklagte vom Sozialgericht (SG) München verurteilt, eine Berufskrankheit anzuerkennen. Ihre Berufung gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg. Nachdem eine zunächst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen wurde, ist das Urteil nun rechtskräftig.

(Bay. LSG, Urteil v. 13.8.2013, Az.: L 3 U 262/12)

(ADS)

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