Hoffnung für Darlehensnehmer – Vorfälligkeitsentschädigungen häufig bis zu 50 % zu hoch berechnet !

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Darlehnsnehmer, die vorzeitig ihr Darlehen kündigen, sehen sich häufig bereits „gefühlt“ einer „unangemessenen“ und als „überhöht“ empfundenen Vorfälligkeitsentschädigung ihrer Bank ausgesetzt. Bei den vorgelegten Berechnungen durch die Kreditinstitute lassen sich immer wieder die gleichen Fehler ausmachen. So werden beispielsweise unzulässig hohe Bearbeitungsentgelte für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erhoben, bestehende Sondertilgungsrechte werden nicht oder nicht richtig berücksichtigt oder ersparte Risiko- und Verwaltungskosten (deutlich) zu niedrig ausgewiesen. Dies führt häufig zu erheblich überzogenen Forderungen der Banken gegenüber ihren Darlehnsnehmern, die bis zu 50 % der eingeforderten Vorfälligkeitsentschädigung ausmachen kann. So hat aktuell der Kreditsachverständige Prof. Dr. Wehrt für einen Bankkunden errechnet, dass dieser nicht, wie von der betroffenen Volksbank errechnet 26.365,24 Euro Vorfälligkeitsentschädigung geschuldet hat, sondern lediglich 13.364,18 Euro – konkret eine Ersparnis von fast 50 %. Und dies ist beileibe kein Einzelfall.

Eingesparte Risikokosten zu niedrig abgerechnet


Wirtschaftlich den größten Posten machen hier die „eingesparten Risikokosten“ aus. Bei der Ablösung der Darlehen sind die ursprünglichen Risikokosten als Risikokostenabschlag zugunsten des Kunden zu berücksichtigen und verringern aufseiten der Bank die berechnete Vorfälligkeitsentschädigung.  
Als grundlegende Kalkulationsbasis für die realen Risikokosten liegt der bankenübliche Richtwert bei privat genutzten Immobilien laut des renommierten Kreditsachverständigen Prof. Dr. Wehrt im Mengengeschäft zwischen 0,39 % und 0,54 % (WM 2018,  Seite 1164). Gerade in diesem Punkt rechnen die Institute mit erheblich reduzierten Werten, bisweilen mit einem Risikokostenabschlag von nur 0,014 % – mit der Folge, dass sich Darlehnsnehmer immer wieder einer überzogenen Vorfälligkeitsentschädigung ausgesetzt sehen. Dabei hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 07.11.2000 (BGH, WM 2001, 20) bestimmt, dass die Darlehensschuldner der Darlehensgeberin mit der Vorfälligkeitsentschädigung (nur) die Nachteile auszugleichen hat, die die Bank durch die vorzeitige Rückführung erleidet.


In seinem Urteil vom 07.11.2000 (BGH WM 2001, 20) heißt es wörtlich:


„Der Abschlag für die entfallende Risikovorsorge ist je nach den Risiken des konkreten Vertrages (Hervorhebung durch Verfasser) gemäß § 287 ZPO zu schätzen.“
Somit ergibt sich: Der Abschlag für die entfallenden Risikoaufwendungen ist für jeden Einzelfall spezifisch zu berechnen. Eine pauschale Berechnung ist dagegen ausdrücklich nicht zulässig, weil diese den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden regelmäßig übersteigt (vgl. Berger in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 490 Rn 37).


In der Praxis finden sich jedoch immer wieder pauschale „Einheitswerte“ von 0,014 % oder 0,1 %, weil die Kreditinstitute es sich einfach machen wollen, hier einen einmal niedrig anerkannten Wert auf bestehende Berechnungen zu „übertragen“.

Hoffnung durch verschärfte Risikovorsorge


Hoffnung macht den Verbrauchern aktuell der Umstand, dass (alle) Banken verschärften Anforderungen zur Risikovorsorge unterliegen, die die Banken zwingen höhere Risikoabsicherungen zu betreiben, was in der Folge auch die Kalkulation mit höheren Risikokosten nach sich zieht, die die Bank im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens entsprechend einspart und dem Kunden durch eine verringerte Vorfälligkeitsentschädigung ausweisen muss.
Hoffnung macht den Verbrauchern auch, dass die bisherige Rechtsprechung sich sämtlich mit Fallgestaltungen aus den 90er Jahren befasste und diese nicht den heute geltenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen unterlagen.
Die verschärften Vorschriften zur Risikovorsorge gelten erst seit den Jahren 2007 (Basel II) und 2014 (Basel III). Im Hinblick auf Basel III trat zum 1. Januar 2014 die unmittelbar anwendbare EU-Verordnung Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen in Kraft.
Zudem entfaltete ab diesem Termin auch die ergänzenden Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ihre Wirkung. Mit beiden Maßnahmen wurden die Anforderungen an die zu betreibende Risikovorsorge erheblich heraufgesetzt.

Bereits hohe Standardrisikokosten


Der renommierte Kreditsachverständige Prof. Dr. Wehrt unterstellt, dass durch die geänderten Anforderungen an die Risikovorsorge bereits die marktüblichen Darlehensstandardkonditionen mit einem typischen Aufschlag für das sog. Standardrisiko mit 0,25% zu Buche schlagen.
Damit wird auch schnell deutlich, dass über diese Standardrisiken hinausgehenden Risikokosten für einen „unerwarteten“ Kreditausfall die aufzubringenden Risikokosten weiter steigen lässt. Ebenso wird so nachvollziehbar, warum unter den geänderten aufsichtsrechtlichen Bedingungen für die Kreditinstitute ein Risikokostenaufschlag von mindestens 0,39 % bis 0,54 % bereits für eine einfache Immobilienfinanzierung entsteht.
Die grassierende Corona-Infektionswelle verdeutlicht zudem, dass Kredite nicht nur vor dem Hintergrund zu erwartender Risiken zu kalkulieren sind, sondern ebenso vor dem Hintergrund nicht vorauszuahnender Gefahren und Risiken.
In der Summe führt dies dazu, dass Kreditinstitute fast durchgängig gegenüber dem Kunden mit einem zu geringen Risikokostenabzug abrechnen und der Kunde einer überzogenen Vorfälligkeitsentschädigung ausgesetzt wird.

Unzulässige Abrechnung negativer Zinsen


In der jüngeren Vergangenheit mehren sich zudem in den Abrechnungen der Banken Positionen, die einen sog. negativen Zins mit dem Kunden abrechnen wollen, und mit dem Kreditinstitute  dem Kunden einen angeblichen Schaden bei der Wiederanlage des vorzeitig zurückgeführten Betrages in Rechnung stellen. Eine solche Position ist selbstverständlich im Rahmen einer Vorfälligkeitsberechnung unzulässig, weil die Bank damit einen nicht nachgewiesen Schadenersatzanspruch einrechnet, für den sie vollständig beweisbelastet wäre. Eine solche Position ist unzulässig und kann zurückgewiesen werden.


Da wie beschrieben die Berechnungsfehler der Banken sehr vielfältig sind, lohnt es sich immer, die bereits gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen anwaltlich überprüfen zu lassen.  


RA Werner Dillerup – Dillerup & Rohn Rechtsanwälte PartGmbB



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