Hohe Inflation – Index-Klauseln in Verträgen – insbesondere Mietverträge Gewerberaummiete mit Index-Miete –

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Hohe Inflation – Index-Klauseln in Verträgen – insbesondere Mietverträge Gewerberaummiete mit Index-Miete –


 inflationsbedingte drastische Erhöhungen häufig zu hoch oder unwirksam – 

– Welche vertraglichen Vereinbarungen und verlangten Erhöhungen sind wirksam ? Rechtswirksame und gerichtsfeste Klauseln vereinbaren ! –

– strenge gesetzliche Voraussetzungen für Wirksamkeit von Preisklauseln in Verträgen 

– insbesondere viele Mieter leiden doppelt unter drastisch steigenden Energiepreisen und drastischer Inflation (doppelte Belastung): über Index-Miete-Erhöhungen und höheren Miet-Nebenkosten/Betriebskosten –  

– Empfehlung (insbes. für Mieter und Vermieter): Prüfung von Wertsicherungsklauseln –


2022-09-26 – Düsseldorf – Rechtsanwalt Ulrich Wild


Die typische Ausgangssituation:


In der Regel ist es nur ein unscheinbares kleines Kästchen, das im mehrseitigen kleingedruckten Vertrag angekreuzt ist, neben dem Text der Klausel, der die inflationsausgleichende Anpassung – i.d.R. relevant die Erhöhung – ermöglicht. Als Wertsicherungsmaßstab sind in den Verträgen – je nach vereinbarter Vertragsleistung – verschiedene statistische Indikatoren zulässig. In der Praxis wird überwiegend der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland (Verbraucherpreisindex) verwendet, beziehungsweise der von statistischen Landesämtern errechnete jeweilige bundesländerspezifische Verbraucherpreisindex.


Aktuelle Preisentwicklung


Bislang in früheren Jahren sind solche Regelungen in Verträgen wirtschaftlich für die Vertragsparteien nur wenig ins Gewicht gefallen und haben daher nur wenig Beachtung gefunden. Aber schon in den letzten 2 Jahren seit ca. 2020 hat die Inflationsrate aber signifikant angezogen. Für die vertraglichen Schuldner der indexierten Vergütung, insbesondere gewerbliche Mieter, kamen wirtschaftliche Schwierigkeiten infolge Corona oft hinzu. Und jetzt haben sich für Verbraucher und die Corona-gebeutelte Wirtschaft hierauf on top noch die durch Wirtschaftssanktionen und nie dagewesene exorbitante Steigerungen der Energiepreise infolge der russischen Kriegsführung in der Ukraine bedingten extremen allgemeinen Preissteigerungen und Lieferengpässe noch oben drauf gesetzt. Dies hat in diesem Jahr (2022) schon in den Sommermonaten zu einer Inflationsrate von deutlich über 7 % geführt (mit weiterer Tendenz nach oben offen). Spätestens jetzt, seitdem, werden daher solche Klauseln über an Preissteigerungen gemäß einem Index gekoppelte vertragliche Vergütungen für alle Markt-Beteiligten wirtschaftlich plötzlich sehr relevant und extrem spürbar.


Die Interessenlage:


Der Leistungsanbieter (bei Mietverträgen der Vermieter) sieht sich inflationsbedingt gehalten, die mit der Klausel vorgesehene Erhöhung des Preises/der Vergütung durchzusetzen, um Real-Einnahme-Verlusten gegenzusteuern bzw. die Einnahmen wertbeständig zu halten. Und der Schuldner der Vergütung (bei Mietverträgen der Mieter) sieht sich in diesen Zeiten seiner ohnehin hohen Kostenbelastungen einer wirtschaftlich besonders signifikant ins Gewicht fallenden weiteren Kostensteigerung im gegebenen Vertragsverhältnis gegenüber. Das sollte beide Seiten, beide Vertragsparteien, daher motivieren und alarmieren, Ihre Verträge zumindest unter diesem Gesichtspunkt genauer unter die Lupe zu nehmen und dazu am besten kundigen Rechtsrat hinzuzuziehen.


Vertragliche Regelungen über Anpassungen der Vergütung (Preisklauseln) - Begriffe und Arten und Vertragstypen:


Gleichwohl geht es bei Klauseln über Preisanpassungen bzw. Anpassung der vereinbarten Vergütung um Anpassung ggf. in beide Richtungen: nicht nur Erhöhung sondern auch Absenkung bzw. Herabsetzung.

Begriffe:

Die Indexklausel ist auch bekannt unter folgenden gleichbedeutenden Begriffen: Gleitklausel, Preisklausel bzw. Preisanpassungsklausel oder Wertsicherungsklausel. Sie findet sich in vielen Verträgen verschiedenster Vertragstypen. Am weitesten verbreitet ist sie im Mietrecht in Mietverträgen und findet sich in beinahe jedem Gewerberaummietvertrag. Am präzisesten ist eigentlich der Begriff „Preisklausel“, da er sich am Begriff der gesetzlichen Regelungen orientiert, die sich im Preisklauselgesetz (PrKG) finden.

Komplexe u. komplizierte Rechtslage - detaillierte Rechtsprechung:

Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Preisklausel, der Folgen der Unzulässigkeit und auch die richtige Berechnung der Mietanpassung bereitet oft Schwierigkeiten. Schon die gesetzlichen Vorgaben sind einigermaßen komplex. Die in Verträgen zu findenden Klauseln sind im Detail vielgestaltig. Für die Handhabung und Beurteilung von Klauseln auch im Detail ist deshalb Kenntnis der Praxis und der Rechtsprechung erforderlich.

Grundsätzliche Arten von Preisklauseln - "echte" und "unechte" Gleitklauseln:

Bei den Preisklauseln unterscheidet man im Wesentlichen „echte“ Gleitklauseln (Preisklauseln) gem. § 1 Abs. 1 PrKG und „unechte“ Gleitklauseln (Preisklauseln) gem. § 1 Abs. 2 PrKG. Bei der echten Gleitklausel führt die Änderung der Bezugsgröße im vereinbarten Index unmittelbar („automatisch“) zu einer Änderung der Grundmiete („ … verändert sich der …-index um x Prozent, verändert sich entsprechend automatisch die Höhe der Miete um x Prozent ….“). Demgegenüber passt sich bei der unechten Gleitklausel die Grundmiete nicht automatisch an, sondern nur durch notwendige weitere Handlungen der Vertragsparteien („… soll die Angemessenheit der Miete überprüft und die Miethöhe neu vereinbart werden.“ oder „ … kann der Vermieter oder der Mieter eine Anpassung der Miethöhe verlangen …“.

Besonderheit: Mietverträge über Wohnraum - Sonderregelung (hier nicht begandelt):

Die nachfolgenden Hinweise haben Relevanz für nahezu alle Verträge und Vertragstypen, die auf längere Dauer angelegt sind (insbes. Dauerschuldverhältnisse)Sie sind insoweit aber soweit es Mietverträge betrifft lediglich auf Gewerberaummietverträge anwendbar. Denn für Wohnraummietverträge gelten für Indexklauseln/Preisklauseln spezielle Sondervorschriften: § 557b BGB, die in diesem Beitrag nicht behandelt werden.


Die gesetzlichen Vorschriften:


Preisklauselgesetz (PrKG) und AGB-Regelungen im BGB

Maßgeblich ist für solche Vertragsklauseln das Preisklauselgesetz (PrKG). Daneben gelten, soweit es sich bei der Klausel um (nicht individuell ausgehandelte) AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) handelt, die – in das BGB (Bürgerliche Gesetzbuch) integrierten – gesetzlichen Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 – 310 BGB. Die Regelungen des PrKG sind allerdings die spezielleren Vorschriften. Sie gehen den AGB-Regelungen im BGB vor. Die AGB-Regelungen finden daher nur dann Anwendung, soweit die Regelungen des PrKG nicht als die speziellern vorgehen.

PrKG hat im September 2007 alte Rechtslage (PrAKG alt u. PrKV alt) abgelöst:

Zum 14. September 2007 wurde das Preisklauselgesetz (PrKG) neu erlassen und zum 29.07.2009 zuletzt geändert, womit das bisherige Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PrAKG) und die dazugehörige Preisklauselverordnung (PrKV) ersetzt worden sind. Es gilt jetzt ein Indexierungsverbot, das Preisklauseln grundsätzlich unzulässig macht. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen von dem Verbot (Legal-Ausnahmen). Es ist kein behördliches Genehmigungsverfahren mehr vorgesehen.

Wirksamkeitsvoraussetzungen - die wichtigstenVorgaben im Gesetz:

Verbot und Verbots-Ausnahmen:

Die zulässigen gesetzlich gestatteten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot betreffen zum einen bestimmte besondere Arten von Preisklauseln ihrer besonderen inhaltlichen Bedeutung nach (§ 1 Abs. 2 PrKG) und zum anderen in der Praxis deutlich relevanter die Verwendung auch von sonstigen Preisklauseln insbesondere in bestimmten längerfristigen („langfristigen“) Verträgen mit wiederkehrender Vergütung oder mit sonstigen längerfristigen Zahlungen (§ 3 PrKG i.V.m. § 2 Abs. 1 PrKG und auch §§ 4 bis 7 PrKG).

Die besonderen gesetzlichen Vorgaben - Dauer der Vertragsbindung bei den meisten Vertragstypen

Diese gesetzlich abschließend normierten besonderen Ausnahmen für verschiedene Arten von Verträgen (§ 3 PrKG i.V.m. § 2 Abs. 1 PrKG und auch §§ 4 bis 7 PrKG) statuieren besondere Vorgaben als Zulässigkeits-/Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Inhalt der Klausel selbst (Bestimmtheitsgebot, Verbot unangemessener Benachteiligung – vgl. unten) und an die vertragliche Konstruktion des Vertrages insgesamt im Hinblick auf die Dauer der Vertragsbindung (Vertragsdauer). Die Vertragsdauer wiederum hat besondere rechtliche Folgewirkungen für bestimmte Vertragstypen, in welchen die Preisklausel Verwendung findet. So regelt § 3 PrKG relevant für die meisten Vertragstypen, dass Wirksamkeitsvoraussetzung ist:

  • eine im Vertrag geregelte Vertragsbindung (Vertragsdauer) von mindestens 10 Jahren oder
  • ein Kündigungsausschluss für die ordentliche Kündigung des Vertrages für mindestens 10 Jahre
  • oder ein dem Schuldner eingeräumtes Recht, die Vertragsdauer auf mindestens zehn Jahre zu verlängern.

Vorsicht - Besondere Risiken bei Mietverträgen - Zeitmietverträgen - insbesondere bei Gewerberaum:

Bei gewerblichen Mietverträgen z.B. zieht das die rein mietrechtliche besondere rechtliche Folgewirkung nach sich, der zu beachtenden Schriftform des Vertrages (§§ 578 II, 550 BGB), die viele versteckte Gefahren, Probleme und zu beachtende Besonderheiten in sich birgt.

Bestimmtheitsgebot und Verbot unangemessener Benachteiligung


Vor allem müssen die Klauseln auch hinreichend bestimmt sein und dürfen keine Partei unangemessen benachteiligen (§ 2 Abs. 1 PrKG). Wann dies der Fall ist bzw. nicht der Fall ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles, des konkreten Wortlautes der konkreten vereinbarten Klausel, die gegebenenfalls der Auslegung unterliegt. Hier ist in besonders gelagerten Einzelfällen deshalb insbesondere Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung gefragt.

Rechtsfolge unzulässige Preisklausel

Eine Wertsicherungsklausel bleibt nach aktueller Rechtslage (§ 8 PrKG) nun solange wirksam, bis bei einer unwirksamen Klausel der Verstoß und damit die Unwirksamkeit gegen das PrKG rechtskräftig per Gerichtsurteil festgestellt ist. Der Vertragspartner, der sich auf eine vereinbarte Preisklausel beruft, muss diese also im Zweifelsfall nunmehr vor den Zivilgerichten einklagen. Natürlich bleibt den Parteien eine einvernehmliche gütliche Lösung des Konflikts durch eine Einigung (Vergleich) unbenommen und empfiehlt sich daher häufig. Die mögliche Unwirksamkeit bzw. das Risiko bietet dann häufig eine gute Verhandlungsposition. Natürlich sollte eine Einigung dann aber eine rechtskonforme, rechtssicher wirksame neue Regelung schaffen.


Wichtige Hinweise für die Verwendung von Preisklauseln: 


Insbesondere folgendes sollte man bei der Verwendung von Preisklauseln in Verträgen beachten (diese Hinweise/Tipps sind keinesfalls abschließend, berücksichtigen noch keine Feinheiten und stellen nur eine erste grobe Orientierung dar !):


  • Verwendung des richtigen Index - neue Wertsicherungsklauseln auf Basis des Verbraucherpreisindex für Deutschland abschließen;
  • Vertragsdauer 10 Jahre oder Verträge, bei denen der Gläubiger auf die Dauer von mindestens zehn Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet oder der Schuldner das Recht hat, die Vertragsdauer auf mindestens zehn Jahre zu verlängern;
  • auf eine Veränderung in Prozent, nicht in Punkten, abstellen (Basisjahr dann irrelevant);
  • Berechnung nur für Kalendermonate und Jahre, nicht für Tage (daher sollten Formulierungen wie z.B. „der zum 1. Januar 2018 gültige Index“ vermieden werden);
  • Klausel sollte immer auf den Termin der letzten Zahlungsanpassung abstellen, nicht auf den Termin des Vertragsabschlusses.


Der vorstehende Text kann nur eine erste grobe Orientierung bieten. Letztlich kommt es auf den besonderen konkreten Vertrag in seiner Gesamtheit und die darin eingebettete konkrete Preisklausel ihrem Inhalt nach im besonderen Einzelfall an, die einer kompetenten, sorgfältigen rechtlichen Prüfung unterzogen werden muss.

Lassen Sie sich rechtlich beraten, vom Rechtsanwalt mit Praxis-Schwerpunkt in diesem Bereich.

Ich berate insbesondere im Vertragsrecht und insbesondere im Bau- und Immobilien-Sektor, insbesondere auch Mietrecht (Vermieter und Mieter), bundesweit bzw. standortunabhängig, auch telefonisch oder per Videoverbindung. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder per E-Mail. Auch außerhalb der angegebenen Öffnungs-/Sprechzeiten meiner Kanzlei bin ich präsent; lediglich die Telefonzentrale ist dann nicht besetzt; schreiben Sie mir dann gerne am besten eine E-Mail oder sprechen Sie auf die mailbox und ich rufe Sie so schnell wie möglich zeitnah zurück.



Ulrich Wild

Rechtsanwalt

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Düsseldorf 26.09.2022

Ulrich Wild

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