Hüft-OP nicht indiziert: 20.000 Euro

  • 3 Minuten Lesezeit

Mit Vergleich vom 11.02.2015 hat sich ein Herner Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten einen Betrag in Höhe von 20.000 Euro und die 2,0 außergerichtliche Geschäftsgebühr zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche zu zahlen.

Der am 22.08.1952 geborene Rentner litt Anfang 2010 unter Beschwerden im linken Hüftgelenk mit hinkendem Gangbild und Bewegungseinschränkung. Trotz einer konservativen Behandlung blieben tiefe Leistenschmerzen links. Nach kernspintomographischer Abklärung wurde zur Arthroskopie des linken Hüftgelenkes geraten und der Eingriff am 11.02.2010 durchgeführt. Die Arthroskopie ergab einen deutlichen Reizerguss und teils fortgeschrittene Knorpelschäden. Ab August 2010 klagte der Mandant über weitere Schmerzen in der linken Hüfte, da durch die Arthroskopie keine durchgreifende Besserung eingetreten war. Nachdem im August 2010 die Schmerzen in der Hüfte nicht mehr zu beherrschen waren, Treppensteigen nicht mehr möglich war und sogar nachts beim Drehen die Schmerzen unerträglich wurden, rieten ihm die Ärzte im Krankenhaus einen Gelenkersatz des linken Hüftgelenkes an. Am 11.10.2010 erhielt der Mandant ein künstliches Hüftgelenk links. Trotz dieser Operation besserten sich die linksseitigen Leistenschmerzen nicht. Durch die Operation kam es zu einer Verlängerung des linken Beines um mindestens 1,3 cm, so dass der Mandant auf regelmäßige Schuherhöhungen angewiesen ist.

Der Sachverständige hatte es als fehlerhaft gerügt, dass jegliche präoperative Planung zur Bestimmung der Beinlänge und deren intraoperative Berücksichtigung nicht dokumentiert war. Zwar sei nach dem OP-Bericht die Beinlänge intraoperativ zumindest geschätzt worden. Es bliebe allerdings offen, anhand welcher Kriterien diese Einschätzung vorgenommen worden wäre. Es sei nicht erkennbar, dass anhand einer Orientierung an der Höhe des Trochanter major im Verhältnis zum Drehpunkt keine bessere Einstellung der Beinlänge möglich gewesen wäre. Da zu unterstellen sei, dass keinerlei präoperative Planung vorgenommen worden sei, handele es sich um einen Verstoß gegen grundlegende medizinische Erkenntnisse, der schlechterdings nicht unterlaufen dürfe.

Äußerst zweifelhaft sei auch die Indikation zum Hüftgelenksersatz gewesen. Die Angabe des Mandanten, dass es sogar nachts beim Drehen im Bett zu unerträglichen Schmerzen komme, passe nicht zu einem mässigen Hüftgelenksverschleiß. Bei dem Mandanten habe eine Wirbelsäulenproblematik mit vorausgegangener Bandscheiben-OP vorgelegen. Deshalb sei eine anderweitige teilweise oder vollständige Verursachung der Beschwerden möglich. Der angeratene Gelenksersatz sei mit einem erheblichen Fehlschlagsrisiko einhergegangen, welches der Kläger bei seiner Entscheidung für den Gelenksersatz in Kauf nehmen musste. Eine Aufklärung über dieses erhebliche Misserfolgsrisiko sei nicht dokumentiert.

Der Mandant hatte in der mündlichen Verhandlung die mangelnde Aufklärung über das Misserfolgsrisiko und die relative Indikation der Operation gerügt. Im Termin zur Beweisaufnahme hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt: Bereits die Anamnese im Krankenhaus der Beklagten habe mehr für ein Wirbelsäulenschaden als für einen Schaden an der Hüfte gesprochen. Die im weiteren Verlauf vorgenommene Bildgebung zeige lediglich eine beginnende Arthrose und einen Reizzustand im Hüftgelenk. Für die starken Schmerzen des Mandanten sei die Arthrose zu gering gewesen, um diese Schmerzen allein mit Verschleißerscheinungen im Bereich des Hüftgelenkes erklären zu können.

Um sich weitere Klarheit über die Ursache der Schmerzen zu verschaffen, hätte man mit einer intraartikulären Injektion das Ausmaß der Verschleißerscheinungen und die Ursache des Schmerzes sehr gut beurteilen können. Dazu hätte dem Kläger ein Betäubungsmittel in das Hüftgelenk gespritzt werden müssen. Das hätte dazu geführt, dass er – vorausgesetzt ein Hüftschaden hätte vorgelegen – etwa 20 Minuten beschwerdefrei gewesen wäre. Wären die Schmerzen trotz der Injektion weiter vorhanden gewesen, spräche dieses eindeutig dafür, dass die Schmerzen nicht von der Hüfte, sondern vom Rücken hergerührt hätten. Die Spezifität dieser Untersuchung sei sehr hoch.

Wegen der klinischen Befunde und der präoperativ durchgeführten bildgebenden Diagnostik hätte der Kläger vor der Operation darauf hingewiesen werden müssen, dass seine Beschwerden möglicherweise nicht von der Hüfte, sondern vom Rücken herrührten. Verbunden sei mit der angeratenen Hüftoperation ein erhebliches Misserfolgsrisiko, so dass die Schmerzen weiter fortbestünden. Nur bei ordnungsgemäßer Beratung hätte sich der Kläger entscheiden können, ob er unter Inkaufnahme dieses Risikos sich an der Hüfte hätte operieren lasse. Trage der Mandant keine Schuherhöhung, müsse der Schiefstand durch eine Durchbiegung der Wirbelsäule ausgeglichen werden. Hierdurch könne sich die Problematik im Lendenwirbelsäulenbereich verschlimmern. Er müsse deshalb eine durchgängige Schuherhöhung bei Hausschuhen, Straßenschuhen und Freizeitschuhen tragen.

(Landgericht Bochum, Vergleich vom 11.02.2015, AZ: I-6 O 208/13)

Rechtsanwalt Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Koch

Beiträge zum Thema