Immobiliendarlehen widerrufen und Tausende Euro sparen

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Immobiliendarlehen widerrufen – Verbraucher, deren Immobilienkredit eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthält, können ihren Kredit noch Jahre später widerrufen. Sie haben die Möglichkeit zur Rückabwicklung, zur günstigeren Umschuldung für die Begleichung der Restschuld und zur Erstattung einer bezahlten Vorfälligkeitsentschädigung.

Laut der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Widerruf von Darlehen vom 26. März 2020 (Az.: C‑66/19) sind Millionen von Widerrufsbelehrungen fehlerhaft. Somit können die entsprechenden Darlehensverträge auch heute noch widerrufen werden. 

Bei der Finanzierung der Restschuld lassen sich mehrere tausend Euro sparen. Denn wer heute ein Darlehen aufnimmt, kann das in puncto Zinsen zu deutlich verbesserten Bedingungen tun als noch vor Jahren.

Millionen von Immobilienkrediten stehen aktuell auf dem Prüfstand – worauf es beim Widerruf zu achten gilt und wie man beim Widerruf seines Immobilienkredits vorgeht.

Inhaltsverzeichnis – Immobiliendarlehen widerrufen

  • Das Wesentliche in Kürze
  • Immobiliendarlehen widerrufen – aktuelle Rechtsprechung
  • Voraussetzungen für eine Kündigung – welche Verträge sind kündbar?
  • Konsequenzen für Verbraucher – der „Widerrufsjoker“
    • Das Immobiliendarlehen widerrufen und bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen
    • Einen laufenden Darlehensvertrag sofort ablösen – aktuelles Immobiliendarlehen widerrufen und Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen fordern
  • Rechtsfolgen des Widerrufs
  • Immobilienkredit richtig kündigen

Immobiliendarlehen widerrufen – das Wesentliche in Kürze

  • Ein Urteil des Europäische Gerichtshofs erlaubt es Verbrauchern, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen ihre Immobiliendarlehen widerrufen. Kreditnehmer können somit ihre Immobilie günstiger finanzieren.
  • Hierfür ist der Stichtag der 10. Juni 2010. Alle nach diesem Termin aufgenommen Kredite können auf Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung überprüft werden.
  • Auch andere Verbraucherkredite, zum Beispiel Leasing- oder Autokreditverträge, lassen sich widerrufen.
  • Mehrere Millionen Darlehensverträge von Verbrauchern in der Bundesrepublik Deutschland sind hiervon betroffen.
  • Voraussetzung für eine wirksame Rückabwicklung von Darlehensverträgen ist, dass der Kreditgeber nicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt hat.

Immobiliendarlehen widerrufen – aktuelle Rechtsprechung

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes versetzt die Kreditabteilungen von Immobilienfinanzierungen in helle Aufruhr. Denn laut Richterspruch ist es Verbrauchern möglich, ihren Immobilienkredit zu widerrufen, falls dieser eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthielt.

Das Urteil datiert vom 26. März 2020 und hat nach Ansicht von Experten Auswirkungen auf Millionen von Kreditverträgen. Folglich sollte jeder, der in den letzten zehn Jahren einen Immobilienkredit abgeschlossen hat, prüfen, welche Möglichkeiten sich ihm aufgrund des Urteils bieten. Denkbar sind:

  • die Rückabwicklung des Immobilienkreditvertrags,
  • die Umschuldung durch Aufnahme eines aktuell günstigeren Kredits und
  • die Erstattung geleisteter Vorfälligkeitszahlungen.

Voraussetzungen für eine Kündigung – welche Verträge sind kündbar?

Betroffen sind zunächst Kreditverträge für Immobiliendarlehen, die nach dem 10. Juni 2010 geschlossen worden sind. Diese lassen sich noch jetzt widerrufen, falls die im Vertrag festgehaltene Widerrufsfrist noch nicht begonnen hat. Dies ist der Fall, wenn die Widerrufsbelehrung falsche Angaben enthält oder wesentliche Informationen fehlen.

Grundlage hierfür ist die gesetzliche Verpflichtung der Banken, ihren Kunden ein Widerrufsrecht von 14 Tagen einzuräumen. Der dabei entscheidende Punkt: Die Frist beginnt erst, sobald die Bank ihren Kunden ordnungsgemäß über diese Möglichkeit informiert hat.

Obwohl das Gesetz bereits im Jahr 2002 in Kraft trat, kamen viele Banken ihrer Informationspflicht nicht nach. Erschwert wurde dies durch den Umstand, dass der Gesetzgeber Muster und Formulierungshilfen für die Erstellung von Widerrufsbelehrungen bei Immobiliendarlehen bereitstellte, die zum Teil von Banken verändert wurden. In solch einem Fall kann sich eine Bank nicht auf die sogenannte „Schutzfiktion“ der Musterwiderrufsbelehrung berufen und der abgeschlossene Vertrag ist angreifbar.

Verbraucher können nicht nur Immobiliendarlehen widerrufen. Denn die Möglichkeit zum Widerruf besteht auch für Leasing- oder Autokreditverträge. Branchenkenner vermuten, dass das Gesamtvolumen der kritischen Verträge bei über 1,5 Billionen Euro liegt.

Fehlerhafter Darlehensvertrag

Die Frage, wann die Widerrufsfrist bei einem Kreditvertrag beginnt, sollte leicht zu beantworten sein. In der Praxis sind die Regelungen jedoch oftmals so kompliziert formuliert, dass Kreditnehmer die Bedingungen für einen Widerruf in der Regel nicht verstehen. Zu den typischen Fehlern gehören:

Kaskadenverweis

„Kaskade“ ist eine andere Bezeichnung für einen künstlichen, stufenartigen Wasserfall. Die Verbraucherbelehrung in Stufen wurde einer Sparkasse bei einer Baufinanzierung aus dem Jahr 2012 zum Verhängnis. Der Fristbeginn des Widerrufs ließ sich hier nur in Stufen erschließen, nämlich wenn man parallel zum Vertrag das BGB (§ 492) sowie das EGBGB (Art. 247 §§ 6 bis 13) konsultiert hätte.

Laut Europäischem Gerichtshof ist dieser „Kaskadenverweis“ intransparent und verstößt gegen europäisches Recht, mit der Folge, dass dieser Vertrag bis heute widerrufen werden kann. In diesem Zusammenhang bemerkenswert: Der Bundesgerichtshof hatte die Methode des Kaskadenverweises mehrmals als ausreichend beurteilt.

Ladungsfähige Anschrift

Viele Immobilienkreditverträge, die zwischen 2010 und 2014 abgeschlossen wurden, sind lückenhaft. Denn es fehlen wichtige Angaben, insbesondere über die Anschrift des Kreditgebers. Die bloße Angabe eines Postfachs reiche laut einem Urteil des Berliner Kammergerichts hierfür nicht aus. Vielmehr sei eine „ladungsfähige Anschrift“ anzugeben, bestehend aus Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort als Adresse der Bank.

Unvollständige Pflichtangaben

Wird in der Belehrung zum Widerruf darauf hingewiesen, dass die Widerrufsfrist erst zu laufen beginnt, nachdem der Verbraucher alle Pflichtangaben erhalten hat, müssen ihm diese auch vollständig übermittelt werden. Ist der Hinweis auf die zuständige Aufsichtsbehörde des Kreditgebers eine Pflichtangabe und fehlt diese im Vertrag, so beginnt laut einem BGH Urteil die Widerrufsfrist nicht.

Fehlender Hinweis auf Plicht zur Gebäudeversicherung

Bei vielen Baufinanzierungen wurde seitens des Kreditinstituts der Abschluss einer Gebäudeversicherung zur Bedingung gemacht. Aber wenn im Vertrag versäumt wurde, auf diesen Umstand hinzuweisen, hat der Kreditnehmer laut Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Möglichkeit zum Widerruf.

Konsequenzen für Verbraucher – der „Widerrufsjoker“

Verbraucher sollten sich ihre geschlossenen Kreditverträge noch einmal anschauen. Denn falls die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erfolgte, hat die gesetzliche 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.

Wird der sogenannte „Widerrufsjoker“ gezogen, also beispielsweise ein Immobiliendarlehen widerrufen, muss der Vertrag – auch etliche Jahre nach Vertragsschluss – rückabgewickelt werden.

Für Verbraucher lohnt sich der Widerrufsjoker in den allermeisten Fällen in finanzieller Hinsicht. Ihnen stehen mehrere Optionen offen, mit denen sie sparen:

Immobiliendarlehen widerrufen und bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen

Wer seinen Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen will oder muss, wird dafür von der Bank nicht belohnt. Denn eine vorzeitige Zahlung bedeutet für sie einen Verlust in Form von entgangenen Zinsen in der Zukunft.

Diesen Verlust kompensieren Banken, indem sie vom Kreditnehmer eine sogenannte „Vorfälligkeitsentschädigung“ verlangen. Verbraucher werden hierbei häufig mit Summen in fünfstelliger Höhe konfrontiert – was viele ihren Beschluss überdenken lässt.

Bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung haben Verbraucher die Möglichkeit, bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen zurückzuerhalten.

Laufenden Darlehensvertrag sofort ablösen – aktuelles Immobiliendarlehen widerrufen

Ältere Darlehensverträge haben gegenüber aktuellen in der Regel den Nachteil eines höheren Zinssatzes. Es lohnt sich daher für viele Verbraucher, ihren alten Kredit abzulösen und die Restschuld durch Umschuldung in ein Darlehen mit günstigeren Konditionen zu begleichen.

Allerdings verlangen Banken für die vorzeitige Beendigung von Krediten hohe Zahlungen in Form von Vorfälligkeitsentschädigungen. Wurde der Kreditvertrag jedoch unter Einbezug einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung abgeschlossen, können Verbraucher diesen sofort widerrufen. Die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung entfällt in diesem Fall.

Rechtsfolgen Widerruf Darlehensvertrag

Wird ein Kreditvertrag oder ein Immobiliendarlehen widerrufen, so wandelt es sich laut BGB in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Rein rechtlich hat dies zur Folge, dass sämtliche zwischen den Vertragsparteien ausgetauschten Leistungen aus dem Kreditvertrag rückabzuwickeln sind.

Verbraucher müssen ihrem Kreditinstitut innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen die gesamte noch offene Kreditsumme überweisen. Hinzu kommen die Zinsen auf die Restschuld als Wertersatz. Die Bank wiederum muss sämtliche erhaltenen Zins- und Tilgungszahlungen an den Kreditnehmer überweisen. Zugerechnet wird der Nutzungsersatz.

In der Praxis rechnet man allerdings die Forderungen gegeneinander auf, sodass lediglich die Restschuld unter Berücksichtigung von Wert- und Nutzungsersatz zu zahlen ist.

Immobiliendarlehen widerrufen – Kredit richtig beenden

Nur die wenigsten Verbraucher kennen sich mit ihren Rechten aus. Daher sollten sie professionelle Unterstützung suchen, wenn sie ein Immobiliendarlehen widerrufen möchten. 

Ein hinzugezogener Rechtsanwalt ermöglicht eine vollständige Abwicklung und die Verhandlung auf Augenhöhe. Wer sich anwaltlich beraten lässt, wahrt seine Chancen auf einen fairen Vergleich.



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