Internationales Erbrecht - die EU-Erbrechtsverordnung

  • 4 Minuten Lesezeit

Seit dem 17.08.2015 können im Ausland lebende Deutsche anhand der EU-Erbrechtsverordnung dem Erbrecht ihrer „Wahlheimat“ im EU-Ausland unterfallen, sofern Sie dies nicht aktiv ausschließen. Die EU-ErbVO ist ein weiterer Schritt zur Harmonisierung des internationalen Erb- und Familienrechts.

Wer bisher davon ausging, die bewährte gesetzliche Erbfolge des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei für seinen Fall genau richtig und man bedürfe keines Testamentes, kann seinen Erben ein böses Erwachen bescheren. Viele erbrechtliche Regelungen – z. B. in Spanien, Frankreich oder Italien – unterscheiden sich fundamental von denen des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches. Auch vermeintlich geregelte Erbfälle müssen nun neu durchdacht werden:

-So ist in vielen Rechtskreisen ein gemeinschaftliches Testament von Eheleuten nicht zulässig. Übergangsregelungen bewahren nur noch kurze Zeit vor der Unwirksamkeit und ihren Folgen.

-Grundlegen Unterschiede im Pflichtteilsrecht der EU-Länder können ursprünglich wirksame Testamentsregelungen ins Leere laufen lassen.

-Völlig neue Problemkonstellationen bei der Nachlassplanung und -abwicklung durch unbekannte dingliche Rechtsinstitute, die zukünftig anerkannt werden müssen.

Was verbirgt sich hinter der EU-Erbrechtsverordnung?

Die Verordnung legt insbesondere fest, welches nationale materielle Erbrecht auf Sterbefälle ab dem 17.08.2015 angewandt wird und welche Behörden und Gerichte zuständig sind.

Die EU-ErbVO stellt kein einheitliches EU-Erbrecht dar. D. h., dass jeder EU-Mitgliedsstaat weiterhin selbst bestimmt, unter welchen Voraussetzungen jemand Erbe wird bzw. wie hoch etwaige Pflichtteilsansprüche sind. Ebenfalls vereinheitlicht die EU-ErbVO nicht die Erbschaftsteuer. Dies hat zur Folge, dass auch künftig jedes Land selbst die Frage beantwortet, ob es eine Erbschaftsteuer erhebt, sodass Doppelbesteuerungen nach wie vor möglich sind. Darüber hinaus regelt die EU-ErbVO nunmehr auch die grenzüberschreitende Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von erbrechtlichen Entscheidungen sowie das europäische Nachlasszeugnis neu.

Welches Erbrecht ist bei Auslandsbezug anwendbar?

Für einen Deutschen mit Wohnsitz in Italien war die Sache bislang relativ einfach. Beide Länder knüpfen für die Anwendung des nationalen Erbrechts an die Staatsangehörigkeit an. Bei anderen europäischen Ländern, die an das Wohnsitzprinzip anknüpfen, war es schwieriger – bis hin zu divergierenden Entscheidungen der jeweiligen nationalen Gerichte. Noch komplexer wurde es, wenn Länder beteiligt waren – wie zum Beispiel Frankreich und Großbritannien –, die für in ihrem Land gelegene Immobilien prinzipiell die Anwendung des innerstattlichen Erbrechts beanspruchten, wodurch es zu einer Nachlassspaltung und der Anwendung unterschiedlicher nationaler Erbrechtsordnungen kam. Diese Rechtsspaltung wird es künftig im Anwendungsbereich der Verordnung nicht mehr geben. Nunmehr ist eine nationale Rechtsordnung allein und einheitlich für jeden Erbfall anwendbar.

Die EU-ErbVO regelt kein einheitliches, europaweit gleiches Erbrecht. Sie bestimmt lediglich, welches nationale Erbrecht anwendbar ist. Dabei knüpft die EU-ErbVO an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Ablebens an.

  • Seit dem 17.08.2015 bestimmen Gerichte und andere dafür zuständige Organe der Rechtspflege in den Staaten der EU nach der EU-ErbVO, welches nationale Recht bei Erbfällen mit Auslandsbezug zur Anwendung kommt.
  • Nach der EU-ErbVO richtet sich die Anwendung des nationalen Erbrechts nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers.

Wo befindet sich der „gewöhnliche Aufenthalt“ des Erblassers?

Die EU-ErbVO enthält keine Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts.

  • Gewöhnlicher Aufenthalt bedeutet nicht unbedingt Wohnsitz.
  • Bei Altersdemenz ist die Begründung eines Wohnsitzes infolge möglicherweise fehlender Geschäftsfähigkeit nicht ohne Weiteres möglich.
  • In der Regel wird der gewöhnliche Aufenthalt an dem Ort sein, an dem der Betreffende faktisch und nicht nur vorübergehend wohnt.

Als nicht nur vorübergehend gilt stets und von Beginn an ein beabsichtigter, zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer. Der gewöhnliche Aufenthalt wird im Ergebnis aufgrund einer Gesamtbeurteilung sämtlicher Lebensumstände des Erblassers vor seinem Tod zu beurteilen sein.

Zuständig für die Beurteilung, welches der gewöhnliche Aufenthalt ist, sind grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedsstaates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wird über den gewöhnlichen Aufenthalt gestritten, entscheidet darüber das Gericht in dem Land, bei welchem die Frage zuerst anhängig gemacht wird. Wer seinen Hinterbliebenen Zweifelsfragen ersparen möchte, die sich aus der Anwendung ausländischen Erbrechts ergeben können, der sollte aktiv werden und seinen letzten Willen um eine Rechtswahlklausel erweitern.

Wie stelle ich die Anwendung des deutschen Erbrechts sicher?

  • Wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, kann ohne Weiteres die Geltung deutschen Erbrechts bestimmen.
  • In einem einfachen Testament kann festgelegt werden, dass für die Nachlassverteilung die Staatsangehörigkeit maßgeblich sein soll.
  • Der Erblasser muss dies unbedingt in einem formgültigen, handgeschriebenen und unterschriebenen Testament oder einem notariell beurkundeten Testament tun.
  • Ausreichend für die Form ist nach der EU-ErbVO, wenn die Verfügung das Recht des Staates beachtet, in dem die Verfügung erstellt wird.

Gilt die EU-ErbVO für alle EU-Länder?

Für Dänemark, das Vereinigte Königreich und die Republik Irland gilt die EU-ErbVO nicht. Für die übrigen 25 Staaten findet sie Anwendung.

Axel Steiner

Rechtsanwalt für Erbrecht und Nachfolgeberatung


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Görtz Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Beiträge zum Thema