Ist der Rechtsanwalt als Treuhänder tätig, besteht Haftungsgefahr

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Bundesgerichtshof entscheidet: Rechtsanwälte können aus Geschäftsbesorgungsvertrag haften, wenn sie Lebensversicherungsverträge oder Rentenversicherungsverträge kündigen und das Kapital in einem unzulässigen Einlagengeschäft angelegt wird

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe stärkt erneut die Verbraucherrechte. Die Karlsruher Richter entschieden in einem Verfahren zum Az. VI ZR 569/13 am 10.02.2015, dass ein Rechtsanwalt, der als Treuhänder aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages Kapital in einem unzulässigen Einlagengeschäft anlegt, haften kann. Da einige Fragen, die für den Rechtsstreit Relevanz hatten, noch nicht geklärt waren, hat der BGH das Verfahren zurück an das Landgericht (LG) Düsseldorf verwiesen.

Zur Problemstellung:

Die Klägerin hatte mit dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen. Der Rechtsanwalt sollte einen Rentenversicherungsvertrag kündigen, den daraus resultierenden Abrechnungsbetrag einziehen und einen Teil des Kapitals an eine Kapitalanlagefirma weiterleiten, die sich mit dem Aufkauf von Lebensversicherungen befasste.

Das eingezahlte Kapital ging verloren, da die Anlagegesellschaft in die Insolvenz geriet. Die Klägerin nahm daher den kündigenden Rechtsanwalt in Haftung. Über eine Erlaubnis nach § 32 KWG hatte die Anlagegesellschaft nicht verfügt. Ihr wurde am 26.01.2010 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Betreiben des Einlagengeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG untersagt.

Das erstinstanzliche zuständige Amtsgericht (AG) Düsseldorf hatte die Klage gegen den Rechtsanwalt abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hatte das LG Düsseldorf den Beklagten zur Zahlung der Klageforderung Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die Gesellschaft titulierten Forderung verurteilt. Der BGH entschied nun, dass die Angelegenheit noch einmal vor dem Landgericht verhandelt werden muss.

Die Hintergründe der Entscheidung:

Der BGH bestätigte in seiner Entscheidung, dass nach seiner bisherigen Rechtsprechung eine Haftung des Treuhänders aus verschiedenen Gesichtspunkten in Betracht zu ziehen sei. So sei nach der Rechtsprechung des BGH die Unterstützung eines objektiv unzulässigen Vertriebssystems in herausgehobener und für dieses System unerlässlicher Funktion sittenwidrig, wenn der Funktionsträger sich für dieses System habe einspannen lassen und es zugleich zumindest leichtfertig unterlassen habe, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern. Hier muss das LG Düsseldorf nach Rechtsausfassung des BGH noch einmal nachermitteln.

Das Berufungsgericht muss insoweit noch einmal neu darüber befinden, ob eine Haftung des Rechtsanwalts als Treuhänder aus Delikt gegeben ist.

Haftung des Treuhänders aus Geschäftsbesorgungsvertrag? – Rechte und Pflichten bei Wiederanlage von Kundengeldern als Kapitalanlagen?

Zudem hat der BGH darauf hingewiesen, dass auch eine Haftung des Treuhänders aus Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht zu ziehen sei. Auch hierzu hatte sich das Berufungsgericht bisher nicht hinreichend geäußert. Nach einer alten Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1969, welche zum Az. VII ZR 79/67 ergangen ist, sei nach dem BGH ein vorvertraglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten denkbar. Hier müsse das Gericht prüfen, ob eine Pflicht zur Offenlegung von Kenntnissen bestand, insbesondere dann, wenn der kündigende Rechtsanwalt einen erkennbaren Wissensvorsprung über Umstände habe, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung seien. Ausnahmsweise stehe sogar die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen, wie der Genehmigungsbedürftigkeit des Anlagemodells oder dessen fehlende Absicherung der positiven Kenntnis gleich, wenn sich diese dem Vertragspartner nach den Umständen des Einzelfalles aufdrängen mussten und er die Augen davor verschlossen habe, so der BGH in seiner Entscheidung. Eine derart grobe Pflichtverletzung komme zumindest in solchen Bereichen in Betracht, für die der Vertragspartner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit eigene Kompetenz beanspruche.

Rechtsanwalt Dr. Sven Tintemann, der mit seinem Team bereits Klagen gegen Rechtsanwälte führt, die als Treuhänder Lebensversicherungen gekündigt haben, kommentiert die Entscheidung wie folgt:

„Die Entscheidung des BGH macht klar, dass Anwälte, die Lebensversicherungsverträge oder Rentenversicherungsverträge gekündigt haben, dann haften können, wenn die Kundengelder in eine Kapitalanlage weitergeleitet wurden, die einer Erlaubnispflicht unterlag, zum Betreiben der entsprechenden Geschäfte jedoch keine Erlaubnis hatte. Für solche Kollegen und deren Haftpflichtversicherer wird die Argumentationsmöglichkeit nunmehr eng. Die Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte mbB vertritt zahlreiche Betroffene und Geschädigte, die ihre Lebensversicherung verkauft und Geld in verschiedene Investments angelegt haben. Es bleibt hier abzuwarten, wie die Entscheidung des BGH die Gerichtsprozesse betroffener Anleger in Zukunft beeinflussen wird. Vor allem ist die Frage spannend, ob nunmehr die Haftpflichtversicherungen der verklagten Rechtsanwälte in Vergleichsverhandlungen mit den betroffenen Anlegern eintreten werden.“

Pressekontakt/ViSdP:

Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte mbB


vertreten durch die Partner

Dr. Thomas Schulte, Dr. Sven Tintemann, Kim Oliver Klevenhagen

Sofortkontakt unter 030 – 22 19 22 010 und dr.schulte@dr-schulte.de.

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