Kein fliegender Gerichtsstand bei Filesharing-Klagen!

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Neuer Hinweisbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main (AG Frankfurt, Beschluss vom 19.7.2013 - 30 C 1042/13 (71)):

In Schadensersatzprozessen nach vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen im Internet (sog. Tauschbörsenfälle) werden die betroffenen Anschlussinhaber sehr oft vor Gerichten verklagt, die möglichst weit von dem Wohnort des Beklagten entfernt sind.

So verklagt etwa ein in Berlin ansässiges Musikunternehmen durch in Hamburg ansässige Rechtsanwälte einen in Köln wohnenden Beklagten vor dem Amtsgericht Leipzig. In anderen Verfahren werden im Norden Deutschlands lebende Beklagte vor dem Amtsgericht München oder etwa im Osten der Republik lebende Personen vor den Amtsgerichten in Frankfurt oder Düsseldorf verklagt. Hierbei berufen sich die Kläger meist auf den besonderen und eigentlich aus dem Presserecht stammenden „fliegenden Gerichtsstand" der unerlaubten Handlung. Im Internet begangene Urheberrechtsverletzungen seien als „unerlaubte Handlung" hiernach vor allen Gerichten in Deutschland verfolgbar. Schließlich sei auch das Internet in ganz Deutschland abrufbar.

Grundsätzlich gilt jedoch, dass Klagen bei dem für den Wohnort des Beklagten zuständigen Gericht geführt werden müssen (sog. Allgemeiner Gerichtsstand gemäß § 12 Zivilprozessordnung). Diese gesetzliche Regelung dient nach der Intention des Gesetzgebers dem zunächst schutzbedürftig erscheinenden Beklagten. Schließlich hat er den Prozess nicht in Gang gebracht hat. Der Beklagte befindet sich zunächst in der Defensive und muss sich verteidigen. Dieser Nachteil soll durch den „Heimvorteil des dem Wohnort nahen Gerichts" ausgeglichen werden.

Ein Sachgrund für die Anrufung eines weit entfernten Gerichts besteht in Tauschbörsenfällen nicht. Jedoch wird der Druck auf die Beklagten, die beteiligten Rechtsanwälte und auf mögliche Entlastungszeugen durch die weite Entfernung zu dem Prozessgericht enorm erhöht. Die Beteiligten werden dazu gezwungen, durch die gesamte Republik zu fahren, um an den Gerichtsterminen teilzunehmen. Hierdurch entstehen ganz erhebliche zeitliche, praktische und finanzielle Probleme. Häufig müssen mehrere Urlaubstage eingesetzt werden. Zudem werden die Kosten des Verfahrens und damit das gesamte Prozessrisiko massiv erhöht.

Amtsgericht Frankfurt: Keine deutschlandweite Wahl des Gerichtsstands möglich!

Die grundlose Anrufung weit entfernt liegender Gerichte wurde zuletzt in einem aktuellen Hinweisbeschluss des Amtsgericht Frankfurt als unzulässig gerügt (Hinweisbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 29.4.2013 - 31 C 16/13). Nach dem Hinweis verstößt eine völlig willkürliche Wahl des angerufenen Gerichts gegen den auch im Prozessrecht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben. Eine solche Klage sei wegen „Treuwidrigkeit" insgesamt als unzulässig abzuweisen, wenn nicht zuvor die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt würde.

In einem neuen Hinweisbeschluss hat das Amtsgericht Frankfurt nun nochmals bekräftigt, dass in Filesharing-Fällen kein "fliegender Gerichtsstand" vorliegt. Beklagte müssen vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen bei dem für den Wohnort zuständigen Gericht in Anspruch genommen werden. Wörtlich hat das Gericht auf Folgendes hingewiesen (AG Frankfurt, Beschluss vom 19.7.2013 - 30 C 1042/13 (71)):

„Die Klägerseite wird darauf hingewiesen, dass das Gericht Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hat, da es vorliegend ein Bezug zum hiesigen Gerichtsbezirk bzw. zu den Gerichtsbezirken, für die das Amtsgericht Frankfurt am Main ebenfalls zuständig ist, nicht zu erkennen vermag. Insbesondere teilt das Gericht nicht die von der Klägerseite angeführte Rechtsprechung einiger Landgerichte (auch Landgericht Frankfurt am Main) zu § 32 ZPO. Entscheidend ist vorliegend nämlich nicht, dass ein Download an praktisch jedem Ort in Deutschland möglich war (und damit auch im hiesigen Gerichtsbezirk), sondern dass das öffentliche Zugänglichmachen der streitgegenständlichen Musiktitel ohne entsprechende Zustimmung am Wohnort der Klägerin Timmendorfer Strand erfolgte. Denn bereits mit dem Hochladen und öffentlich Zugänglichmachen war die Urheberrechtsverletzung bereits begangen und der Erfolg im Sinne von § 32 ZPO eingetreten. Darauf, dass das Abrufen bzw. Downloaden der ohne Zustimmung hochgeladenen und öffentlich zur Verfügung gestellten Titel ebenfalls zu einer Rechtsverletzung durch den jeweiligen Nutzer führen mag, kommt es dabei nicht an. Denn für die örtliche Zuständigkeit des vorliegenden Rechtsstreits ist die beklagte (angebliche) unerlaubte Handlung der Beklagten maßgebend und nicht die unerlaubten Handlungen potentieller Nutzer des illegalen Angebots. Für eine über den Wortlaut des Paragraphen 32 ZPO in hinausgehende Auslegung wird vorliegend kein Bedürfnis gesehen."

Nach diesem Hinweis wäre die Filesharing-Klage unzulässig und damit abzuweisen.

Fazit:

Die verbreitete Praxis, dass weit entfernt liegende Gerichte für die Verfolgung häufig unberechtigter Zahlungsansprüche bemüht werden, hat keinen Sach- oder Rechtsgrund und ist unzulässig. Derzeit tritt das Problem häufig bei Klagen der Rechtsanwälte RASCH aus Hamburg im Auftrag der UNIVERSAL MUSIC auf. Zur Rechtsverteidigung, kann auf den hier vorgestellten Hinweisbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt verwiesen werden (sog. „Rüge der örtlichen Unzuständigkeit").

Gegen die derzeit anhängigen Klagen findet sich eine Vielzahl von Verteidigungsansätzen. Sollten Sie eine Klageschrift erhalten haben, muss zur effektiven Rechtsverteidigung in der Regel ein im Urheberrecht besonders erfahrener Rechtsanwalt eingeschaltet werden. Häufig kann so die Klageforderung ganz oder zu einem großen Teil abgewehrt werden. Besser ist es jedoch, dass ein Klageverfahren schon frühestmöglich verhindert wird. Hierzu ist eine sachgerechte und professionelle Reaktion auf die Abmahnung, wie zum Beispiel die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung, zu empfehlen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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