Kein Grundsatzurteil des BSG zu Kooperationsverträgen mit Vertragsärzten!

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Unlängst berichtete der Verfasser an dieser Stelle über ein höchst praxisrelevantes und umstrittenes Urteil des LSG Sachsen vom 30.4.2008 (L 1 KR 103/07), mit welchem dieses in der Berufungsinstanz die sozialgerichtliche Zurückweisung der Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse auf Vergütung ambulanter Operationsleistungen bestätigt hatte:

"Der Vertragsarzt als Subunternehmer des Krankenhauses?"

Der Krankenhausträger, der ein zur Durchführung ambulanter Operationen nach § 115b SGB V zugelassenes Plankrankenhaus betreibt, hatte diese Leistungen auf der Grundlage von Kooperationsverträgen auf Vertragsärzte delegiert, um sie sodann als eigene Leistungen des Krankenhauses mit der Krankenkasse abzurechnen. Dem war das LSG Sachsen mit dezidierter Begründung entgegengetreten. Die Delegation verbiete sich bereits nach §§ 39 Abs. 1, 107 Abs. 1 SGB V, wonach zentrale Krankenhausleistungen auch im ambulanten Bereich grundsätzlich nur durch eigenes Personal des Krankenhauses, also durch dort beschäftigte Ärzte erbracht werden dürften. Überdies sehe das Krankenhausrecht des Bundes (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHG) die Hinzuziehung niedergelassener Ärzte im Rahmen stationärer Behandlung nur ausnahmsweise für ergänzende oder unterstützende Leistungen vor (Konsiliararzt). Die Delegation der gesamten ärztlichen Behandlung auf selbständige Dritte sei davon nicht erfasst. Schließlich sei ein Vertragsarzt, der ambulante Operationen durchführt, nach dem AOP-Vertrag (im Sinne eines Gebots der Systemtreue) immer auf die vertragsärztliche Gesamtvergütung zu verweisen. Die Kooperationsverträge seien nach all dem gesetzeswidrig und nichtig, weshalb ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht bestehe.

Der unterlegene Krankenhausträger legte gegen die Berufungsentscheidung Revision zum BSG ein. Das LSG hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auch zugelassen. Denn nach dessen Rechtsauffassung stünden unter dem Damoklesschwert der Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoßes (wie übrigens auch der Strafverfolgung etwa mit dem Vorwurf des Abrechnungsbetrugs bei Verschleierung gegenüber den Kassen!) nicht nur die mithilfe von entsprechenden Vertragsmustern der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) abgeschlossenen zahlreichen Honorarverträge mit Vertragsärzten, die im stationären Bereich schon lange gleichsam als Subunternehmer des Krankenhauses operativ tätig werden. Auch die erst in jüngster Zeit propagierten Kooperationen im Rahmen der speziellen Ambulanzleistungen nach § 116b SGB V wären hiervon betroffen.

Auf die für den 5.5.2009 terminierte mündliche Verhandlung des BSG (B 1 KR 13/08 R) und die hierauf zu ergehende Revisionsentscheidung nebst Begründung durfte man daher äußerst gespannt sein. Jedoch hat der klagende Krankenhausträger nun sehr kurzfristig und überraschend einer Entscheidung des ersten Senats des BSG die Grundlage entzogen, indem er gemäß § 102 SGG die Klagrücknahme erklärte. Dementsprechend hat das BSG den Verhandlungstermin (Terminvorschau unter www.bundessozialgericht.de) aktuell aufgehoben. Denn anders als etwa im Zivilverfahren hängt im Sozialgerichtsprozess die Klagrücknahme bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht von der Zustimmung des Prozessgegners ab. Sie erledigt vielmehr die Hauptsache, weshalb die Urteile erster und zweiter Instanz jetzt keine Wirkung mehr entfalten können. Das BSG hat lediglich noch durch Beschluss über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, wobei eine Aussage zur Sache allenfalls in summarischer und kaum öffentlichwirksamer Form zu erwarten ist.

Die überraschende Klagrücknahme kann nur so erklärt werden, dass der klagende Krankenhausträger mit einer für ihn ungünstigen Revisionsentscheidung des BSG konkret rechnete, die als Grundsatzurteil faktische Wirkungen weit über den anhängigen Fall hinaus gehabt hätte. Es darf auch spekuliert werden, dass die DKG an dieser Entscheidung nicht ganz unbeteiligt war, da sie von einem Fiasko für zahlreiche Mitgliedhäuser ausgehen musste, wenn das BSG die Rechtsauffassung des LSG Sachsen mit gegebenenfalls umfassender und über den Fall hinausreichender Begründung bestätigt hätte, was hier offensichtlich nicht fernlag.

Aufgeschoben ist allerdings nicht aufgehoben. Es ist davon auszugehen, dass sich nun die Krankenkassen vermehrt ermutigt fühlen, Krankenhäusern die Vergütung zu verweigern, die ihre stationären oder ambulanten Leistungen auf freie vertragsärztliche Mitarbeiter delegieren. Es ist daher weiterhin höchste Vorsicht bei der Gestaltung von entsprechenden Kooperationsverträgen geboten. Eine rechtssichere Kooperation zwischen den Sektoren im Sinne der Beteiligten lässt sich derzeit nur auf der Basis von Anstellungsverträgen mit dem Krankenhausträger in Teilzeit neben der Tätigkeit als Vertragsarzt erreichen.

Schließlich wäre es wünschenswert, wenn alsbald der Gesetzgeber eingreifen und die Bedingungen einer zulässigen Kooperation zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern in eindeutiger und transparenter Form regeln würde.

Rechtsanwalt Holger Barth

Fachanwalt für Medizinrecht

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