Keine Verjährung im VW-Abgasskandal beim Motor EA189

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Softwareupdates und mögliche Folgeschäden

Der Dieselskandal nimmt kein Ende: Durch aktuelle Urteile verschiedener Oberlandesgerichte gibt es eine spannende, neue Entwicklung im VW Abgasskandal. In den drei Urteilen ging es insbesondere um die Frage, ob das Software-Update eine zumutbare Beseitigung der die Abgas-Manipulationen sind. Die Urteile dreier Oberlandesgerichte:

  • OLG Hamm Urt. v. 19.01.2021 - 19 U 1304/19
  • OLG Köln Urt. v. 18.12.2020 - 20 U 288/19
  • OLG Bremen Urt. v. 15.01.2021 - 2 U 9/20:

sprechen eine deutliche Sprache: Ein Software-Update führt nicht zu einem gesetzeskonformen Zustand des Fahrzeugs. 

VW hatte den vom Abgasskandal betroffenen Kunden lediglich ein Software-Update angeboten. Eine Nachrüstung des Autos hätte einen vierstelligen Betrag pro Fahrzeug gekostet, die Software-Lösung schlug nur mit ca. 50 Euro zu Buche. Laut der oben genannten Urteile könnte dies VW nun um so teurer zu stehen kommen, da das Software-Update ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält.

Die VW AG versucht dies allerdings durch eine Manipulation des „On-Board Diagnosis Systems“ (OBD) - und damit eine ununterbrochene fortgesetzte Täuschung - zu verschleiern. Dieses durch VW an den Tag gelegte Verhalten ist rechtlich weiterhin als sittenwidrig zu bewerten. 

Insbesondere geht es nämlich um die Problematik der Verjährung. Eine wichtige Rolle spielt dafür die durch VW veröffentlichte ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015, in der die Manipulationen eingeräumt wurden. VW und auch viele Gerichte lehnten bislang einen Schadensersatz für nach diesem Zeitpunkt gekaufte Autos ab - der Käufer hätte ja danach gewusst, dass Manipulationen vorgenommen wurden, zumindest könne man VW keine Sittenwidrigkeit mehr vorwerfen. Die Sittenwidrigkeit ist allerdings entscheidend für die Frage, ob Kunden Schadensersatz erhalten können.

Neu ist die Information, dass auch das Software-Update eine illegale Abschalteinrichtung enthält. Die für das Sittenwidrigkeitsurteil erforderliche umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck der Handlung fällt daher auch für den Zeitpunkt eines Fahrzeugkaufs nach dem 22.09.2015 zulasten von VW aus, insbesondere wenn ein Update zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bereits aufgespielt wurde.

Neue Abschalteinrichtung durch das Software-Update

Die Aussagen in den aktuellen Gerichtsurteilen sind wahrer Sprengstoff, denn VW wird vorgeworfen, weiterhin illegale Abschalteinrichtungen zu verwenden. Laut dem OLG Hamm “handelt es sich um ein Thermofenster, das die Abgasreinigung u. a. oberhalb von 30 °C und unterhalb von 20 °C vollständig ausschaltet und damit gezielt auf Prüfstandsverhältnisse zugeschnitten ist, und ferner um eine Lenkwinkelerkennung und eine Zeiterfassung, die ebenfalls den Zweck haben, eine Prüfstandssituation zu erkennen”.

Dies wäre normalerweise durch das “Onboard-Diagnosis-System” (OBD) erkannt worden. Dass hier jedoch Fehlermeldungen gänzlich ausgeblieben sind, spricht laut Experten dafür, dass es auch beim OBD zu Manipulationen gekommen sein muss.

Die Verjährung der Ansprüche ist deswegen nicht bereits mit Ablauf des Jahres 2018 eingetreten. Es ist gerade nicht davon auszugehen, dass einem Kläger bereits im Herbst 2015 alle anspruchsbegründenden Umstände bekannt waren, insbesondere nicht die Manipulation des OBD - und damit eine ununterbrochene fortgesetzte Täuschung. Ein betroffener Kunde konnte nicht bereits im Jahr 2015 aufgrund einer etwaigen Medienberichterstattung und vor allem mangels Informationen der VW AG zur Manipulation des OBD Kenntnis von dem behaupteten Anspruch erlangt haben. Daher durfte ein Kunde davon ausgehen, dass das Fahrzeugs alle gesetzlichen Vorgaben, also u.a. die vorgeschriebenen Abgaswerte, einhält. Wäre dem Käufer zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass die vorgeschriebenen Abgaswerte aufgrund einer manipulierten Motorsoftware über den gesetzlich vorgeschriebenen Vorgaben lagen, hätte man vom Erwerb eines derart manipulierten Fahrzeugs abgesehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der in Rede stehenden Fahrverbote und/oder Stilllegungen. In Ansehung der Verschmutzung der Luft mit Stickoxiden (NOx) durch ein keineswegs umweltfreundliches Fahrzeug hätte ein Kunde das Fahrzeug faktisch nicht gekauft.

Die Manipulation des OBD war unstreitig nicht Gegenstand einer etwaigen medialen Berichterstattung, sondern wird seitens der Beklagten nach wie vor bestritten. Die Manipulation des OBD war ebenfalls unstreitig auch nicht Gegenstand eines Informationsschreibens der Beklagten an alle Fahrzeughalter aus 2016. Damit hat ein Kunde keine positive Kenntnis von der individuellen Betroffenheit ihres Fahrzeugs hinsichtlich der Manipulation des „On Board Diagnosis-Systems“ (OBD) erlangt.

Auch wer in der Musterfeststellungsklage leer ausging, kann Schadensersatz erhalten

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass auch Käufer, die ihr Fahrzeug nach der Mitteilung des VW-Konzerns am 22.09.2015 gekauft haben, ihre Ansprüche geltend machen können. Auch die Kunden, denen VW im ausgehandelten Vergleich nach der Musterfeststellungsklage kein Angebot gemacht hat, können also Schadensersatz erhalten. Auch eine Verjährung ist noch nicht eingetreten.

Auch unsere Kanzlei bietet hierzu eine kostenlose Erstberatung an. Es genügen wenige Angaben, um bereits eine Vorab-Einschätzung der Erfolgsaussichten zu erhalten. Jeder Betroffene des VW-Abgasskandals, der bisher noch nicht tätig geworden ist, sollte seine Ansprüche also kostenlos prüfen lassen.



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