Keine verpflichtende Teilnahme an Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit

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Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg in einer neueren Entscheidung klargestellt.

Was war passiert?

Die Arbeitnehmerin war vom 20.03. bis 30.06.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arbeitgeber lud sie schriftlich zu einem Personalgespräch am 30.04.2013 ein, und nochmals zu einem Gespräch zum 06.05.2103, zu dem die Arbeitnehmerin beides Mal nicht erschien. Hierauf erhielt die Arbeitnehmerin eine (diesbezügliche) Abmahnung.

Nachdem der Arbeitgeber für den 10.05.2013 einen weiteren Termin für ein Personalgespräch anberaumte und die Arbeitnehmerin wieder nicht erschien, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2013.

Das Gericht hält die Kündigung für unwirksam. Das Gericht hält zunächst fest, dass der Arbeitgeber nach § 106 S. 1 und S. 2 der Gewerbeordnung gegenüber Mitarbeitern den Inhalt, den Ort und die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen könne, und zwar auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Mitarbeiter im Betrieb.

Weisungen bezüglich der Arbeitsleistung während Arbeitsunfähigkeit nicht möglich

Sei der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, kämen Weisungen bezüglich seiner Arbeitsleistung allerdings nicht in Betracht. Der arbeitsunfähige Mitarbeiter müsse nämlich keine Arbeitsleistung erbringen. In diesem Zeitraum habe auch keine Verpflichtung der Klägerin bestanden, an einem vom Arbeitgeber angesetzten Personalgespräch teilzunehmen, das sich auf die Arbeitsleistung beziehe. Das Gericht führt aus:

„... Dabei ist es unerheblich, ob die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes in der Lage gewesen wäre, an dem von der Beklagten gewünschten Gespräch teilzunehmen. Sie war hierzu nicht verpflichtet. Eine teilweise Arbeitsunfähigkeit besteht nicht (vgl. Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 09.04.2014 ‒ 10 AZR 637/13). ...“

Das Gericht prüft dann weiter, ob eine Verpflichtung zur Gesprächsteilnahme trotz Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise bestehen konnte, weil es in dem Gespräch um sog. „leistungssichernde Verhaltenspflichten“ hätte gehen sollen.

Keine Verpflichtung zur Teilnahme am Personalgespräch - unabhängig vom Gesprächsthema

Dies verneint das Gericht. Es sieht während der Arbeitsunfähigkeit unabhängig vom Gesprächsthema keine Verpflichtung zur Teilnahme

Darüber hinaus habe sich das beabsichtigte Personalgespräch auch nicht auf die Ordnung oder das Verhalten im Betrieb beziehen sollen. Da der Arbeitgeber die mangelnde Zuverlässigkeit der Arbeitnehmerin schriftlich bemängelt habe und sie die Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig mitgeteilt und Nachweise nur verspätet übermittelt habe, der Arbeitgeber gleichzeitig den Erhalt verschiedener Abmahnungen angekündigt habe, sei nicht klar, was der Arbeitgeber mit der Arbeitnehmer hätte besprechen wollen.

Im Übrigen habe der Arbeitgeber sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Selbst wenn also die Beschäftigte grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, trotz ihrer Erkrankung an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen, gelte dies jedenfalls nicht für das im Streit stehende Personalgespräch.

Der Arbeitgeber habe nämlich keinen „dringenden, unaufschiebbaren Gesprächsbedarf“ gehabt, der es gerechtfertigt hätte, mit dem Gespräch nicht bis zur Wiedergenesung abzuwarten.

LAG Nürnberg v. 01.09.2015 – 7 Sa 592/14 (n. rkr.)

Fazit:

Sollte der Arbeitnehmer während einer Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitgeber angesprochen werden oder zu bestimmten Mitwirkungshandlungen aufgefordert werden, ist Vorsicht geboten. Der Arbeitnehmer sollte ggf. anwaltlich abklären lassen, welche Mitwirkungshandlungen der Arbeitgeber verlangen kann und ob der Arbeitgeber „über das Ziel hinausschießt“.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt


Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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