Kinder sind keine Topfpflanzen - Die Rückführung des Kindes aus der Pflegefamilie

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Der typische Fall:

Im Jahre 2010 beantragt das Jugendamt einen Sorgerechtsentzug. Das Kind kommt erst in eine Bereitschaftspflegefamilie, dann in eine (andere) Dauerpflegefamilie. Umgangskontakte sind selten, obwohl die Eltern das Kind gerne öfters sehen würden. Ein Sachverständigengutachten wird gemacht. Darin heißt es, die Eltern wären in ihrer „Erziehungsfähigkeit“ erheblich eingeschränkt. Das Gericht bestätigt den Sorgerechtsentzug. Nach vier Jahren stellt sich heraus: Erstens war das Sachverständigengutachten fehlerhaft, also unverwertbar. Zweitens hat sich bei den Eltern einiges zum Positiven verändert. Aber das Kind hat sich an die Pflegeeltern gewöhnt – sagt zumindest das Jugendamt (und sagen die Pflegeeltern) – und will nicht mehr zu den leiblichen Eltern. Was tun?

Eine solche Geschichte

... ist einer der schlimmsten Dinge, die Eltern (und Kindern) passieren können. Sollen die leiblichen Eltern die Situation „akzeptieren“ und das Kind „zur Ruhe kommen“ lassen? Aufhören, „an ihm zu zerren“, wie es immer wieder in Jugendamtsberichten heißt? Aber wer lässt sein eigenes Kind gerne in fremden Händen, zumal wenn er spürt, dass das Kind dort nicht wirklich leben will?

Die Lösung

... einer solchen tragischen Geschichte ist schwer, und wenn sie gelingt, ein Grund zum Feiern. Leider sind viele Jugendämter fachlich – und oftmals auch menschlich – mit solchen Konstellationen überfordert. Und die Damen und Herren Familienrichter tun sich natürlich auch schwer. Denn hier geht es nicht nur um Recht. Nicht nur, aber auch.

Was helfen kann, ist folgendes; je früher damit angefangen wird, desto besser gelingt die Rückführung:

  • Bei der Auswahl der Pflegeeltern mitreden. Das Gesetz (§ 5 SGB VIII) will es so. Wird oft nicht beachtet.
  • Sorgfältige Hilfepläne machen. Zeitabschnitte festlegen. Konkrete Ziele schriftlich vereinbaren. Die Mitwirkungsrechte im Hilfeplanverfahren einfordern. Konkret fragen: Was muss ich verändern, um das Kind wieder selber erziehen zu können? - Wird oft nicht beachtet.
  • Zweigleisig fahren: Vor dem Familiengericht energisch um das Recht kämpfen, aber außerhalb des Gerichtsaals – soweit möglich – mit dem Jugendamt „kooperieren“. Das geht nicht immer, und tut oft weh – vor allem, wenn das Jugendamt sich eklatant rechtswidrig verhält.
  • Niemals vor den Kindern die Pflegeeltern oder die Heimeinrichtung „schlecht machen“. Denn erstens können die Pflegeeltern (meistens, es gibt aber Ausnahmen) nichts dafür. Aber zweitens können die Kinder – ausnahmslos – nichts dafür. Und das gilt immer. Den Kindern ist null geholfen, wenn die leiblichen Eltern die Pflegeeltern angiften.
  • Von Anfang an einen Pflegekontrakt einfordern, unter Beteiligung der Kinder. Die Zeit bis zu einer Gerichtsentscheidung (notfalls des BVerfG) muss so detailliert wie möglich geregelt werden: Ein Vertrag über die zeitweise Betreuung der Kinder wird gemacht, mit gegenseitigen Zusagen, mit einer kindgemäßen Aufklärung der Kinder über das „Warum“ und das „Wie lange“ und das zeitweise „OK“ der Eltern. – Wird so gut wie nie gemacht. Kinder werden vom Jugendamt oft behandelt wie Topfpflanzen. Nicht aufgeklärt, nicht angehört, nicht aufgefangen, sondern hin- und hergeschoben, und ihre Ängste und ihr Leid missinterpretiert als „Auffälligkeiten“, an denen natürlich immer die Eltern schuld sind. Dies ist der zentrale „fachliche“ und damit menschliche Mangel in vielen jugendamtlichen Hilfe-„Planungen“: Die Ängste, Hoffnungen, Befürchtungen eines – in der Regel unvorbereitet – aus der Familien gerissenen Kindes werden nicht angeschaut. Dabei ist das das Wichtigste, dass man sich viel Zeit nimmt, das zu verstehen und darauf zu reagieren. Wer das nicht kann, sollte nicht im Jugendamt arbeiten.

 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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