„Kissing Spines“, ein Mangel des Pferdes?

  • 2 Minuten Lesezeit

Die Wirbelsäule des Pferdes besteht aus den Wirbelkörpern und von diesen ausgehenden Quer- und Längsfortsätzen. Die sogenannten Dornfortsätze sind diejenigen, die im Bereich zwischen dem Widerrist und der Kruppe senkrecht nach oben zeigen. Auf ihnen liegt der Sattel auf und sie tragen den Reiter – die Dornfortsätze haben somit eine besonders wichtige Funktion und müssen bei Reitpferden großen Belastungen standhalten. Veränderungen an den Dornfortsätzen sind daher für jeden Pferdebesitzer eine absolute Angstdiagnose.

Solche Veränderungen können sich vor allem in Engständen darstellen, welche als Kissing Spines, kurz KS, bezeichnet werden. Durch diese Engstände können die Dornfortsätze unter Belastung aneinander reiben, wodurch entzündliche Prozesse an der Knochenhaut oder Verknöcherungen entstehen können. Diese führen dann bei dem Pferd zu starken Schmerzen. 

Mit speziellen, rückenschonenden Trainingsmethoden und damit einhergehendem Muskelaufbau können diese Reibungen verhindert werden, wodurch die Pferde als Freizeitpferde häufig nutzbar bleiben. Ein Einsatz als Sport- oder Turnierpferd ist jedoch in der Regel so gut wie ausgeschlossen.

Doch was ist, wenn man ein Pferd gekauft hat und sich erst später herausstellt, dass es unter dem KS-Syndrom leidet? Einen solchen Fall hatte das Landgericht Münster zu entscheiden (Urteil vom 10.08.2004 Az.: 10 O 716/03)

In dem vorliegenden Fall handelte es sich um eine 11-jährige Vollblutstute, bei der ein leichtes KS-Syndrom festgestellt wurde. Der hinzugezogene Sachverständige bestätigte die Diagnose, konnte jedoch keine wahrnehmbaren Einschränkungen der Rittigkeit oder gar eine Lahmheit erkennen. Er wies darauf hin, dass bei diesem Befund nicht auszuschließen sei, dass die Engstände in Zukunft Probleme bereiten könnten. Nach Ansicht des Sachverständigen sei der Kauf eines solchen Pferdes für den Käufer jedenfalls risikobehaftet. 

Das Gericht entschied, dass es sich bei Kissing Spines um einen Mangel im Sinne des § 434 BGB handele, welcher den Käufer zum Rücktritt berechtigt, selbst wenn das Pferd noch keine Symptome zeigt und auf eine Ankaufsuntersuchung verzichtet wurde. Zur Begründung führte es aus, dass selbst wenn die Veränderungen an der Wirbelsäule nur gering seien, das Risiko für den Käufer besteht, dass das Pferd in Zukunft in seiner Gebrauchstauglichkeit eingeschränkt sein könnte. Bei einem Pferd ohne diese Veränderungen bestünde dieses Risiko nämlich gerade nicht. 

Das Gericht wies auch darauf hin, dass die vorliegend nicht durchgeführte Ankaufsuntersuchung nicht zu einer rechtlich anderen Bewertung führe, da üblicherweise nicht bei jeder Ankaufsuntersuchung Röntgenbilder des Rückens gefertigt würden und diese Erkrankung nur dadurch zu erkennen sei. 

Auch war die Fristsetzung zur Nacherfüllung in diesem Fall entbehrlich, da nicht sicher sei, dass das Pferd durch eine tierärztliche Behandlung zukünftig symptomfrei bliebe.

Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass sich das Landgericht Münster damit gegen die vorangegangene Rechtsprechung in ähnlichen Fällen stellte, wonach einhellig davon ausgegangen wurde, dass ein Mangel nur vorliege, wenn er sich auch tatsächlich realisiert hat. Das Pferd musste demnach dauerhaft oder zumindest regelmäßig lahmen oder sich aufgrund der Schmerzen beim Reiten bereits unwillig gezeigt haben. 

Wenn Sie bei Erwerb eines Pferdes gerade mit Blick auf das Kissing-Spines-Syndrom sichergehen wollen, sollte vorab unbedingt eine Ankaufsuntersuchung mit entsprechenden röntgenologischen Untersuchungen durchgeführt werden. 

Gerne helfen wir Ihnen weiter, wenn Sie mit der Diagnose Kissing Spines konfrontiert werden.

Rechtsanwältin

Susan Beaucamp


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Susan Beaucamp

Beiträge zum Thema