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Kollision zweier Motorräder – welcher Fahrer haftet?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Bald wird es wieder Frühling – das erkennt man insbesondere an den vielen Zweirädern, die nach ihrem Winterschlaf aus dem Keller oder der Garage geholt werden und sich auf den Straßen tummeln. Passiert dann ein Unfall, weil ein Motorrad auf die Gegenfahrbahn geraten ist, stellt sich die Frage, wer für den entstandenen Schaden geradestehen muss.

Unfallhergang nicht aufklärbar

In einer Rechtskurve kam es zu einer Kollision zwischen zwei Motorrädern. Der Eigentümer einer BMW-Maschine verlangte daraufhin gerichtlich Schadenersatz und Schmerzensgeld von seinem Gegner, der ein Motorrad der Marke Honda benutzt hatte. Der jedoch erwiderte, den Unfall nicht verschuldet zu haben. Vielmehr habe der BMW-Fahrer in der Rechtskurve die Kontrolle über seine Maschine verloren und sei auf die Gegenfahrbahn geraten. Er selbst habe nicht mehr ausweichen können.

Ein Gutachter konnte den Unfallhergang jedoch nicht mehr rekonstruieren. So sei es möglich, dass der BMW-Fahrer tatsächlich die Kontrolle verloren habe und deswegen auf die Gegenfahrbahn geraten sei. Dafür spreche unter anderem, dass sich seine Maschine nach dem Zusammenstoß offensichtlich auf der Gegenfahrbahn befunden habe. Allerdings sei es theoretisch auch möglich, dass der Honda-Fahrer sich auf der Gegenfahrbahn befunden und damit den BMW-Fahrer zu einer Vollbremsung gezwungen habe, aufgrund derer er auf die Gegenfahrbahn gerutscht sei. Diese Ansicht vertrat nun auch der BMW-Fahrer, der sich vor dem Gutachten laut eigener Angaben eigentlich nicht mehr an das Unfallgeschehen erinnern konnte.

Überwiegende Haftung des BMW-Fahrers

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass der Honda-Fahrer nur zu 25 Prozent mithaften muss.

Zwar war der Unfallhergang nicht mehr rekonstruierbar – dennoch kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass der BMW-Fahrer den Unfall überwiegend durch sein eigenes Verhalten herbeigeführt hat. Schließlich sprach der sog. Anscheinsbeweis für einen Verstoß des BMW-Fahrers gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 II Straßenverkehrsordnung (StVO). So war er in der Rechtskurve sehr weit links gefahren und hatte erst relativ spät – nämlich nahe der Straßenmitte – eine Vollbremsung hingelegt, was durch die Bremsspuren eindeutig bewiesen werden konnte. Auch hatte sich das Motorrad zum Kollisionszeitpunkt unstreitig auf der Gegenfahrbahn befunden.

Unter solchen Umständen ist typischerweise davon auszugehen, dass der Verkehrsteilnehmer aufgrund eines eigenen Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit einem anderen Fahrzeug kollidiert ist. Das Gericht gab zwar zu, dass sich auch der Honda-Fahrer verkehrswidrig verhalten haben könnte, hielt dies jedoch für unwahrscheinlich. Es ist in der Regel vielmehr davon auszugehen, dass sich ein Kraftfahrer in einer Linkskurve eher rechts hält, anstatt die Gegenfahrbahn zu nutzen – sofern ihm zumindest sein eigenes Leben lieb ist. In einer Kurve sieht man den entgegenkommenden Verkehr schließlich erst sehr spät, sodass ein Ausweichen auf die eigene Fahrbahn oftmals nicht mehr möglich sein wird.

Seltsam fand das Gericht auch, dass sich der BMW-Fahrer zunächst nicht mehr an das Unfallgeschehen erinnern konnte – nach Vorlage des Gutachtens aber plötzlich erklärte, der Gegner sei ihm auf der falschen Fahrspur entgegengekommen. Es wertete diesen Vorwurf daher als „bloße Behauptung ins Blaue“.

Indes sprachen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Honda-Fahrer den Unfall mitverursacht hatte. Weil es jedoch bei Betrieb seines Fahrzeugs zu der Kollision gekommen war, musste er sich die sog. Betriebsgefahr seiner Maschine in Höhe von 25 Prozent anrechnen lassen.

Fazit: Kann der Unfallhergang nicht mehr aufgeklärt werden, müssen Richter anhand objektiver Umstände – z. B. Kollisionsort oder Bremsspuren – klären, wer den Unfall (überwiegend) verursacht hat.

(OLG Hamm, Urteil v. 08.09.2015, Az.: 9 U 131/14)

(VOI)

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