Kündigung Lebensversicherung – Können Versicherte nach dem BGH-Urteil noch erfolgreich widersprechen?

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Lebensversicherungen beschäftigten aktuell die Politik, die Verbraucher und die Gerichte. Am 16.07.2014 sorgten Altverträge für Schlagzeilen. Der Bundesgerichtshof entschied über den Widerspruch gegen einen bereits gekündigten Lebensversicherungsvertrag. Das Gericht hatte in den vergangenen Wochen verschieden Klagen von Versicherten zu bearbeiten, die in der Vergangenheit einen Lebens- und Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen hatten und bei der späteren Kündigung vom ausgezahlten Betrag enttäuscht waren. So mancher Renten- oder Lebensversicherte hatte daraufhin den Rechtsweg beschritten, um mehr Geld als den Rückkaufwert von der Versicherung zu fordern.

Um dies zu erreichen, widersprachen Versicherte dem ursprünglichen Vertragsschluss. Im Fall eines erfolgreichen Widerspruchs gilt der Versicherungsvertrag als nicht abgeschlossen und die Grundlage für den vertraglich vereinbarten Rückkaufswert entfällt. Doch die Frage, ob der Widerspruch eines Versicherten wirksam ist oder nicht, war und ist nicht einfach zu beantworten. Insbesondere bei Renten- und Lebensversicherungsverträgen, die zwischen 1998 und 2007 abgeschlossen wurden, waren grundlegende Rechtsfragen zu klären.

Grundlegendes BGH-Urteil am 16.07.2014 schränkt Widerspruchsmöglichkeiten ein

So war bis in Jahr 2007 in § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) festgeschrieben, dass ein Renten- oder Lebensversicherungsvertrag nur binnen eines Jahres nach dem Bezahlen der ersten Prämie widerrufen werden kann. Jedoch hatten Renten- und Lebensversicherte den gekündigten Versicherungsverträgen erheblich später widersprochen. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass ihr späterer Widerspruch gültig sei, weil § 5a VVG und das damals vorgeschriebene Policenmodell (Versicherungsvertrag wird abgeschlossen, wenn der Versicherte nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt der Vertragsunterlagen widerspricht) gegen europarechtliche Vorgaben verstoßen.

Dass diese Argumentation nicht jedem Widerspruch zum Erfolg verhilft, stellte der Bundesgerichtshof am 16.07.2014 klar. Es ging um den Fall eines Klägers, der 1998 einen Versicherungsvertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung abschloss und dabei ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt wurde. Der Kläger kündigte den Vertrag im Jahr 2004 und erklärte 2011 den Widerspruch. Der BGH entschied, dass in diesem Fall dem einstigen Vertragsschluss nicht mehr wirksam widersprochen werden könne, da die Einjahresfrist des § 5a VVG längt abgelaufen sei. Auch stelle das Policenmodell keinen Verstoß gegen europarechtlichen Vorgaben dar, sodass die Widerspruchsfrist auch deshalb nicht über den gesetzlich festgelegten Zeitraum des § 5a VV hinaus „verlängert“ werden könne (Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13). Dementsprechend konnte der Kläger nicht mehr als den bereits ausgezahlten Rückkaufswert fordern.

Trotz des Urteils vom 16.07.2014 können Versicherte noch wirksam widersprechen

Für Versicherte stellt sich nach diesem Urteil die Frage, ob damit jegliche Möglichkeit abgeschnitten ist, sich gegen den Rückkaufswert und enttäuschende Kündigungen zu wehren. Dass es noch Ansatzpunkte gibt, zeigt ein anderes, Anfang Mai 2014 entschiedenes BGH-Urteil. Auch in diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof sich mit einem nach der Jahresfrist des § 5a VVG erklärten Widerspruch auseinanderzusetzen. Für den betroffenen Versicherten brachte das Urteil aber ein ganz anderes Ergebnis mit sich: Der Widerspruch war wirksam, und der Kläger konnte mehr Geld von der Versicherung fordern.

Dass der BHG in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis kam, ist auf ein Detail beim Vertragsschluss zurückzuführen. Der Kläger wurde beim Abschluss des Versicherungsvertrags nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen. Dieser Unterschied erlaubte es dem Bundesgerichtshof und auch dem Gerichtshof der Europäischen Union, die Rechtslage anders zu beurteilen: Im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sei die Ausschlussregelung des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (alte Fassung) nicht mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Für den Kläger bedeutete dies, dass ein wirksamer Widerspruch gegen den ursprünglichen Vertragsschluss auch noch Jahre später möglich war (Urteil vom 07.05.2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11).

Genaue Umstände des Einzelfalls entscheiden, ob ein Widerspruch noch möglich ist

Die beiden Urteil demonstrieren, dass es trotz des Urteils vom 16.07.2014 für Renten- und Lebensversicherte nach wie vor Chancen gibt, gegen das Ergebnis einer Kündigung vorzugehen. Doch es wird auch deutlich, dass die genauen Umstände des Vertragsabschlusses entscheidend sind. Daher muss der Einzelfall rechtlich überprüft werden – eine generelle Lösung für alle Fälle gibt es nicht. Wenn Versicherte wissen möchten, welche konkreten rechtlichen Möglichkeiten in ihrem Fall offen stehen, sollten sie sich angesichts der komplexen Rechtslage zuvor Rechtsrat einholen.

Dr. Stoll & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht


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