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Kündigung nach Kirchenaustritt gerechtfertigt

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen nehmen hierzulande eine arbeitsrechtliche Sonderstellung ein. Grund ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Religionsgesellschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig. So steht es im Grundgesetz. Das Ziel: Staat und Kirche zu trennen. Keiner soll den anderen beeinflussen. Schranken setzen dieser Selbstordnung und Selbstverwaltung die für alle geltenden Gesetze. Auf deren Grundlage entscheiden wiederum die Gerichte - mal zulasten, mal zugunsten der Religionsgesellschaften. So hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) im November 2012 den 1,3 Millionen Beschäftigten der katholischen und evangelischen Kirche, der Caritas und der Diakonie in Deutschland ein eingeschränktes Streikrecht zugebilligt (BAG, Urteil v. 20.11.2012, Az. 1 AZR 179/11). Im September 2011 wurde die Kündigung eines Arztes, der bei einem Düsseldorfer Klinikum in Trägerschaft der katholischen Kirche beschäftigt war, für grundsätzlich zulässig erachtet. Der Mann hatte nach seiner Scheidung erneut geheiratet. Im Dienst blieb er vor allem, weil Arbeitsverträge für evangelische Beschäftigte der Klinik keine entsprechenden Regelungen enthielten und somit keine durchgängige Linie gegeben war (BAG, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 543/10). Zudem stand der Arzt weiter zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Sein Scheitern allein habe die Kündigung nicht rechtfertigen können.

Kirche legt Wert auf den dritten Weg

Vieles unterscheidet sich somit vom Arbeitsrecht in anderen Bereichen. So können Religionsgemeinschaften als sogenannte Tendenzbetriebe auf Grundlage der Verfassung von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen. Dies spiegelt sich auch in den Arbeitsverträgen wider, die meist mehr oder weniger eine persönliche Lebensführung nach der jeweiligen religiösen Lehre verlangen. Gegner des Selbstbestimmungsrechts kritisieren, dass solche Forderungen zu weit in das Privatleben hineinreichten. Die Religionsgemeinschaften betonen dagegen ihren eigenen, den sogenannten dritten Weg. Der danach erfolgende Interessenausgleich mittels paritätisch besetzter Kommissionen sorge für bessere Arbeitsbedingungen als der sogenannte zweite Weg. Bei diesem verhandeln in der Regel beide Seiten durch ihre Interessenvertretungen - den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Beim ersten Weg treffen Arbeitgeber Entscheidungen dagegen ohne Arbeitnehmer.

Keine Vermittlung religiöser Inhalte

Nun hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob ein Kirchenaustritt eine Kündigung rechtfertigt. Aus der katholischen Kirche ausgetreten war ein seit 1992 beim Caritasverband Mannheim beschäftigter 60-jähriger Sozialpädagoge. In der Einrichtung, in der er tätig war, betreute er nachmittags Schulkinder. Religiöse Ansichten werden Kindern dort nicht vermittelt, auch die Religionszugehörigkeit der Kinder spielt keine Rolle. Allein die schulische und soziale Förderung steht im Vordergrund. Dem Vorstand des Caritasverbands gegenüber begründete er seinen Austritt mit den Ereignissen um die Piusbruderschaft, den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche und der Karfreitagsliturgie. Den arbeitsvertraglichen Richtlinien zufolge wäre er aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung nicht ordentlich kündbar gewesen. Die Richtlinien forderten aber auch, die allgemeinen und für einzelne Berufsgruppen erlassenen kirchlichen Gesetze und Vorschriften zu beachten. Auf dieser Grundlage erhielt der Mann die mit Auslauffrist verbundene außerordentliche Kündigung. Gegen diese legte der Sozialpädagoge wiederum Kündigungsschutzklage ein. In den ersten beiden Instanzen unterlag er. Das Berufungsgericht ließ aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls die Revision zum BAG zu.

Gewissensfreiheit und Verkündigungsauftrag

Während der Kläger sich auf sein Grundrecht auf Gewissensfreiheit berief, argumentierte der beklagte Caritasverband: Wer nicht Mitglied der katholischen Kirche sei, könne deren Verkündigungsauftrag nicht erfüllen. Der war, so der Kläger, kein Teil seiner Tätigkeit. Im Kern ging es also um die Frage: Ist der Verkündigungsauftrag auch dann entscheidend, wenn religiöse Inhalte bei der Arbeit keine Rolle spielen? Im Jahr 1984 sah das BAG im Kirchenaustritt nur bei einer Nähe zu kirchlichen Aufgaben einen Kündigungsgrund (BAG, Urteil v. 12.12.1984, Az.: 7 AZR 418/83). Im Jahr darauf unterlag dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zufolge auch dieser Kündigungsgrund dem Selbstbestimmungsrecht (BVerfG, Beschluss v. 04.06.1985, Az.: 2 BvR 1703/83, 1718/83 und 856/84). Vereinzelte Landesarbeitsgerichte (LAG) fordern dennoch eine Nähe (LAG Brandenburg, Urteil v. 13.11.2003 - 2 Sa 410/03).

Kirchenaustritt verstößt gegen Loyalitätspflichten

Diese Ansicht teilt das BAG aber auch weiterhin nicht. Dem aktuellen Urteil zufolge steht das Loyalitätsinteresse über dem Interesse Gekündigter an ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Revision des Sozialpädagogen wurde verworfen, weil er damit gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten verstoßen habe. Er leiste unmittelbar Dienst am Menschen, für den ihm nach seinem Austritt die Eignung in einer kirchlichen Einrichtung fehle. Die Tätigkeit stehe insofern auch im verkündigungsnahen Bereich. Dabei habe der Arbeitnehmer sich nicht nur in einzelnen Punkten vom Verkündigungsauftrag entfernt. Vielmehr habe er sich aufgrund des Austritts insgesamt davon losgesagt. Eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) scheide wegen der darin enthaltenen Ausnahmeregelung für Tendenzbetriebe, zu denen die katholische Kirche gehört, aus.

(BAG, Urteil v. 25.04.2013, Az.: 2 AZR 579/12)

(GUE)

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