Lärmbelästigung im Mietshaus: welche Geräuschbelästigungen sind zulässig?

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Wie kann man sich gegen störende Nachbarn zur Wehr setzen? Ein Interview von Danah El-Ismail mit Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Viele Streitigkeiten zwischen Mietern haben ihren Ursprung in Lärmbelästigung. Dabei herrscht ein erstaunlicher Unterschied in der Wahrnehmung eigener Lärmverursachung im Verhältnis zur Fremdverursachung. Welcher Lärm ist eigentlich gerade noch zulässig? Was kann man gegen störende Nachbarn unternehmen?

El-Ismail: Die Beschwerden über lautstarke Nachbarn sind vielfältig. Sie reichen von lauter Musik, über nächtliches Trampeln, Partys bis hin zu störenden Haustieren. Was darf man denn eigentlich in einer Wohnung?

Bredereck: Zunächst einmal warne ich vor einer solchen Herangehensweise. Nicht alles, was erlaubt ist, sollte man auch ausreizen. Ein einmal verdorbenes Miteinander im Haus ist schwer wieder zu reparieren. Es gab schon Mieter, die ihre Nachbarn im Zuge solcher Auseinandersetzungen umgebracht haben.

El-Ismail: Also lieber mucksmäuschenstill?

Bredereck: So ruhig wie möglich.

El-Ismail: Aber was, wenn sich der Nachbar nicht daran hält?

Bredereck: Auch hier ist Zurückhaltung geboten.

El-Ismail: Und wenn die nicht hilft, wie ist die Rechtslage?

Bredereck: Zunächst einmal sehr unübersichtlich. Ich warne grundsätzlich davor, einzelne Gerichtsurteile zu verallgemeinern. Häufig handelt es sich um Entscheidungen von Amtsgerichten, die wiederum sehr lokal orientiert sind. Grundsatzentscheidungen sind eher die Ausnahme.

El-Ismail: Welche allgemeinen Regeln gelten?

Bredereck: An Sonntagen und Feiertagen muss Ruhe herrschen, ebenso wie in der Nachtzeit zwischen 22 und 6 bzw. 7 Uhr früh. Das ergibt sich bereits aus den Immissionsschutzgesetzen der Länder. Daneben sollte man in seine Hausordnung und in seinen Mietvertrag schauen. Dort finden sich häufig weitergehende Regelungen, die im Zweifel auch verbindlich sind.

El-Ismail: Was heißt denn Ruhe?

Bredereck: Jedenfalls in der Nachtzeit bedeutet dies, dass alle Geräusche in der Wohnung auf Zimmerlautstärke zu begrenzen sind. Sie dürfen also in den umliegenden Wohnungen nicht vernehmbar sein.

El-Ismail: Es gibt doch aber sehr hellhörige Wohnungen. Völlig geräuschloses Wohnen ist hier oft gar nicht möglich.

Bredereck: Das Unvermeidliche ist natürlich immer zulässig. Wenn ich also nachts von der Arbeit komme, darf ich meine Wohnung betreten, auch wenn dies Geräusche verursacht, die in der Wohnung darunter wahrzunehmen sind. Bauliche Fehler bei der Dämmung gehen jedenfalls nicht zulasten der dort wohnenden Mieter.

El-Ismail: Wie sieht es mit Lärm durch Kinder aus? Müssen Eltern hier hart durchgreifen?

Bredereck: Nein. Die Rechtsprechung ist hier sehr großzügig zugunsten der Familien. Kinder dürfen eigentlich alles.

El-Ismail: Anders als Hunde?

Bredereck: Genau. Permanentes Hundebellen muss nicht geduldet werden, auch wenn die Tierhaltung ursprünglich gestattet war. Der Halter muss hier zeitnah Maßnahmen ergreifen, z. B. Hundeschule – und wenn alles nichts hilft: Tierheim.

El-Ismail: Das ist hart.

Bredereck: Ja. Aber es muss auch berücksichtigt werden, dass nicht jeder Hundeliebhaber ist.

El-Ismail: Wie sieht es mit der Musik aus?

Bredereck: Es gelten keine besonderen Regeln. Einzelne Amtsgerichte haben in unterschiedlichen Urteilen unterschiedliche Musizierzeiten für zulässig erachtet. Ich würde denken, eine Stunde klimpern am Tag geht. Alles andere ist problematisch.

El-Ismail: Und wenn ich für meinen Beruf mehrere Stunden lang täglich üben muss?

Bredereck: Dann muss ich entweder meine Nachbarn ins Boot holen oder woanders üben. Für viele Instrumente gibt es mittlerweile auch schalldichte Kabinen.

El-Ismail: Was kann ich unternehmen, wenn mein Nachbar regelmäßig zu laut ist und auch alle Versuche einer einvernehmlichen Regelung gescheitert sind?

Bredereck: Der Instrumentenkasten ist hier umfangreich. In Betracht kommen folgende Ansprüche, bzw. Verfahrensweisen:

  • Unterlassungsansprüche direkt gegen den störenden Mieter.
  • Ansprüche gegen den Vermieter auf Abhilfe gegenüber dem anderen Mieter und unter Umständen auch Mietminderung (Vorsicht bei der Geltendmachung).
  • Anzeigen beim Ordnungsamt.
  • Rufen der Polizei.

Unbedingt sollte man ein Lärmprotokoll führen, in dem sämtliche Störungen genau bezeichnet sind. Soweit es möglich ist, sollte man auch Zeugen vermerken.

El-Ismail: Welches Vorgehen empfehlen Sie Ihren Mandanten?

Bredereck: Zunächst werden Störer und Vermieter angeschrieben und unter Fristsetzung zur Unterlassung bzw. Abhilfe aufgefordert. Gegenüber dem Vermieter wird die Zahlung der Miete unter Vorbehalt gesetzt. Parallel wird ein umfassendes Lärmtagebuch geführt. Bei fruchtlosem Ablauf der Fristen wird geklagt.

El-Ismail: Also wenn man vorgeht, dann richtig?

Bredereck: Halbherzige Versuche sollten vermieden werden. Entsprechende Anwaltsschreiben sorgen meiner Erfahrung nach in über zwei Drittel der Fälle für zumindest vorübergehende Ruhe. Wenn‘s ans Geld geht, werden die Leute dann doch zurückhaltender. In dem überwiegenden Teil der restlichen Fälle hilft ein gerichtlicher Vergleich. Es gibt natürlich auch hoffnungslose Fälle, die nur durch eine Beendigung des Mietverhältnisses erledigt werden können. Das kann dauern, vor allem, wenn der Vermieter untätig bleibt und erst zum Handeln gezwungen werden muss.

El-Ismail: Wie lautet das Fazit?

Bredereck: Nachbarschaftsstreitigkeiten unbedingt vermeiden.

Berlin, den 15.7.2014

Ein Beitrag von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen. Videos und weiterführende Informationen mit Praxistipps zu allen aktuellen Rechtsfragen finden Sie unter: www.fernsehanwalt.com. Wir vertreten Vermieter und Mieter im Zusammenhang mit Kündigungen außergerichtlich und gerichtlich im Rahmen von Räumungsklagen. Die Vertretung erfolgt bundesweit. Gern helfen wir auch Ihnen. Schildern Sie uns Ihren Fall und wir sagen Ihnen, was wir für Sie tun können.


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