Landgericht Bielefeld bestätigt Verurteilung des Anschlussinhabers in Tauschbörsenverfahren

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Landgericht Bielefeld, 17.07.2018, Az. 20 S 30/17

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen

Bereits im Juni 2017 berichtete Waldorf Frommer von einem Verfahren am Amtsgericht Bielefeld (Az. 42 C 384/16), in dem der dort beklagte Anschlussinhaber antragsgemäß zum Ersatz des Lizenzschadens sowie der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt wurde.

Der Beklagte ging gegen das Urteil in Berufung und rügte die Rechtsfehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

So habe das Amtsgericht seinem Urteil zunächst trotz entsprechenden Bestreitens die Richtigkeit der Ermittlungen zugrunde gelegt, ohne hierüber Beweis zu erheben. Zudem sei das Amtsgericht in fehlerhafter Weise von der Angemessenheit der geltend gemachten Forderungshöhe ausgegangen.

Schließlich hafte der Beklagte entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht als Täter, da er die Rechtsverletzung nicht begangen habe und der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast ausreichend nachgekommen sei. Insoweit habe er ausreichend dargelegt, dass die Ehefrau generell Zugriff auf den Internetanschluss gehabt habe.

Im maßgeblichen Zeitraum sei überdies der in Australien lebende Sohn mit dessen Lebensgefährtin zu Besuch gewesen, welche ebenfalls mit eigenen Endgeräten den Internetanschluss hätten nutzen können. Der Beklagte habe auch sämtliche Personen zu ihrer Verantwortlichkeit befragt, wobei diese in Abrede gestellt worden sei. Weitere Darlegungen seien dem Beklagten vor dem Hintergrund der Afterlife-Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht abzuverlangen und zumutbar gewesen.

Das Landgericht erachtete die Rügen gegen das Urteil des Amtsgerichts als gegenstandslos und hielt die Verurteilung des Beklagten in vollem Umfang aufrecht [Anm. d. Red.: Soweit die Klage vom Landgericht „im Übrigen abgewiesen“ wurde, so bezog sich dies ausschließlich auf den Fälligkeitszeitpunkt der angefallen Zinsen].

Das Amtsgericht sei in seiner Entscheidung zutreffend von der korrekten Ermittlung der Rechtsverletzung ausgegangen, da die hiergegen gerichteten Einwendungen des Beklagten an der Sache vorbeigingen und daher unbeachtlich gewesen seien.

„Soweit der Beklagte hiergegen einwendet, dass das von der Klägerin angewendete Hash-Verfahren nicht geeignet sei, um sicher zu ermitteln, ob die identifizierten Dateiversionen tatsächlich mit der Datei übereinstimmen, hinsichtlich derer der Klägerin ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrechte zustehen, da im Rahmen dieses Hash-Verfahrens lediglich Dateifragmente heruntergeladen würden, ist dieses Bestreiten unerheblich.

Insoweit hat die Klägerin nämlich den Ablauf der Ermittlungen durch das PFS ausführlich und nachvollziehbar geschildert. Insbesondere hat sie vorgetragen, dass sie zur Verifizierung eines illegalen Angebots die unterschiedlichen Dateiversionen eines bestimmten Werkes suchen, vollständig herunterladen und dann inhaltlich mit dem Originalwerk abgleichen lasse und es sich bei der Ermittlung durch das von ihr verwendete PFS-System deshalb gerade nicht um eine rein hashwertbasierte Ermittlung handele.“

Im Übrigen sei der Anschluss des Beklagten mehrfach beauskunftet worden, weshalb auch aus diesem Grunde ein Fehler bei der Anschlussermittlung ausgeschlossen werden könne.

„Zwar hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass die IP-Adresse fehlerfrei ermittelt worden sei. Demgegenüber hat die Kammer an der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses keine vernünftigen Zweifel im Sinne des § 286 ZPO. Vorliegend haben die Ermittlungen der Klägerin nämlich in gleich zwei Fällen die IP-Adresse des Beklagten ergeben, wobei zwischen diesen beiden Ermittlungen ein zeitlicher Abstand von fünf Stunden gegeben war.

Dass es jedoch in zeitlichem Abstand von mehreren Stunden mehrfach zu Fehlern bei der Erfassung und, Zuordnung gekommen sein könnte, liegt fern, dass Zweifel an der Anschlussidentifizierung schweigen (§ 286 ZPO) (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – 6 U 239/11, juris Rn. 4; OLG München, Beschluss vom 01.10.2012 – 6 W 1705/12, juris).

Dem steht auch nicht entgegen, dass in beiden Fällen dieselbe IP-Adresse ermittelt wurde. Ausweislich der von der Klägerin als Anlage K2 vorgelegten Auskunft erfolgten nämlich zwischen den Erfassungen der IP-Adresse des Beklagten eine weitere und kurz davor und kurz danach eine Vielzahl weiterer Ermittlungen zu gesondert erfassten abweichenden IP-Adressen anderer Anschlussinhaber. Auch vor diesem Hintergrund liegt die Möglichkeit einer zweifachen falschen Ermittlung fern (vgl. insoweit auch LG Köln, Urt. v. 14.12.2017 -14 S 1/17, juris Rn. 29).“

Infolgedessen sei das Amtsgericht richtigerweise von der Täterschaft des Beklagten ausgegangen, da er seiner sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen und die persönliche Verantwortlichkeit daher tatsächlich zu vermuten gewesen sei.

Der bloße Umstand, dass weitere Personen den Internetanschluss nutzen konnten, sei nicht gleichzusetzen mit der erforderlichen Darlegung, dass diese auch ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit sei – auch vor dem Hintergrund der Afterlife-Entscheidung – jedenfalls ein Vortrag zum konkreten Tatzeitpunkt, zum Nutzungsverhalten sowie zu den individuellen Computerkenntnissen der Familienmitglieder erforderlich gewesen, an dem es vorliegend gemangelt habe.

„Dabei genügt die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des, Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Im Rahmen des Zumutbaren ist er insoweit zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat […] 

Diese Grundsätze hat der BGH entgegen der Ansicht. des Beklagten auch in der Entscheidung „Afterlife“ nicht aufgegeben, sondern ausdrücklich bestätigt. Daneben hat er betont, dass bei der Bestimmung der Reichweite der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast ein möglichst schonender Ausgleich zwischen dem dem Verletzten zustehenden grundrechtlichen Eigentumsschutz aus Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG und dem zugunsten des Anschlussinhabers wirkenden grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG) herzustellen ist […].

[…] Darüber hinaus fehlt es an jeglichem Vortrag zum Nutzungsverhalten und zu den individuellen Computerkenntnissen der einzelnen Familienmitglieder. Es ist für die Kammer nicht erkennbar, dass eines der Familienmitglieder des Beklagten aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und in zeitlicher Hinsicht überhaupt als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzung in Betracht kommt.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Abmahnung […] mehr als anderthalb Monate nach der hier streitgegenständlichen Rechtsverletzung erfolgte und damit schon aufgrund der insoweit verstrichenen Zeit seit der Rechtsverletzung keine zu hohen Anforderungen an den Vortrag des Beklagten gestellt werden können (vergleiche insoweit auch BGH, Urteil vom 27.07.2017 – I ZR 68 / 16 – „EgoShooter“, juris Rn. 16-18). Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Beklagte von der Pflicht jeglichen Vortrags auch nur eines Mindestmaßes an Tatsachen zum Nutzerverhalten und den Kenntnisse und Fähigkeiten seiner Ehefrau und seines Sohnes und dessen Freundin zu befreien ist.

Dies gilt insbesondere deshalb, weil es sich bei Nutzungsverhalten und Computerkenntnissen um, Umstände handelt, die unabhängig, von der Dauer des Zurückliegens der behaupteten Rechtsverletzung dargelegt werden können.“

Der Beklagte hafte daher als Täter.

Darüber hinaus sei auch der geltend gemachte Lizenzschaden der Höhe nach angemessen und „maßvoll“. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, dass das Filmwerk zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bereits seit geraumer Zeit veröffentlicht wurde, da es sich um einen „weltweit beliebten und umsatzstarken Hollywood-Film“ gehandelt habe.

Selbiges gelte hinsichtlich des für den Unterlassungsanspruch zugrunde gelegten Gegenstandswerts in Höhe von 10.000,00 €.

Der Beklagte hat daher neben dem Lizenzschaden, der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie der erstinstanzlichen Verfahrenskosten nunmehr auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

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