Lebenserhaltende Maßnahmen: BGH definiert Anforderungen an Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

  • 3 Minuten Lesezeit

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Beschluss vom 6. Juli (XII ZB 61/16) eines sensiblen Themas angenommen und die Anforderungen an Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen definiert. Der BGH hat einmal mehr konkretere Bestimmungen bzw. Festlegungen durch den Vollmachtgeber gefordert, falls lebenserhaltende Maßnahmen abgesetzt werden sollen.

In aktuellen Fall ging es um eine 1941 geborene Frau, die bereits 2011 einen Gehirnschlag erlitten hatte und die bereits vor der Verlegung in ein Pflegeheim in 2012 durch eine Magensonde ernährt und medikamentös versorgt wurde. Zwei vorliegende Patientenvollmachten regelten das Verhalten der leiblichen Kinder und legitimierten insbesondere eine Tochter, im Fall einer dauerhaften Hirnschädigung lebensverlängernde Maßnahmen abbrechen zu lassen.

Bereits 2003 war dieser Tochter folgende Vollmacht erteilt worden: Sie dürfe „in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Die Vollmacht enthielt zudem die Befugnis, über den „Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen“ zu entscheiden, mit dem Zusatz, dass die Betroffene im Fall einer zum Tod führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen lege, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht erwartet werden könne.

Der Streitfall

Die bevollmächtige Tochter und die Hausärztin der Betroffenen sind der Meinung, dass es nicht dem Willen der Mutter entspricht, die künstliche Ernährung einzustellen. Zwei weitere Töchter sind gegenteiliger Ansicht. Sie möchten die Maßnahmen beenden und hatten beim zuständigen Betreuungsgericht einen sog. Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB beantragt, der die ihrer Schwester erteilten Vollmachten widerrufen sollte. Das Landgericht entsprach diesem Wunsch. Nach dem Gang durch die Instanzen hat die eigentlich umfangreicher bevollmächtige Tochter nun gute Chancen, die ihr von der Mutter erteilte Vollmacht auch ausüben zu können. Der BGH gab das Verfahren zur neuerlichen Prüfung an das Landgericht zurück und hob dessen Urteil damit auf.

Die Begründung

„Ein Bevollmächtigter kann nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen, wenn ihm die Vollmacht schriftlich erteilt ist und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen. Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann. Ob die beiden von der Betroffenen erteilten privatschriftlichen Vollmachten diesen inhaltlichen Erfordernissen gerecht werden, unterliegt Bedenken, weil sie nach ihrem Wortlaut lediglich die Ermächtigung zur Mitsprache in den in der Patientenverfügung genannten Fallgestaltungen, nicht aber zur Bestimmung der Vorgehensweise enthalten. Jedenfalls die notarielle Vollmacht genügt aber den gesetzlichen Anforderungen.“

Rechtsanwalt Jens Schulte-Bromby, der das komplexe Urteil intensiv aufgearbeitet hat, empfiehlt beim Aufsetzen von Patientenverfügungen, Vollmachten mit konkreten Anforderungen zu verknüpfen, denn eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB entfaltet nach Meinung des BGH unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Schulte-Bromby: „Allgemeine Hinweise, z. B. auf ‚würdevolles Sterben‘ sind als Anweisungen nicht geeignet, im Streitfall konkret darüber entscheiden zu können, da sich daraus keine konkreten Empfehlungen für Behandlungsentscheidungen ableiten lassen.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich auch kein auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteter Behandlungswunsch oder mutmaßlicher Wille der Betroffenen. Daher kann derzeit nicht angenommen werden, dass die Bevollmächtigte sich offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzt, was für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in diesem Zusammenhang erforderlich wäre. Das Landgericht wird nach Zurückverweisung allerdings zu prüfen haben, ob mündliche Äußerungen der Betroffenen vorliegen, die einen Behandlungswunsch darstellen oder die Annahme eines auf Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten mutmaßlichen Willens der Betroffenen rechtfertigen.

Rechtsanwalt Jens Schulte-Bromby steht insbesondere zu Fragen der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung als juristischer Ansprechpartner gern zur Verfügung.

Mehr Informationen: https://www.ajt-neuss.de/medizinrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Markus Jansen

Beiträge zum Thema