Mercedes-Abgasskandal: V-Klasse von Mercedes mit Dieselmotor OM651 betroffen

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Die Daimler AG hat nun auch ein Urteil wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bei dem Transporter V 220 mit dem Dieselmotor OM651 kassiert. Zuvor hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf für das Modell im Zusammenhang mit dem Emissionskontrollsystem (SCR-System) angeordnet. Viele Mercedes-Benz-Diesel sind mit illegalen Abschalteinrichtungen ausgestattet. Besonders betroffen sind die Motoren des Typs OM651, OM622, OM626, OM654, OM642 und OM656. 

Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 4. September 2020 entschieden (Az.: 23 O 231/19) entschieden, dass die Daimler AG einen Mercedes-Benz-Transport der V-Klasse zurückgenommen und Schadensersatz zahlen muss. Der Kläger hatte den Mercedes V 220 Blue Efficiency Marco Polo Edition im Juli 2017 für knapp 57.000 Euro gekauft. Das mit dem Dieselmotor OM651 und der Abgasnorm Euro 6 ausgerüstete Wohnmobil wies zum Zeitpunkt des Kaufs eines Laufleistung von 1.500 Kilometer auf. Der geschädigte Verbraucher erhält nach Anrechnung der Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 6.800 Euro für die gefahrenen ca. 35.500 Kilometer rund 51.000 Euro Schadenersatz. Die Klage stützte sich darauf, dass bei dem Mercedes V 220 gleich mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen. 

Zuvor hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf für das Modell im Zusammenhang mit dem Emissionskontrollsystem (SCR-System) angeordnet. Darunter versteht man die selektive katalytische Reduktion, englisch: „selective catalytic reduction“. Das bezeichnet eine Technik zur Reduktion von Stickoxiden in Abgasen und wird im Dieselskandal zur Manipulation eingesetzt. Wenn die Software erkennt, dass das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand steht, wird die Abgasnachbehandlung mit SCR-Katalyse durchgeführt, sodass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden, bei normaler Bewegung hingegen wird diese abgeschaltet. Das bedeutet: Im realen Straßenverkehr sind die Funktionen deaktiviert, so dass die Stickoxid-Emissionen deutlich angsteigen. Zudem wird die  Abgasrückführung außerhalb eines Thermofensters von sieben bis 30 Grad abgeschaltet. Damit ist ein Temperatur-Korridor gemeint, in dessen Rahmen die Abgasverarbeitung funktioniert. Unter und über bestimmten Temperaturen wird die Abgasbehandlung mit dem Argument des Bauteilschutzes vor Überhitzung rigoros abgeschaltet, sodass die tatsächlichen Ausstöße weit über dem der offiziellen Testphasen liegen. 

Natürlich hat die Daimler AG die Vorwürfe vor dem Landgericht Stuttgart bestritten, konnte sie aber einmal mehr nicht widerlegen. Durch das Vorliegen mindestens einer illegalen Abschalteinrichtung hat die Daimler AG den Verbraucher vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und sich damit nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Auch wenn das Kraftfahrt-Bundesamt keine detaillierten Gründe für den Rückruf des Fahrzeugs veröffentlicht hat, war für das Gericht klar, dass dieser Rückruf aufgrund einer unzulässigen Steuerung des Emissionskontrollsystems erfolgt ist, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde. Da das KBA keine Details genannt habe, könne vom Kläger nicht verlangt werden, dass er darlege, welche Steuerungsfunktion Gegenstand des Rückrufs war und wie diese Funktion genau funktioniere, führt Dr. Hartung die Argumente des Gerichts weiter aus. Damit liege hier ein weiteres verbraucherfreundliches Urteil vor und zeige deutlich, dass Betrugshaftungsklagen gegen die Daimler AG sehr erfolgversprechend sind. 

Für den Rechtsanwalt bedeutet das: „Die Daimler AG steht mitten im Feuer des Diesel-Abgasskandals. Zuletzt hat das Unternehmen einen weiteren offiziellen Rückruf von Fahrzeugen durch das Kraftfahrt-Bundesamt hinnehmen müssen, und zwar für die E-Klasse mit dem Motor OM651. Mit dem Rückruf-Bescheid wächst die Zahl der Autos und Vans, die Daimler wegen des Vorwurfs einer illegalen Abschalteinrichtung zurückrufen musste oder muss auf mehr als 1,5 Millionen, davon weit mehr als 600.000 in Deutschland.“ Besonders betroffen sind neben dem OM651 die Motoren des Typs OM642, OM622, OM607, OM626 und OM654. Diese sind vor allem in älteren Modellen der A-, B-, C-, E- und S-Klasse von Mercedes-Benz mit der Abgasnorm Euro 5 verbaut. Das Kraftfahrt-Bundesamt stuft die in den Fahrzeugen verwendete Technik als illegale Abschalteinrichtung ein. 

Zuletzt wurde auch öffentlich, dass das Mercedes-Benz-Flaggschiff S-Klasse auch vom Dieselskandal betroffen ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat in dem Premium-Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt und einen überwachten Rückruf angeordnet. Davon betroffen sind die Modelle S 350 BlueTEC, S 350 d, S 350 BlueTEC 4MATIC und S 350 d 4MATIC. In diesen Fahrzeugen ist der Dieselmotor OM642 verbaut. Dieser wird seit März 2005 in verschiedenen Leistungsstufen hergestellt und in zahlreichen Mercedes-Baureihen eingesetzt, von vielen Modellen der C- und E-Klasse über die SUV-Modelle G, GL, GLK und ML bis hin zur R-und S-Klasse sowie dem Sprinter und dem Viano im Transportersegment. 

Interessanterweise bezieht sich das Landgericht Stuttgart auch auf die sekundäre Darlegungslast des Autoherstellers. Der Konzern muss im Daimler-Dieselskandal zur Abgastechnologie Stellung nehmen. Im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast müsse das Unternehmen detailliert die Funktionsweise des Abgasrückführungssystems und die damit einhergehende Veränderung der Ergebnisse bei den Abgasgrenzwerten erklären. Es könne sich nicht hinter Betriebsgeheimnissen verstecken. Das Landgericht Hamburg hat in diesem Zusammenhang vor einigen Wochen vorgelegt: „Wenn ein Landgericht die Daimler AG auffordert, genau zu der verwendeten Abgastechnologie Stellung zu nehmen, erhöht das den Druck auf den Autokonzern maßgeblich. Die Daimler AG muss sich jetzt proaktiv entlasten und kann sich nicht hinter Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen verstecken“, betont Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.



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