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Nicht jede Stellenanzeige ist diskriminierend

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

[image]Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kann Arbeitgebern die Stellensuche schwer machen. Schon diskriminierend formulierte Stellenanzeigen können einen Schadensersatzanspruch der Bewerber begründen.

Seitdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierung ausdrücklich verbietet, können Betroffene Schadensersatz fordern. Ein klassischer Fall, wo Diskriminierung vorkommen kann, ist das Bewerbungsverfahren. Von der Stellenanzeige bis zur Absage kann eine Diskriminierung vorkommen.

Dem entsprechend hat sich durch das AGG auch eine lukrative Einnahmequelle für sogenannte AGG-Hopper eröffnet. Diese bewerben sich nur, um später wegen einer diskriminierenden Stellenanzeige Schadensersatz fordern zu können. Ob eine Diskriminierung tatsächlich vorliegt, entscheiden die Gerichte bei jedem Rechtsstreit einzeln, indem sie die jeweiligen Umstände konkret bewerten.

Bewerbung einer Softwareentwicklerin

Welche Gesichtspunkte die Richter bei der Beurteilung berücksichtigen, macht ein Berufungsverfahren beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein deutlich: Eine russische Softwareentwicklerin hatte sich auf mehrere Stellenanzeigen einer Firma vergeblich beworben. Eine Absage hatte sie jedoch nur auf ihre erste Bewerbung erhalten. Weil die Firma nicht auf ihre anderen Stellengesuche geantwortet hat, fühlte sich die Frau diskriminiert und forderte insgesamt 18.000 Euro Schadensersatz.

Ethnische Diskriminierung

Zunächst mussten die Arbeitsrichter feststellen, ob die Stellenanzeige im vorliegenden Fall diskriminierend im Sinn des AGG war. Als Erstes hatte sich die Frau auf eine ethnische Diskriminierung wegen ihrer russischen Herkunft berufen, weil in der Anzeige „ausgezeichnete Deutsch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift" gefordert wurden. Dagegen brachte die Firma vor, diese Kenntnisse seinen für die zu besetzenden Stellen für eine gute Kommunikation mit Kunden und Kollegen notwendig. Das LAG schloss sich dieser Meinung an und verneinte hier eine Diskriminierung. Denn die Sprachkenntnisse entsprachen dem Anforderungsprofil der Stelle. Zudem waren die jeweiligen Stellen mit Bewerbern mit deutscher, kamerunischer und arabischer Herkunft besetzt worden.

Diskriminierungsgrund Geschlecht

Weil in der Anzeige lediglich im Titel die weibliche Bezeichnung erwähnt wurde und im weiteren Text nur noch von „Softwareentwicklern" die Rede war, fühlte sich die Bewerberin aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Das reichte den Arbeitsrichtern aber nicht aus. Auch ihr Argument, in der Branche würden lediglich 18,75 Prozent Frauen beschäftigt, erachtete das LAG nicht als ausreichendes Indiz auf eine diskriminierende Personalpolitik.

Ungleichbehandlung wegen des Alters

Die Formulierungen „dynamisches Team", „hohe Belastbarkeit in einem sehr dynamischen Umfeld" und „arbeiten in einem hoch motivierten und dynamischen Team von Softwareentwicklern" deuteten nach Meinung der Bewerberin, die 1961 geboren worden war, auf eine Altersdiskriminierung hin. Das sah die 2. Kammer aber anders. Nach ihrer Ansicht war „dynamisch" nicht altersbezogen zu verstehen. Damit sollte lediglich deutlich gemacht werden, dass für die Stelle bewegliche und aktive Mitarbeiter gesucht würden.

Gerechtfertigte Ablehnungsgründe

Die beklagten Personaler überzeugten das Gericht, dass sie die Bewerberin abgelehnt hatten, weil sie zwar theoretische, aber keine praktischen Kenntnisse in der Programmiersprache Java vorweisen konnte. Zudem stellte sich vor Gericht heraus, dass sie mehr als zehn Jahre nicht mehr als Softwareentwicklerin gearbeitet hatte. Zwar hätte der Arbeitgeber durchaus nicht nur die erste Bewerbung absagen müssen. Allerdings konnte das Gericht neben der Nichtbeantwortung keine weiteren Indizien feststellen, die auf eine Diskriminierung hindeuteten.

Missbräuchliche Bewerbung

Der Arbeitgeber brachte vor, dass die Bewerbung gar nicht ernst gemeint sei, weil sich die Frau sehr oft und bundesweit auf entsprechende IT-Stellen beworben habe und danach Schadensersatzansprüche geltend mache. Die Bewerberin beteuerte, sie würde lediglich versuchen, wieder im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Weil der Arbeitgeber keine weiteren Nachweise vorlegen konnte, kam das Gericht zu dem Schluss: Die Softwareentwicklerin war keine AGG-Hopperin.

(LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 13.11.2012, Az.: 2 Sa 217/12)

(WEL)
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