Nicht vom Chefarzt selbst operiert: Anspruch auf Schmerzensgeld?
- 2 Minuten Lesezeit
Medizinische Eingriffe sind eine schwierige Sache und nicht immer sind die Patienten mit ihrem Behandlungsergebnis zufrieden. Das gilt insbesondere, wenn eine Operation von einem anderen Arzt vorgenommen wurde, als dies zuvor besprochen war.
Ob sich ein Krankenhaus in diesem Fall darauf berufen kann, dass sich am Behandlungsergebnis nichts geändert hätte, wenn tatsächlich der Chefarzt operiert hätte, musste nun der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Erwartung des Patienten nach Operation nicht erfüllt
Der Kläger verlangte nach einer chirurgischen Handoperation Schmerzensgeld. Trotz ausdrücklicher Vereinbarung einer Chefarztbehandlung hatte in dem Krankenhaus die Operation letztlich nur der stellvertretende Oberarzt durchgeführt. Außerdem waren nach der OP erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen an der operierten Hand aufgetreten.
Ein Schmerzensgeld wollten das Krankenhaus und die beteiligten Ärzte dennoch nicht zahlen. Sie meinten vielmehr, das Ergebnis wäre auch nicht anders ausgefallen, wenn der Chefarzt den Eingriff selbst durchgeführt hätte. Ergänzend bestätigte ein medizinisches Sachverständigengutachten, dass die Operation durch den Oberarzt ohne fachliche Fehler durchgeführt worden war.
Grundrechtsverstoß wegen fehlender Einwilligung
Trotzdem bleibt eine – auch handwerklich fehlerfrei ausgeführte – Operation ohne rechtsgültige Einwilligung des Patienten widerrechtlich. Denn auch ein medizinisch fachgerechter Schnitt mit dem Skalpell verletzt mindestens Haut und Gewebe des Patienten und ist daher grundsätzlich nur mit seiner Einwilligung zulässig.
Fehlt diese, liegt ein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und letztlich auch gegen das zur Menschenwürde gem. Art. 1 GG gehörende Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen vor.
Der Wille des Patienten ist von Ärzten zu respektieren
Eine wirksame Einwilligung zu der Operation hatte der Kläger hier offenbar nur bezogen auf die Durchführung dem Chefarzt erteilt. Nur dieser hätte – natürlich unterstützt von einem Operationsteam – den medizinischen Eingriff vornehmen dürfen, wobei mindestens die medizinischen Kernleistungen von ihm persönlich hätten erbracht werden müssen.
Vor der Operation durch einen anderen als den gewünschten und besprochenen Arzt, muss grundsätzlich eine dahingehende rechtzeitige Aufklärung erfolgen. Dann kann der Patient neu entscheiden, ob er die Behandlung auch unter diesen Umständen wünscht oder nicht.
Über die Bestimmung eines Patienten, von einem ganz konkreten Mediziner – wie in diesem Fall dem Chefarzt und insbesondere unter Zahlung eines zusätzlichen Honorars – operiert zu werden, dürfen sich auch die „Halbgötter in Weiß“ nicht einfach hinwegsetzen.
Schmerzensgeldanspruch noch nicht entschieden
Könnten sich das Krankenhaus und die Ärzte darauf berufen, dass die Operation ja fehlerfrei verlaufen war, bliebe ein solches Ignorieren des Patientenwillens aber ohne Sanktion. Das kann nicht sein, meinten die Richter am BGH im Rahmen der Revision – sie hoben die vorangegangenen klageabweisenden Entscheidungen daher auf.
Nun muss das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz erneut entscheiden, ob und in welcher Höhe in diesem konkreten Fall tatsächlich ein Schmerzensgeldanspruch besteht.
(BGH, Urteil v. 19.07.2016, Az.: VI ZR 75/15)
(ADS)
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