Ohrfeige und Schulden? Muss der Vermieter (machmal) dulden!

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Im Recht geht es immer um den Ausgleich von Interessen. Dabei müssen die Gerichte moderierend und umsichtig verfahren, um jeder Partei gerecht zu werden. Weil das nicht einfach ist, sind Gerichte manchmal allerdings etwas zimperlich. Dies veranschaulicht ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des LG Karlsruhe (20.05.2014 – 9 S 30/14 – juris).

Was war passiert?

Die Beklagte (Mieterin) erhielt von der Klägerin (Vermieterin) die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung ihrer Wohnung. Dies begründete die Klägerin im Wesentlichen zweifach:

  1. Die Beklagte schuldete der Klägerin gut 1.000 Euro, weil die Beklagte durch ihr Verhalten eine begründete Mietminderung der Nachbarin verursacht hatte. Die Klägerin bekam also von der Nachbarin 1.000 Euro Miete weniger und nahm die Beklagte auf diese Summe erfolgreich (!) in Regress, die Beklagte zahlte aber einfach nicht.
  2. Die Beklagte ärgerte sich über eine Nachbarin, die beim Flurputzen eine Fußmatte nicht ausgeschüttelt hatte, so sehr, dass sie ihr eine schmerzhafte Ohrfeige verpasste. Die beiden Frauen waren allerdings vorher schon zerstritten und eine Stunde nach der Ohrfeige sah man keine äußeren Verletzungsfolgen mehr.

Aus diesen Gründen wollte die Klägerin die Beklagte nicht länger als Mietpartei dulden und kündigte – denn doppelt eben besser hält – der Beklagten fristlos und hilfsweise ordentlich.

Keine dieser Kündigungen hatte vor Gericht über zwei Instanzen Bestand. Das Gericht sieht – unter Betonung des Einzelfalls – hier keinen Grund zur einseitigen Lösung des Mietverhältnisses durch den Vermieter. Im Einzelnen:

  1. Das Gericht betont mehrfach, dass eine Tätlichkeit unter Mietern grundsätzlich nicht zu tolerieren sei und regelmäßig eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertige. Jedoch verlange das Gesetz, dass auch bei Tätlichkeiten eine Interessenabwägung vor fristloser Kündigung vorzunehmen sei. Das Interesse des Vermieters an der Lösung des Mietverhältnisses muss also dem Interesse des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses gegenübergestellt werden, auch wenn der Mieter gegen seine Pflichten aus dem Mietverhältnis verstoßen hat. Im Rahmen der Interessenabwägung wird dann aus der unstreitig schmerzhaften Ohrfeige eine „kleine Rangelei“, und nicht jede solche rechtfertige eine fristlose Kündigung. Ganz Justitia mit der Waagschale in der Hand, erkennt das Gericht, es handle sich dabei zwar um eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuchs, diese habe aber „lediglich ein geringes Gewicht“. Schließlich sei das Verhältnis vorher schon zerrüttet gewesen, nach einer Stunde habe man von der Ohrfeige schon nichts mehr gesehen und es sei ja auch nicht wieder vorgekommen. Das alles zusammen wiegt nicht viel. Das Gericht bekräftigt zwar, dass nicht der Eindruck entstehen solle, jeder Mieter habe „eine Gewalttätigkeit frei“, aber es gebe Fälle, in denen ausnahmsweise eine solches Verhalten als „unerheblich“ angesehen werden müsse.
  2. Die Schulden bei der Vermieterin hätten zwar ihren Grund im Mietverhältnis, aufgrund ihrer Zusammensetzung und der Gesamtumstände wiegen aber auch diese nicht schwer genug, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
  3. Auch eine Zusammenschau der Verfehlungen der Beklagten rechtfertige die fristlose Kündigung nicht. Auch hier sei eine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese ergebe, dass die Beklagte, welche die Nachbarin ohrfeigte und ihre Schulden bei der Vermieterin einfach nicht bezahlte, „nicht in einer der Abmahnung vergleichbaren Weise vorgewarnt“ gewesen sei, von der Kündigung also gleichsam völlig unvorbereitet überrascht wurde. Auch die ordentliche Kündigung sei mangels Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle nicht berechtigt.

Was lernen wir daraus?

Das ganze Wiegen hat immer auch etwas Irrationales. Was manchem noch als Petitesse erscheint, sorgt bei anderen für Empörung. Dies ist letztendlich subjektiv und mehr objektiver Wesensgehalt lässt sich Justitias Wiegeoperationen auch nicht entnehmen. Damit Sie, liebe Vermieter, nicht als Leichtmatrosen auf hoher See resp. vor Gericht scheitern, gibt es nur eines: Zeigen Sie sich abmahnfreudig! Sammeln Sie – ruhig kleinlich – alle Pflichtverletzungen unliebsamer Mieter, dokumentieren Sie diese und warnen Sie Ihre Mieter, dass Sie sich nicht alles gefallen lassen und notfalls das Mietverhältnis beenden werden. Denn eines zeigt diese mieterfreundliche Entscheidung: Einen unliebsamen Vermieter kriegen sie ohne akribische Vorbereitung nicht so einfach raus. Damit der Grundsatz wieder richtig heißt: Ohrfeige und Schulden? Muss kein Mensch dulden!


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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