OLG Hamm (mit fehlerhafter Begründung) zum Parken in einer Umweltzone ohne erforderliche Plakette

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Das OLG Hamm hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein PKW mit einer Umweltplakette, auf welcher ein anderes Kennzeichen vermerkt war, in einer Umweltzone geparkt wurde.

Dabei war das OLG Hamm zunächst zutreffend der Auffassung, dass zum einen auf der Plakette i.S.v. § 3 35. BImSchV i.V.m. Nr. 46 zu Anl. 2 zur StVO (§ 41 StVO) das aktuelle Kennzeichen des jeweiligen Fahrzeugs eingetragen sein muss.

Die Rechtsauffassung des OLG Hamm, das Parken eines Fahrzeuges ohne gültige Plakette i.S.v. § 3 35. BImSchV i.V.m. Nr. 46 zu Anl. 2 zur StVO (§ 41 StVO) in einer Umweltzone ordnungswidrigkeitenrechtlich nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO geahndet werden kann, geht jedoch zu weit und war auch im entschiedenen Fall gar nicht relevant. Im entschiedenen Fall hatte das AG (mit Datum und Uhrzeit) festgestellt, dass der Betroffene den PKW zuvor in der Umweltzone geparkt hatte. Damit wurde der PKW zuvor geführt, auf die Frage, ob auch das Parken eine Teilnahme am Verkehr im Sinne der Vorschrift ist, kam es demnach nicht an.

Das OLG Hamm war dennoch der Meinung hierzu Ausführungen tätigen zu müssen und beschloss, auch ein abgeparktes Fahrzeug nähme „am Verkehr teil". Teilnahme am Straßenverkehr meine auch das Parken. Dies ergebe sich schon aus der herkömmlichen Definition zu § 1 Abs. 1 StVO, wonach sich verkehrserheblich verhält, wer körperlich und unmittelbar durch aktives Tun oder Unterlassen auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt, wozu auch das Abstellen des Fahrzeugs im Verkehrsraum oder das Parken gehöre. Diese Auffassung werde auch bestätigt durch die Formulierung von Nr. 153 Abschnitt 1 BKatV in der seit dem 1. Februar 2009 geltenden Fassung („am Verkehr teilgenommen"). Hierdurch solle auch der ruhende Verkehr erfasst werden (BR-Drucks. 428/12 S. 155 f.). Der bußgeldbewehrte Verstoß liege in der bloßen Teilnahme am Verkehr in dem soeben geschilderten Sinn, unabhängig davon, ob das Fahrzeug materiell unter die Freistellungsregelung fallen könnte oder nicht.

Nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO handelt ordnungswidrig i.S.d. § 24 StVG, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 41 Abs. 1 StVO ein durch Vorschriftszeichen angeordnetes Ge- oder Verbot der Anlage 2 Spalte 3 nicht befolgt. Nr. 44 der Anlage 2 enthält das Verbot der Teilnahme von Kraftfahrzeugführern am Verkehr in gekennzeichneten Umweltzonen.

Damit ist - da die Vorschrift in der Umweltzone die Luftreinheit sichern soll - nach dem Regelungsgehalt der Vorschrift nur auf das Fahren abzustellen (vgl. Hentschel, StraßenverkehrsR, § 25a StVG, Rn. 5; AG Bremen, Urteil vom 23.06.2009 - 94 OWi 348/09; AG Frankfurt NStZ-RR 2009, 353; Sandherr, DAR 2008. 409.f) und daher restriktiv auszulegen (Sandherr, DAR 2008. 409f.). Ein parkender PKW verursacht schlicht keine Immissionen. Damit kann von der Vorschrift ein parkendes - weil gar nicht betriebenes Fahrzeug - nicht erfasst werden. Aus diesem Grunde greift für derartige Verstöße auch die Halterhaftung des § 25a I StVG nicht (AG Frankfurt NStZ-RR 2009, 353).

Gerade auch das Abstellen auf die Gesetzesbegründung greift zu kurz. Die Novellierung im Jahre 2009 hat die vorherige Formulierung, wonach auf das „Führen" abgestellt wurde durch die „Teilnahme am Verkehr" ersetzt. Die Teilnahme am Verkehr kann somit im Sinne dieser Regelung nur durch aktive Teilnahme (ähnlich dem Führen) verstanden werden.

Das OLG arbeitet auch unsauber, wenn es zur Begründung auf Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 1 StVO Rdnr. 17 verweist. Dort wird zwar ebenfalls vertreten, auch parkende PKW nähmen am Verkehr teil, jedoch nur im Zusammenhang mit § 1 StVO. An der entscheidenden Stelle vertritt Hentschel nämlich exakt die gegenteilige Auffassung des OLG, das Verkehrsverbot in Umweltzonen (Z. 270.1) sei nämlich gerade nicht dem ruhenden Verkehr zuzuordnen (Hentschel, StraßenverkehrsR, § 25a StVG, Rn. 5).

Die Auslegung des OLG Hamm ist schlicht eine unzulässige Verbiegung des Tatbestandes.

Das OLG Hamm hat im Beschluss auch ausgeführt, von welchen Gründen es sich hat (ver-)leiten lassen. So führt es aus:

„Viele Beiträge zur Schadstoffbelastung durch unberechtigte Fahrzeuge ohne Ausnahmegenehmigung i.S.v. Nr. 46 der Anlage 2 zur StVO könnten nicht verhindert werden, wenn bei einem parkend oder sonst nicht mit laufendem Motor im öffentlichen Verkehrsraum angetroffenen Fahrzeug jeweils darauf gewartet werden müsste, dass der Motor in Betrieb gesetzt wird, obwohl - von eher unwahrscheinlichen Ausnahmen (wie etwa dem Transport des betreffenden Fahrzeugs mittels Anhänger in oder durch die Umweltzone etc.) - im Regelfall klar ist, dass das betreffende Fahrzeug mittels Motorkraft bewegt wurde bzw. werden wird und damit auch einen unerwünschten Beitrag zur Schadstoffbelastung leistet. Damit würde der Luftreinhaltungszweck dieser Regelungen letztlich nicht unerheblich geschwächt."

Diese Annahme des OLG Hamm ist zwar zutreffend, kann jedoch nicht als Argument herangezogen werden, frei nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel", oder deutlicher „wenn wir es nicht oder nur schwer kontrollieren könne, verbiegen wir uns den Tatbestand solange bis es leichter wird". Es ist zutreffend, dass die Ahndung bei restriktiver (richtiger) Auslegung schwierig wird. Hierzu gibt es jedoch in der StVO eine Fülle an Beispielen, z.B. das „Unnütze Hin- und Herfahren (§ 30 Abs. 1 StVO) oder die Erlaubnis zur Benutzung einer Straße nur durch Anlieger. All diese Regelungen sind in der Praxis kaum bis gar nicht zu kontrollieren oder ahnden, auch hier kann nicht schlicht ein „wahrscheinlicher" Verlauf unterstellt werden.

Im vorliegenden Fall war klar, dass das Fahrzeug zuvor in der Umweltzone geführt wurde und dort sodann abgestellt wurde, das Amtsgericht hatte entsprechende Feststellungen getroffen. Die Entscheidung des Amtsgerichts war daher richtig. Diese Feststellung des Amtsgerichts hätten vollständig genügt, den Bußgeldtatbestand zu erfüllen. Bei einem lediglich geparkten PKW kann - ohne weitere Feststellungen - jedoch nicht unterstellt werden, der PKW wäre zuvor mit Motorbetrieb in der Umweltzone gefahren worden. Der PKW kann - hierauf hat das OLG selber hingewiesen - nämlich auch dorthin geschleppt worden sein. Dies mag ein seltener Fall sein, die Tatsache, dass eine - wenn auch seltene - Möglichkeit eines alternativen Geschehensverlaufs besteht, rechtfertigt jedoch keine Unterstellung eines „wahrscheinlichen" Verlaufs zu Lasten des Betroffenen.

Somit ist zwar auch das Ergebnis der Entscheidung des OLG zutreffend - die Begründung demgegenüber gänzlich misslungen.

Betroffene sollten daher entsprechende Bußgeldbescheide nicht akzeptieren.

(Entscheidung: OLG Hamm, Beschl. v. 24.09.2013 - 1 RBs 135/13)



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