Person im Pflegeheim oder Krankenhaus mit Corona infiziert und gestorben: Ansprüche der Angehörigen!

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Fast täglich hört man von Fällen, in denen sich Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen mit dem Coronavirus infiziert haben und in Folge dieser Infektion verstorben sind. Für die Angehörigen oftmals ein Schock! Schnell kommt die Frage auf, wie das passieren konnte und wer die Verantwortung dafür trägt. Gerade die vom Coronavirus am meisten bedrohte Bevölkerungsgruppe scheint hier offensichtlich nicht ausreichend gegen eine Infektion geschützt worden zu sein. Ein grobes Versagen des Heim- bzw. Krankenhausbetreibers?

Können Angehörige des Opfers Ansprüche gegen den Krankenhaus- oder Pflegeheimbetreiber geltend machen, weil dieser nicht die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat? Bei dieser Frage hat das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 14.01.2021 (Az. III ZR 168/19) ein Stück Licht ins Dunkle gebracht.

 

BGH: Sicherungspflichten des Heimträgers auch bei unwahrscheinlichen Gefahren, wenn diese zu besonders schweren Folgen führen können

Der BGH hatte vorliegend über das Maß der Sicherungspflichten eines Pflegeheimbetreibers zu entscheiden. In dem zu entscheidenden Sachverhalt ging um einen demenzkranken Bewohner des Pflegeheims, der aufgrund seiner schweren Erkrankung aus dem nicht gesicherten Fenster aus dem zweiten Obergeschoss gestiegen und an seinen Verletzungen verstorben war. Angehörige hatten nach dessen Tod, Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gegenüber dem Pflegeheim geltend macht.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 14.01.2021 nun festgestellt, dass der Heimbetreiber die Pflicht hat, die Bewohner vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen. Welchen konkreten Inhalt die Pflicht hat, ist aufgrund einer Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Dabei muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen.

 

Ältere Personen der besonderen Gefahr ausgesetzt, an einer Infektion mit dem Coronavirus zu sterben

Das Robert-Koch-Institut hatte die Folgen der ersten Corona-Welle analysiert. Daraus ergab sich, dass fast jeder zweite Erkranke der über 80 Jährigen in einem Krankenhaus behandelt werden musste und jeder dritte Covid-19-Patient dieser Altersgruppen an der Krankheit verstarb.

Wie auf tagesschau.de kürzlich zu lesen war, ist aktuell in Rheinland-Pfalz und Hamburg etwa jedes fünfte Seniorenheim betroffen. In Nordrhein-Westfalen ist immerhin jedes sechste und in Brandenburg jedes zehnte Heim betroffen.

Offensichtlich sind betagte Einwohner in Alten- und Pflegeeinrichtungen der besonderen Gefahr ausgesetzt, sich innerhalb der Pflegeeinrichtung mit dem Coronavirus zu infizieren und daran zu versterben.

 

Was bedeutet das Urteil für die jetzige Corona-Situation?

Für die Frage von Schmerzensgeldansprüchen von Angehörigen könnte die Entscheidung des BGH entscheidende Argumente liefern.

Wie der BGH in seinem Urteil feststellt, trifft Heim- und auch Krankenhausbetreiber besondere Sicherungspflichten, um ihre Bewohner oder Patienten vor Gefahren zu schützen. Eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu schweren Folgen führen kann, ist dabei ausreichend. 

Dass die Gefahr einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus offensichtlich „nicht nur unwahrscheinlich“ ist, zeigen die Zahlen und Schreckensmeldungen aus den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Leider endet eine solche Infektion oftmals folgenreich mit dem Tod des Betroffenen.

Umso höhere Anforderungen sind dementsprechend an die Sicherungspflichten von Pflegeheim- und Krankenhausbetreibern zu stellen, um dafür Sorge zu tragen, dass keine Infizierung oder Ansteckung mit dem Corona-Virus bei ihren Bewohnern bzw. Patienten stattfindet.

Dass diese Sicherungspflichten offensichtlich nicht immer ausreichend sind oder verletzt werden, belegen die erschreckenden Zahlen aus den jeweiligen Einrichtungen.

 

Schmerzensgeld von Angehörigen gegen die Pflegeeinrichtung bzw. das Krankenhaus

Wir beurteilen die Möglichkeit von Angehörigen Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem Heim- bzw. Krankenhausbetreiber durchzusetzen, durchaus als realistisch.

In seinem Urteil hatte der BGH über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Angehörigen auf die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete war.

Betroffenen Angehörigen raten wir in dieser Situation, sich von den Heim- oder Krankenhausleitungen nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos abspeisen zu lassen, sondern aktiv ihre Rechte einzufordern.

 

Über die Kanzlei Mutschke

Frau Rechtsanwältin Nicole Mutschke ist eine gefragte Rechtsexpertin in Fragen rund um das Coronavirus und deutschlandweit bekannt aus den Medien. Die Kanzlei Mutschke berät ihre Mandanten bundesweit engagiert und kompetent in allen Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus.



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