Privat krankenversichert - ruiniert durch Hartz IV-Bezug

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Mittlerweile treten in meiner Beratungspraxis immer mehr SGB II-Fälle auf, wo die Betroffenen Opfer einer völlig verunglückten gesetzlichen Regelung der Gesundheitsstrukturreform für Privatversicherte sind.

Weitgehend unbemerkt ist am 01.01.2009 eine Gesetzesänderung mit weitreichenden finanziellen Folgen für Hartz IV-Bezieher, die unmittelbar vorher privatversichert waren, in Kraft getreten. Nach dem neuen § 5 Abs. 5 a SGB V, der bereits in den Gesetzesberatungen 2007 zum Gesundheitsreformgesetz Gegenstand heftigen Streits war, ist dieser Personenkreis nicht mehr, wie die meisten Hartz IV-Leistungsempfänger, gesetzlich krankenversichert.

Es ist gesetzlich angedacht, dass er in den neuen Basistarif gem. § 14 VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) wechselt. Dieser kostet in der Regel den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung, z. Zt. ca. 570 €. Nach dieser Vorschrift wird für Hartz IV-Bezieher dieser zwangsweise zu Lasten der PKV halbiert. Die Jobcenter und ARGEn tragen jedoch nur den Höchstbetrag für SGB II-Bezieher von z. Zt. 129,64 €. Es verbleibt eine Lücke von 155 € für die niemand zuständig ist und die vom Regelsatz von derzeit 359 € zu zahlen ist, wenn kein Zusatzeinkommen (Aufstocker) vorhanden ist, von dem der Betrag abgesetzt werden kann.

Die Folge ist, dass der Basistarif nach Ansicht der PKV aufgrund des Zahlungsverzuges ruht, wobei der Gesetzgeber dann in § 193 VAG interessanterweise einen Notversicherungsschutz für Akuterkrankungen anordnet. Die Privatversicherer müssen dadurch faktisch kostenlos versichern, was diese sich nicht bieten lassen. Die privaten Krankenversicherer leiten konsequent wegen des Beitragsrückstandes das Mahnverfahren und die Zwangsvollstreckung ein. Hier entstehen gravierende  Folgekosten. Dann kommt der Gerichtsvollzieher und es droht der "Offenbarungseid". Das Problem ist im zuständigen Ministerium bekannt, wobei man Abhilfe prüft. Es ist skandalös, dass die ungelösten Probleme mit den Privatversicherern in Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen wehrlose Hart IV-Betroffene, oftmals alleinerziehende Mütter, verlagert werden.

Es wird Betroffenen dringend empfohlen, gegen ablehnende Bescheide der Jobcenter und Sozialämter auf Beitragsübernahme Widerspruch einzulegen. Eine Mindestkrankenversicherung gehört nach dem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 - zum Existenzminimum. Dies ist ein unabweisbarer Bedarf, der in verfassungskonformer Auslegung des § 23 Abs. 1 SGB II als sog. Nulldarlehen (Darlehen mit gleichzeitigem Erlass gem. § 44 SGB II) oder durch  verfassungsgemäßer Erweiterung der § 23 Abs. 3 SGB II als Zusatzaufwand zu gewähren ist.


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