Kanzlei-Ratgeber Notwegerecht - Voraussetzungen und Grenzen - was darf ich verlangen, was kann ich ablehnen?

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Immer wieder treffen in der Immobilienrechts- und Verwaltungsrechts-Kanzlei der Rechtsanwältin Schuback bundesweit Beratungsbitten und Vertretungsaufträge ein zu streitigen Notwegerechten - mal möchte der eine Mandant ein Notwegerecht über das Grundstück des Nachbarn durchsetzen - mal möchte der andere Mandant das Verlangen des Befahrens des eigenen Grundstücks abwehren. Wie sind die Grundlagen dazu?

1. Was ist ein Notwegerecht?

Ein Notwegerecht ist ein eingeschränktes Recht, welches nur dann greift, wenn gar keine andere Möglichkeit besteht für einen Grundstückseigentümer, sein eigenes Grundstück zu erreichen ohne über das Grundstück des  Nachbarn queren zu müssen. Das Gesetz hat dieses Notwegerecht in § 917 BGB geregelt. Was gilt danach? 

Nach § 917 BGB hat ein Grundstückseigentümer es zu dulden, dass sein Nachbar über das Grundstück quert, wenn dem Nachbar-Grundstück eine eigene, ordnungsmäßige, Verbindung zum nächsten erreichbaren öffentlichen Weg fehlt. 

In dem Fall kann dann der abgelegene Grundstückseigentümer es verlangen, dass  bis zur Behebung des Mangels  er über das Grundstück des Nachbarn - oft also des vorderliegenden Grundstücks -, queren darf. 

2. Was sind ausreichende öffentliche Wege?

Irrglaube 1: es gibt zwar einen schmalen Weg, der ist aber nicht mit dem Auto befahrbar

Oft wird angenommen, dass ein Notwegerecht automatisch auch ein Fahrrecht mit einem PKW sei.

Dies ist ein Irrglaube. Ausreichend ist jeder öffentliche Weg, mit dem man zum ungünstig belegenen Haus gelangt - es reicht nicht, dass ein Straße für einen PKW fehlt. Ist ein öffentlicher, für die Allgemeinheit eröffneter, Weg, z.B. ein Fußweg/Feldweg oä. vorhanden, scheidet ein Notwegerecht zum Befahren mit PKW über das Nachbargrundstück oftmals aus.

Die Urteile der Gerichte sind hierbei individuell sehr unterschiedlich - mal wird vom Gericht auch ein Fahrrecht mit PKW als notwendig mit angeordnet, mal wird dies abgelehnt, wenn man das ungünstig liegende Haus zu Fuß erreichen kann über einen Weg. Die Rechtsprechung dazu ist bei den Amts- und Landgerichten uneinheitlich. 

Irrglaube 2: es gibt einen Weg, der ist jedoch weiter und umständlich und unbequem

Auch dieser Irrglaube ist verbreitet. Fälle z.B. wie der im Coronajahr 2020 in der Kanzlei, wo der Nachbar der Mandantschaft in Nordrhein-Westfalen, sogar mit seinem PKW, zu seinem Haus durchaus gelangen konnte, jedoch einen ihm lästigen Umweg über zwei Straßen in andere Richtung zur Hauptstraße gehen  oder fahren musste - das ergibt wahrlich kein Notwegerecht über das Nachbargrundstück.  

Oder Fälle wie in Schleswig-Holstein, wo der Nachbar der Mandanten meinte, ihr Grundstück als Notwegerecht verlangen zu dürfen, weil der öffentlich mögliche Weg zu seinem Haus halt unbequem war, nämlich nur über einen unbefestigten Weg zu Fuß erreichbar war. Kein Notwegerecht, sein Haus ist auf öffentlichem Weg erreichbar.

Auch abgelehnt vom Gericht wurde ein Fall in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Nachbar der Mandanten verlangte, deren Grundstück beanspruchen zu dürfen für ein Fahrrecht mit PKW, selbst einen - wenn auch beschwerlichen - Fußweg über städtische Treppenstufen zu seinem Haus von der Straße aus hatte. Damit hatte er bereits eine öffentliche Zuwegung zu seinem Haus. 

Ebenso konnte in diesem Jahr 2023 bereits für einen Mandanten in Thüringen von der Rechtsanwältin Schuback ein Vollwege-Recht statt nur ein Notwegerecht vertraglich ausgearbeitet werden, weil die Nachbarschaft ansonsten keine gewünschten Detailregelungen hätte durchsetzen können.

3. Welchen Umfang hat ein Notwegerecht?

Irrglaube 3: ich möchte den Notweg genauso benutzen wie einen regulären Straßenweg

Hat nun ein ungünstig liegendes Grundstück tatsächlich einmal ein Notwegerecht zu beanspruchen mit einem PKW,  so denken viele, dass sie diesen  dann nach Belieben befahren können.

Das Notwegerecht ist - wie der Begriff schon sagt - auf das nur absolut nötigste Maß zu reduzieren - in der Regel heißt das: maximal einmal am Werktag, um zur Arbeit zu können,  oder im Notfall, um schwere Einkäufe kurz auszuladen, nicht aber für jeden Alltagseinkauf. Nicht umfasst ist es etwa, mehrmals am Tag hin und her zu fahren, wie man es auf dem eigenen Grundstück machen würde oder auf öffentlichen Fahrstraßen, nicht, dass auch weitere Personen, etwa Besucher, den Weg auch befahren dürfen dann.

Die Grenzen, welche Benutzung exakt konkret - nur - zulässig ist, in welchem Maße, wie oft, in welche Richtung, zu welchen Bedingungen, das alles ist fließend, und immer eine ganz konkrete Einzelfallfrage, die jeweils in jedem einzelnen Streitfall das Gericht entscheidet. 

Irrglaube 4: der Weg durfte früher benutzt werden

Manche Nachbarn, die ein Notwegerecht verlangen, berufen sich darauf, dass ihnen das ein früherer Eigentümer  des Nachbargrundstücks, „einfach so“ erlaubt hatte.  

Ein Notwegerecht muss notwendig sein, und wird immer für den aktuellen Zeitpunkt bewertet, je nach der örtlichen Lage und solange, bis eine andere öffentliche Zuwegung  entsteht.

Anders kann es jedoch wiederum aussehen, wenn ein Grundstück veräußert wird, und dadurch ein abgeschnittenes Hinterliegergrundstück entsteht - hierzu gibt es wieder gesetzlich andere Regelungen, die je Einzelfall dann beleuchtet werden müssen. 

4. Notwegerente

Irrglaube 6: das Notwegerecht muss unentgeltlich gestattet werden

Auch diese Ideen sind nicht nur weit verbreitet, sondern auch abwegig. Jegliches Recht, jegliche Leistung, welcher Art auch immer, so auch Wegerechte, ist nie unentgeltlich.  

Häufig werden den Mandanten der Kanzlei Schuback von Nachbarn entgegnet, dass der Notwegeberechtigte dafür „nichts zahlen will“. Weit gefehlt! 

Genau wie ein vertragliches Notwegerecht nur gegen Geldentschädigung gewährt und verkauft wird, ist auch ein gesetzliches Notwegerecht immer mit Notwegerente zu entschädigen.  

Das Gesetz sieht mithin in § 917 Abs. 2 BGB vor, dass dafür eine laufende Geldrente zu zahlen ist. Die Höhe legt dann das Gericht fest. 

Fazit

Diese und viele weiteren Streitfragen rund um die Notwegerechte sind in jedem Einzelfall stets individuell verschieden und rechtlich spannend mit meist offenem Ausgang beim Gericht, je nach Richterwürdigung, je nach Bundesland und nach der konkreten Lage. Man kann dabei argumentativ wie von der Anwaltsstrategie her oft durchaus viel gestalten und erreichen - und es gibt weitere alternative Lösungsmöglichkeiten meist.

Gern steht Ihnen Rechtsanwältin Schuback für eine Einzelfall-Rechtsberatung zur Verfügung. 

Es wird darauf hingewiesen, dass keine Abrechnungen seitens der Kanzlei mit Rechtsschutzversicherungen geführt werden, sondern wir stets direkt mit unseren Auftraggebern nach den üblichen jeweiligen rechtsgebietstypischen Honoraren abrechnen. Es kann jedoch gern jeder Mandant dann seine etwaige Rechtsschutzversicherung nach deren dortigen Vertragszuschüssen nach RVG selbst mit einbeziehen, wenn gewünscht.



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