Raub mit Todesfolge - Man muss nicht alles wissen

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Leichtfertig handelt man, wenn man bezogen auf den Todeseintritt mit einem erhöhten Grad an Fahrlässigkeit handelt. Dies heißt konkret, dass man die sich aufdrängende Möglichkeit des Todes aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Wie fahrlässig jemand handelt, hängt vom Umfang der Tatsachen ab, die man kennt und vom Grad der Vermeidbarkeit. Es hängt also davon ab, inwieweit sich dem Täter die Gefahr des Todes vor allem wegen der besonderen Opfersituation aufdrängen musste. Hierbei kann unbewusste Fahrlässigkeit genügen.

Ein Raub mit Todesfolge gem. § 251 StGB liegt vor, wenn der man durch den Raub wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht. In dem Tod muss sich die Gefahr des Raubes verwirklichen. Inwieweit dem Täter dabei die Gefahr bewusst sein muss, hatte der BGH in seinem Urteil vom 03.06.2015 – 5 StR 628/14 – zu entscheiden.

Der Fall:

Die Angeklagten überfielen die 82 Jahre alten Eheleute in deren Wohnung. Sie wollten Geld erbeuten. Sie lockten den Ehemann. aus der Wohnung, um ihn zu überwältigen. Bei der dabei ausgeübten Gewalt erlitt er eine Lockerung des Schneidezahns, eine Oberlippenschwellung und eine Einblutung am Mund. Sie fesselten seine Hände mit Kabelbindern auf den Rücken und drangen in die Wohnung ein. Dort stießen sie auf die schwer kranke Ehefrau. Als sie ihren gefesselten Mann wahrnahm, versuchte sie zweimal, einen Angeklagten mit ihrer Krücke zu schlagen. Dieser drohte ihr, zu schießen, wenn sie nicht auf der Couch sitzenbleibt.

Während ein Angeklagter mit einer Pistole das Ehepaar bewachte, durchsuchte der andere Angeklagte die Wohnung. Die Ehefrau saß auf dem Sofa und hatte vor lauter Angst einen Asthmaanfall. Deshalb geriet sie in Atemnot. Sie fragte nach ihrem Inhalationsgerät, was einer der Angeklagte verweigerte und stattessen Geld forderte.

Der Ehemann wollte seiner Frau helfen, wurde aber zum Sitzenbleiben gezwungen. Erst als einer der Angeklagten wahrnahm, dass die Ehefrau unter Atemnot litt, erlaubte er ihr die Benutzung des Inhalationsgerätes. Die Ehefrau konnte jedoch nur 3 oder 4 Atemzüge durch das Gerät nehmen. Dies brachte ihr keine Besserung. Sie rutschte vom Hocker, schnappte nach Luft und lief blau an. Der Ehemann sagte einem der Angeklagten, dass seine Frau jetzt einen Notarzt braucht anderenfalls sterben würde. Der Angeklagte verweigerte dies und rief „Nix Arzt. Geld oder Schießen“.

Der Ehemann fragte erneut nach dem Notarzt und erhielt eine ablehnende Antwort. Erst als er zum dritten Mal gefragt wurde, erkannte der andere Angeklagte, dass die Ehefrau dringend Hilfe braucht. Er löste die Fesselung. Der ganze Überfall dauerte ab dem Betreten der Wohnung 15 Minuten. Danach verließen die Angeklagten die Wohnung. Der Ehemann benachrichtigte den Notarzt. Die Ehefrau konnte nicht erfolgreich reanimiert werden. Sie starb in Folge des vom Asthmaanfall ausgelösten Herzinfarkts.

Landgericht Kiel sieht keinen Raub mit Todesfolge:

Das Landgericht Kiel entschied, dass zwar ein Raub, aber nicht ein Raub mit Todesfolge vorgelegen habe. 

In der Verweigerung, die Ehefrau inhalieren zu lassen, lag nach Ansicht des Landgerichts Kiel kein leichtfertiges Handeln. Die konkrete Lebensgefahr war für die Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich. Selbst der Ehemann erkannte zunächst in der Situation keine Lebensgefahr für seine Frau. Eine konkrete Lebensgefahr musste sich den Angeklagten nicht aufdrängen. Selbst wenn man die Verweigerung der Angeklagten, der Ehefrau nach ihrem Runterrutschen nicht zu helfen, als leichtfertig ansehen würde, ist das anfängliche Nichtreagieren auf die Forderung des Ehemanns nicht ursächlich für den Tod seiner Frau. Zu diesem Zeitpunkt war der Ehefrau schon nicht mehr abwendbar. Damit liegt keine Leichtfertigkeit im Sinne von § 251 StGB vor. Das Bedrohen mit der Pistole und das Auslösen des ersten Asthmaanfalles hatten den Tod nicht leichtfertig verursacht, weil die Asthmaerkrankung und damit die Lebensgefahr vorher nicht erkennbar waren.

BGH sieht alles anders:

Der BGH entschied, dass Leichtfertigkeit vorgelegen hätte. Leichtfertig ist demnach ein Verhalten, welches einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit in Bezug auf die Todesfolge aufweist. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn man die sich einem aufdrängende Möglichkeit des Todes aus besonderem Leichtsinn oder Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Der Grad der Fahrlässigkeit hängt vom Umfang ab, in welchem man die Tatsachen kennt und vom Grad der Vermeidbarkeit. Es kommt darauf an, in welchem Umfang sich die Gefahr des Todes aufdrängen musste. Hierbei reicht es aus, wenn man die Gefahr nur unbewusst realisiert. Nach Auffassung des BGH hatte das Landgericht Kiel nicht geprüft, ob eine unbewusste Fahrlässigkeit vorgelegen habe. Die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs lag für die Angeklagten nach Ansicht des BGH schon zu einem frühen Zeitpunkt auf der Hand. Die Ehefrau begann nach der Begegnung mit dem bewaffneten Angeklagten in höchster Angst zu schreien. Der Angeklagte konnte den gebrechlichen Zustand der alten Frau erkennen. Das Bedrohen mit einer Pistole kann auch ohne eine Asthmaerkrankung tödlich enden. Zu diesem Zeitpunkt hat er den Tod zumindest mit unbewusster Fahrlässigkeit verursacht, weil die Angeklagten die Todesgefahr erkennen mussten und leichtsinnig und gleichgültig der Ehefrau kein Inhalationsgerät gaben. Die Angeklagten mussten auch erkennen, dass durch die Verweigerung eines Inhalationsgeräts, die Todesgefahr noch gesteigert würde. Für die Angeklagten war das auch daran erkennbar, dass die Frau gehustet, nach Luft geschnappt und nur schwer Luft bekommen hat, bevor sie erkannten, dass Frau K. ein Atemgerät braucht. Wenn man dies insgesamt betrachtet, musste sich den Angeklagten die Todesgefahr so sehr aufdrängen, dass man von Leichtfertigkeit ausgehen kann.

Zusammenfassung:

Der Tod wird bei einem Raub leichtfertig verursacht, wenn man mit gesteigerter Fahrlässigkeit handelt. Diese liegt vor, wenn man die sich aufdrängende Möglichkeit des Todes aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt. Dabei reicht schon die unbewusste Wahrnehmung der Gefahr.

In der Praxis bedeutet dies, dass bereits bei unbewusster Wahrnehmung einer Gefahr Leichtfertigkeit vorliegen kann. Ein Gericht muss dem Angeklagten nicht das volle Bewusstsein der Todesgefahr nachweisen. Der Angeklagte muss nur die Umstände kennen, aus denen sich die Todesgefahr ergibt. Dies kann bereits in einem frühen Stadium des Geschehens der Fall sein.

Der Beitrag wurde mitgeteilt von Rechtsanwalt Dietrich.


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