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Rauchverbot: Nichtraucherschutzgesetze verfassungswidrig

  • 4 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Selten hat ein Gesetz die Gemüter der Bürger so erhitzt wie das Rauchverbot. Kein Wunder, schließlich haben die von den Länderparlamenten beschlossenen Nichtraucherschutzgesetze erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Bürger - beim Bierchen in der Eckkneipe nebenan, beim Kaffeeklatsch im Cafe, beim Gang auf das Amt oder beim Besuch im Krankenhaus. Gestern hat das Bundesverfassungsgericht eine erste Entscheidung zum Thema Nichtraucherschutzgesetze getroffen und klargestellt, dass die Länder Gesetze zum Schutz der Nichtraucher vor den Gefahren des Passivrauchens erlassen dürfen. Allerdings verstoßen die in den Nichtraucherschutzgesetzen vorgesehenen Ausnahmeregelungen gegen das Grundgesetz (Az.: 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08).


[image]Schutz der Nichtraucher 

Insbesondere zum Schutz der Nichtraucher haben die Länderparlamente Gesetze für ein umfassendes Rauchverbot beschlossen. Seit dem 1. Juli 2008 gilt bundesweit ein Rauchverbot, die letzten Nichtraucherschutzgesetzte sind in Nordrheinwestfalen und Thüringen in Kraft getreten. Damit haben alle Bundesländer die gesetzlichen Grundlagen für ein Rauchverbot zum Schutz der Nichtraucher geschaffen. Es gilt für alle öffentlich zugänglichen Gebäude und geschlossenen Räume, nicht nur für öffentliche Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Behörden, Theater etc.), sondern auch für Gaststätten. Verstöße gegen das Rauchverbot werden mit einem Bußgeld sanktioniert, das in Sachsen sogar bis zu 5.000 Euro betragen kann. Die für die Gebäude Verantwortlichen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Gegenmaßnahmen bei Verstößen zu ergreifen. Sie müssen deutlich darauf hinweisen, dass in den Gebäuden ein Rauchverbot gilt. Bei Verstößen muss der Raucher aufgefordert werden, das Rauchen zu unterlassen und bei einer Weigerung kann er des Gebäudes verwiesen werden. Macht er weiter Ärger, ist die Polizei einzuschalten.

Gaststätten und Nebenräume 

Die Nichtraucherschutzgesetze der Bundesländer führen das Rauchverbot in Gaststätten ein, die gewerblich Getränke und Speisen zum Verzehr anbieten, also Restaurants, Kneipen, Straußwirtschaften, Cafés, Bars, Diskotheken, Wasserpfeifenlokale und Imbissbuden. In allen diesen Fällen ist das Rauchen grundsätzlich verboten. Ausnahmen gelten lediglich für größere gastronomische Betriebe, die abgeschlossene Nebenräume für Raucher anbieten können. In einzelnen Bundesländern sind weitere Lockerungen für Außengastronomien, Zeltbetriebe etc. vorgesehen.

Genau diese Ausnahmeregelungen brachten nun die Nichtraucherschutzgesetze der Länder Baden-Württemberg und Berlin zu Fall. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts basiert auf den Klagen zweier Gastronomen, die Einraumkneipen betreiben. Sie haben keine Möglichkeit, Raucherräume einzurichten und mussten aufgrund des Rauchverbotes bisher erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Das höchste deutsche Gericht musste eine Abwägung zwischen zwei Grundrechtsbereichen treffen: Der Schutz der Nichtraucher stand dem Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Grundgesetz) der Gastwirte gegenüber. 

Die Richter des 1. Senats beurteilten die derzeitigen Nichtraucherschutzgesetze als verfassungswidrig. Die getroffenen Ausnahmeregelungen halten den Anforderungen des Grundgesetzes nicht Stand, weil sie die Belange von Eckkneipenwirten nicht ausreichend berücksichtigen. So werden die Betreiber kleiner Schankwirtschaften unangemessen wirtschaftlich durch das Rauchverbot gegenüber größeren Gastronomiebetrieben beeinträchtigt, bei denen die Einrichtung eines Raucherraumes möglich ist. Das Verfassungsgericht erklärte das Rauchverbot für solche kleinen einräumigen Schankwirtschaften unter 75 qm ab sofort für unwirksam, wenn nur Personen ab 18 Jahren Zutritt haben, keine eigenen Speisen zubereitet werden und der Betrieb als Raucherkneipe deutlich gekennzeichnet ist. Ein Diskothekenbesitzer hatte ebenfalls Verfassungsbeschwerde erhoben. Die Richter sahen auch seine Grundrechte verletzt. Entsprechend der für größere Gaststätten bestehenden Ausnahmeregelungen muss auch in Diskotheken das Rauchen erlaubt sein, wenn sie mit abgeschlossenen Raucherräumen ausgestattet sind. Hinweis: Raucherräume müssen vom Nichtraucherbereich vollständig abgetrennt sein. In einer aktuellen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Koblenz bestätigt, dass es nicht genügt, wenn der Raucherraum nur durch einen Vorhang getrennt ist (Az.: 5 L 412/08.KO.).

Spielraum der Länderparlamente 

Bis zum 31. Dezember 2009 haben die Gesetzgeber der Bundesländer nun eine verfassungskonforme Regelung der Nichtraucherschutzgesetze vorzunehmen. Die Karlsruher Richter ließen den Ländern freie Hand, wie sie die Nichtraucherschutzgesetze den Anforderungen des Grundgesetzes anpassen. Sie betonten, dass sogar ein striktes generelles Rauchverbot in Gaststätten ohne Ausnahmen verfassungskonform sei. Der Schutz der Gesundheit vor den Gefahren des Passivrauchens sei ein so wichtiges Gut, dass die Grundrechte von Gastronomen auf freie Berufsausübung dahinter zurückstehen müssten.

Damit haben die Ländergesetzgeber im Wesentlichen folgende Möglichkeiten: Sie können ein umfassendes Nichtraucherschutzgesetz erlassen, das ohne jegliche Ausnahmen für alle Gastronomiebetriebe gilt. Die zweite Möglichkeit besteht in einer Ergänzung der bisherigen Ausnahmeregelungen dahingehend, dass für Diskotheken und Einraumkneipen entsprechende Ausnahmen vom Rauchverbot aufgenommen werden. Konkret müssen z.B. Raucherräume in Diskotheken und das Rauchen in kleinen Schankbetrieben mit nur einem Schankraum zulässig sein. Schließlich können die Gesetzgeber der Bundesländer sogar die Aufhebung des Rauchverbots in Gastronomiebetrieben beschließen. 

Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den Nichtraucherschutz gestärkt und Ungleichbehandlungen für Betreiber von kleineren Gastronomien und Diskotheken aufgehoben. Offen gelassen haben die Hüter des Grundgesetzes die Frage, ob ein Rauchverbot bei Rauchern in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit eingreift und ebenfalls keine Aussage über die Zulässigkeit so genannter Raucher-Clubs getroffen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg, das die Eintragungsfähigkeit eines „Nichtraucherschutzumgehungsvereins" bestätigt hat (Az.: 12 W 39/08), wird es bis zu einer endgültigen Entscheidung aus Karlsruhe zur Zulässigkeit solcher Rauchervereine noch einige Zeit dauern.

Mehr zum Thema Rauchverbot erfahren Sie in unserem anwalt.de-Rechtstipp „Rauchverbot Spezial: Was gilt für Mietwohnung und Arbeitsplatz?"

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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