Sachverständigengutachten: “Kostenfalle“ im Sorge- und Umgangsrechtsverfahren

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I. Grundsatz der Amtsermittlung

Für Verfahren, die das Sorge- und Umgangsrecht für ein Kind betreffen, gilt ausschließlich das FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). In Kindschaftssachen nach § 151 FamFG wie auch in den zahlreichen anderen Verfahren gilt der so genannte Amtsermittlungsgrundsatz, d. h., das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, § 26 FamFG.

In Umgangs- und Sorgerechtsverfahren bedeutet dies, dass die Familiengerichte auch ohne einen konkreten Beweisantrag der Beteiligten ein (familienpsychologisches) Sachverständigengutachten einholen können. Nicht selten ist für eine gründliche Sachaufklärung die Einholung eines solchen Gutachtens erforderlich.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens kann mitunter aber Gebühren zwischen 3.000,00 € und 9.000,00 € auslösen. So lag die Entschädigung eines Sachverständigen in einem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Solingen geführten Umgangsrechtsverfahren bei rund 9.000,00 €.

Für die Verfahrensbeteiligten besteht ein erhebliches Kostenrisiko, da die Kosten regelmäßig gegeneinander aufgehoben werden, und die Auslagen auf die Beteiligten verteilt werden. Oftmals werden daher die Auslagen eines Sachverständigen nicht im Verhältnis zum Verfahrenswert eines isolierten Umgangs- und Sorgerechtsverfahren stehen, da der Regelstreitwert hier bei 3.000,00 € liegt (vgl. § 45 Abs. 1 FamGKG).

II. Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens

Sachverständigengutachten werden vom Gericht in Auftrag gegeben, damit geklärt werden kann, welche Regelung dem Wohle eines Kindes am besten entspricht.

Hierin liegt das Risiko für die Verfahrensbeteiligten. In schwieriger gestalteten Fällen greifen die Gerichte nicht selten auf einen Gutachter zurück, obwohl das Gericht die Entscheidung nicht auf den Sachverständigen verlagern darf.

Wann das Gericht ein Sachverständigengutachten veranlasst, steht in seinem eigenen Ermessen (vgl. BayObLG ZfJ 1996, 106, 107; FamRZ 1995, 501, 502). Es muss jedoch die Grenzen seiner eigenen Sachkunde erkennen. Ein Ermessensfehler kann einen erheblichen Verfahrensfehler darstellen, der zur Aufhebung und Zurückweisung führt (OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 1009).

Die Einholung eines Gutachtens darf auch nicht von der Einzahlung eines Auslagenvorschusses durch einen der Beteiligten abhängig gemacht werden. Dies wäre mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht vereinbar. Das Gericht muss aus dem übergeordneten Interesse des Kindeswohls auch ohne Einzahlung des Vorschusses tätig werden (OLG Zweibrücken, FamRZ 1982, 530).

Die Verfahrensbeteiligten haben grundsätzlich keine Möglichkeit, gegen die gerichtliche Anordnung, ein kinderpsychologisches Gutachten einzuholen, ein Rechtsmittel einzulegen.

Nach wie vor besteht aber die Möglichkeit, den Sachverständigen wegen Befangenheit abzulehnen (§ 30 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 406 ZPO).

Wird dem Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen nicht stattgegeben, so ist die Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO mit § 6 FamFG anfechtbar; die stattgebende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 406 Abs. 5 ZPO).

III. Hinweispflichten des Sachverständigen

Nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO trifft den Sachverständigen eine Hinweispflicht, wenn die voraussichtlich erwachsenen Kosten erkennbar außer Verhältnis stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen.

Verstößt der Sachverständige gegen die Verpflichtung aus § 407a Abs. 3 ZPO, kann dies zur Kürzung des ihm zustehenden Honorars führen (OLG Celle, NJW-RR 1997, 1295; OLG Düsseldorf, OLGR 03, 263; BayObLGZ 04, 294), und die Mehrkosten können den Beteiligten unter Umständen nicht auferlegt werden (BayObLG aaO).

IV. Hinweispflichten des Gerichtes

Nach der Zivilprozessordnung trifft das Gericht keine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dies obliegt vielmehr dem Sachverständigen selbst. Allerdings hat das Gericht den Sachverständigen auf diese Pflichten hinzuweisen, § 407a Abs. 5 ZPO. Nach § 404a ZPO obliegt die Leitung des Sachverständigen dem Gericht. Die Weisungs- und Leitungsbefugnis des Gerichtes bezieht sich dabei nur auf die Begleitumstände des Gutachtens, nicht auf dessen Inhalt.

V. Kosten

In Familiensachen ist die Kostenregelung für Folgesachen einer Scheidung in § 150 FamFG geregelt, auch wenn sie zur gesonderten Erledigung abgetrennt werden. Auch  in isolierten Kindschaftssachen ist von dem Grundsatz auszugehen, dass jeder seine Kosten selbst zu tragen hat (OLG Nürnberg FamRZ 2010, 998).

Sachverständigenkosten werden als Auslagen dem Kostenschuldner in Rechnung gestellt also regelmäßig beiden Elternteilen.

Beraterhinweis:

In der Praxis sollten die Verfahrensbeteiligten zunächst alle prozessualen Beweismittel ausschöpfen, bevor von der Einholung eines Sachverständigengutachtens Gebrauch gemacht wird. Lässt sich der Sachverhalt im Vorhinein durch Zeugenvernehmung - etwa durch Anhörung des Kindes oder Jugendamtes - klären, so sollten die Zeugen vorab gehört werden, um die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu vermeiden. Verstöße des Gerichtes gegen § 404a ZPO können Rechtsmittel begründen.

Soweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich ist, sollten die Beteiligten frühzeitig von Seiten des Gerichtes und ihrer Verfahrensbevollmächtigten über die voraussichtlich zu erwartenden Kosten aufgeklärt werden. Über die Kostenfrage kann es gelingen, die Eltern zu einer Kooperation zu bewegen, die bislang nicht möglich war.

Rechtsanwalt Hans-Joachim Boers - Fachanwalt für Familienrecht - Huyssenallee 66-68 - 45128 Essen - 0201 632580


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