SCHEIDUNGSGRUND: EHEBRUCH

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SCHEIDUNGSGRUND: EHEBRUCH

Das vom Verschuldensprinzip geprägte türkische Scheidungsrecht erkennt den Ehebruch als besonderen Scheidungsgrund an und verbindet damit Rechtsfolgen wie Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz des betrogenen Ehegatten sowie Verlust des Unterhaltsanspruchs des untreuen Ehegatten.

WAS BEDEUTET EHEBRUCH?

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Ehebruch die Untreue des Ehepartners unter Verletzung der gegenseitigen Treuepflicht. Konkret ausgedrückt erfordert der Tatbestand des Ehebruchs den Beischlaf des Ehepartners mit einer anderen Person. Nicht erfüllt ist hingegen der Tatbestand des Ehebruchs bei bloßen Flirtaktionen oder heimlichen Nachrichten mit einer anderen Person.

WIE MUSS ICH DIE SCHEIDUNG WEGEN EHEBRUCH EINLEITEN?

Es ist anzuraten vor der Eröffnung des Scheidungsverfahrens einen Rechtsanwalt[1] einzuholen, der Ihnen dabei hilft die Klage vollumfänglich vorzubereiten und wertvolle Beweise zu sichern. Ein Scheidungsantrag wegen Ehebruch kann wegen fehlenden beziehungsweise nicht nutzbaren Beweisen abgelehnt werden.

WIE LANGE DAUERT EINE SCHEIDUNG WEGEN EHEBRUCH?

Oft handelt es sich bei der Scheidung wegen Ehebruch um keine einvernehmliche Scheidung, was nicht bedeuten soll, dass die Eheleute sich bei Vorliegen eines Ehebruchs einvernehmlich scheiden lassen können.

In den meisten Fällen endet der Scheidungsantrag wegen Ehebruch in einem streitigen Verfahren. Die Verfahrensdauer kann deswegen bei 1-2 Jahren liegen.

WIE KANN ICH BEWEISEN, DASS ICH BETROGEN WURDE?

Besonderer Bedeutung kommt der Beweisbarkeit eines Ehebruchs zu. Fehlt ein Beweis, so ist es sehr naheliegend, dass der Scheidungsantrag wegen Ehebruch vom Gericht abgewiesen wird. Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist die Verwertbarkeit von Beweisen, die nicht auf rechtmäßigem Wege erlangt worden sind. Zu denken wäre hier beispielsweise an das heimliche Lesen der SMS- oder Whatsapp Nachrichten des Partners oder die heimliche Aufnahme eines Telefonats mit dem/der Geliebten.

Grundsätzlich gilt, dass rechtswidrig erlange Beweise nicht verwertet werden dürfen. Im konkreten Fall kann dies bedeuten, dass der Richter seine Entscheidung nicht auf das Beweismittel des heimlich mitgehörten Telefonats stützen darf.

Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass Sie sich bereits bei der Vorbereitung einer Scheidungsklage wegen Ehebruch von einem Rechtanwalt beraten lassen.

Als mögliche Beweismittel für das Vorliegen eines Seitensprungs kommen folgende in Frage:

  • Telefonnachrichten zwischen dem ehebrechenden Partner und dem/der Geliebten,
  • Whatsapp Nachrichten zwischen dem ehebrechenden Partner und dem/der Geliebten,
  • Nachrichten oder Fotos über Instragram, Facebook, Tiktok, Twitter, usw.,
  • E-Mails,
  • Fotos und Videos,
  • Zeugenaussagen,
  • Hotelreservationen,
  • Briefe,
  • Tonaufnahmen, usw.

KANN ICH IM RAHMEN EINES SCHEIDUNGSVERFAHRENS WEGEN EHEBRUCH BEWEISMITTEL VORLEGEN, DIE ICH MITHILFE EINES DETEKTIVS ERLANGT HABE?

Nicht selten engagiert der/die Betrogene einen Detektiv, um mit dessen Hilfe an Beweise zu gelangen, die im Falle einer Scheidungsklage vorgelegt werden können. Allerding sollte man hierbei bedenken, dass heimlich aufgenommene Fotos oder Videos durch einen Detektiv unter Umständen nicht verwertet werden dürfen. Auch hier empfiehlt es sich vorab einen Rechtsanwalt zu konsultieren.

KANN ICH IM RAHMEN DES SCHEIDUNGSVERFAHRENS BEWEISE VORLEGEN, DIE ICH MIT HILFE VON SPÄHSOFTWARE ODER SPIONAGE APPS ERLANGT HABE, ODER MACHE ICH MICH DADURCH STRAFBAR?

Hierunter fallen Programme die heimlich auf ein Telefon oder einen Computer installiert werden, um so den Standort des Partners herauszufinden oder an dessen Nachrichten, Fotos oder andere Daten zu gelangen, die sich in seinem/ihrem Handy oder auf dem Social Media Account befinden. Auf diese Weise erlangte Beweismittel stellen einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar und dürfen vom Gericht nicht als Beweismittel verwertet werden.

SIND VIDEOAUFNAHMEN ALS BEWEISE VERWERTBAR, DIE HEIMLICH AUFGENOMMEN WURDEN?

Videoaufnahmen, die ohne Wissen des Betroffenen aufgenommen worden sind, verstoßen gegen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und sind somit rechtswidrig. Folglich dürfen sie vom Gericht nicht als Beweismittel verwertet werden. Nur mit Zustimmung des Betroffenen dürfen Videoaufnahmen festgehalten werden. Ohne Zustimmung erfolgte Videoaufnahmen können zur Einleitung eines Strafverfahrens auf Antrag des Betroffenen führen.

HAT DIE SCHEIDUNG WEGEN EHEBRUCH EINEN EINFLUSS AUF DEN ZUGEWINNAUSGLEICH?

Die Klage auf Zugewinnausgleich wird als separates Klageverfahren nach Rechtskraft des Scheidungsurteils geführt. Wird die Scheidung wegen Ehebruch rechtskräftig, so hat diese Entscheidung auch eine Auswirkung auf die nachfolgende Zugewinnausgleichsklage. Je nach Verschulden des betrügenden Ehegatten kann der Ausgleichsanspruch ermäßigt oder sogar ganz ausgeschlossen werden.

HAT DIE SCHEIDUNG WEGEN EHEBRUCH EINEN EINFLUSS AUF DEN UNTERHALTSANSPRUCH?

Das türkische Scheidungsrecht kennt drei Arten von Unterhalten. Diese sind Trennungsunterhalt, Unterhalt des Bedürftigen, sowie der Trennungs- und Geschiedenenunterhalt, der an die gemeinsamen Kinder (im Folgenden: ‚Kindesunterhalt‘) gezahlt wird.

Beim Bedürftigenunterhalt handelt es sich um einen Unterhalt, der an den finanziell schwächeren Ehegatten bezahlt wird, der der Gefahr der Verarmung im Falle einer Scheidung ausgesetzt ist. Dieser Unterhalt muss gegebenenfalls lebenslang an den bedürftigen Ehegatten bezahlt werden und endet unter Umständen dann, wenn der finanziell schwächere Ehegatte erneut heiratet. Allerdings wird Bedürftigenunterhalt nur an den Ehepartner bezahlt, den an der Scheidung kein, beziehungsweise ein geringeres Verschulden trifft. Demzufolge hat der die Ehe schuldhaft brechende keinen Anspruch auf Bedürftigenunterhalt.

Der Trennungsunterhalt wird bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils gezahlt. Voraussetzung des Trennungsunterhalts ist die tatsächliche Trennung der Ehegatten und der Umstand, dass sich eines des Ehegatten nicht angemessen selbst versorgen kann, sowie die Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten. Der Trennungsunterhalt ist im Unterschied zum Bedürftigenunterhalt unabhängig vom Verschulden des finanziell schwächeren Ehegatten.

Der Kindesunterhalt wird während des Scheidungsverfahrens beziehungsweise nach der Scheidung an die gemeinsamen Kinder gezahlt und ist unabhängig vom Verschulden des Ehegatten.

WELCHEN EINFLUSS HAT DIE SCHEIDUNG WEGEN EHEBRUCH AUF DAS SORGERECHT?

Bei der Frage um das Sorgerecht der gemeinsamen Kinder berücksichtigt das Gericht das Wohl der Kinder. Es liegt ein weitverbreiteter Irrtum dahingehend vor, dass dem ehebrechenden Ehegatten das Sorgerecht entzogen wird. Allein das Kindeswohl spielt beim richterlichen Ermessen eine Rolle, nicht das Maß des Verschuldens am Scheitern der Ehe der Ehegatten.

MUSS DER EHEBRECHENDE EHEGATTE SCHADENSERSATZ AN DEN BETROGENEN EHEGATTEN BEZAHLEN?

Gemäß dem türkischen Scheidungsrecht hat der betrogene Ehegatte gegenüber dem ehebrechenden Ehegatten einen Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz.

Bei der Ermittlung des materiellen Schadensersatzes kommt es darauf an, in welcher tatsächlichen Höhe ein Schaden beim betrogenen Ehegatten entstanden ist. Der Ersatz bestimmt sich also an der Höhe des materiellen Schadens.

Immaterieller Schadensersatz soll als Genugtuung für den seelischen Schmerz des betrogenen Ehegatten dienen. Die Höhe wird nach richterlichem Ermessen bestimmt. Hierbei spielen vor allem der Grad des Verschuldens, die Dauer der Ehe und die Zahlungsfähigkeit des ehebrechenden Ehegatten eine Rolle.

GIBT ES EINE KLAGEFRIST, DIE BEACHTET WERDEN MUSS?

Nach dem türkischen Scheidungsrecht ist der Scheidungsantrag wegen Ehebruch innerhalb von 6 Monaten ab Kenntniserlangung vom Seitensprung und in jedem Fall innerhalb von 5 Jahren einzureichen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, so ist der Scheidungsgrund verwirkt.

Kann trotz dem verziehenen Seitensprung die Scheidung wegen Ehebruch eingeleitet werden?

Nein! Wird dem ehebrechenden Ehegatten verziehen, verliert der betrogene Ehegatte das Recht zur Einleitung des Scheidungsverfahrens wegen Ehebruch. Das ‚Verzeihen‘ kann mündlich, schriftlich oder auch konkludent ausgedrückt werden (beispielsweise, wenn dem ehebrechenden Ehepartner gestattet wird zurück in die gemeinsame Ehewohnung zu ziehen).

KANN AUCH EIN SCHADENSERSATZANSPRUCH GEGEN DIE GELIEBTE/DEN GELIEBTEN GELTEND GEMACHT WERDEN?

Nein, die Treuepflicht deren Verletzung zum Schadensersatz führen kann, besteht nur zwischen Ehegatten, nicht zwischen der dritten Person. Solange keine anderweitigen Rechtsverletzungen des Geliebten/der Geliebten gegenüber dem betrogenen Ehegatten vorliegen, kann allein wegen des Umstands des Ehebruchs kein Anspruch auf Schadensersatz gegen diesen geltend gemacht werden.

Gerne beraten wir Sie im Falle einer geplanten Scheidung über Ihre Rechte, Ihre Möglichkeiten wie Sie Ihre Ansprüche durchsetzen können und Ihre möglichen Erfolgsaussichten. 

[1] Der Vereinfachung wegen wird auf die weibliche Form verzichtet

Foto(s): @sevileskicioglu

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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