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Scheinselbstständigkeit - Arzt im Krankenhaus - LSG Baden-Württemberg 17.04.2013 - L 5 R 3755/11

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Freie Berufe dürfen nicht mit freier Mitarbeit gleichgesetzt werden. Weder besagt der Begriff „freie Mitarbeit“ noch die Ausübung eines freien Berufes etwas über den Inhalt und die Ausgestaltung einer Tätigkeit. Freie Mitarbeiter findet man in allen Branchen, z.B. Aushilfsfahrer im Transportgewerbe, EDV-Berater, Verkäufer etc.

Eine Aufzählung der freien Berufe findet sich dagegen im Einkommenssteuergesetz, das die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zählt und folgende selbstständig ausgeübte Tätigkeiten explizit benennt: Wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe ((§ 18) EStG).

Selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung

Die Ausübung eines freien Berufs als solches besagt aber noch nichts darüber, ob es sich auch um eine selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung handelt. Auch ein freier Beruf kann in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden. Selbstverständlich gibt es den angestellten Arzt, Rechtsanwalt, Architekten, Ingenieur, Krankengymnasten, Journalisten etc. Die Spitzenverbände der Deutschen Rentenversicherungsträger weisen in ihren Arbeitsanweisungen darauf hin, dass die alleinige Zugehörigkeit zu den freien Berufen reicht nicht ausreicht, um bei diesem Personenkreis auf Selbständigkeit zu erkennen.

Maßgeblich ist eine im Einzelfall vorzunehmende Gesamtbetrachtung, bei der geprüft werden muss, ob der Einzelne in das Unternehmen des Auftraggebers eingegliedert und dadurch Arbeitnehmer ist. Auch bei den klassischen freien Berufen kann sich somit das Problem der Scheinselbstständigkeit stellen, wenn nämlich die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers so eng ist, dass von einer echten unternehmerischen Tätigkeit nicht mehr gesprochen werden kann.

Freie Mitarbeit im Krankenhaus unzulässig?

So hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem Urteil vom 17.04.2013 (L 5 R 3755/11) für einen Assistenzarzt in der Anästhesie, der in mehreren Krankenhäusern auf der Grundlage eines Honorarvertrags über den Einsatz als freiberuflicher Arzt als Aushilfe nach Bedarf beschäftigt wurde, eine abhängige und damit beitragspflichtige Beschäftigung festgestellt. Die streitige Tätigkeit des Arztes bestand darin, dass er anästhesiologische Leistungen bei Operationen sowie intensivmedizinische Leistungen auf der Intensivstation im Rahmen von Tagesdiensten sowie Bereitschafts- oder Rufdienste von aufgrund von Urlaub oder Krankheit ausgefallenen Ärzten in der Hauptabteilung des Krankenhauses übernahm.

Das LSG stellte fest, dass das Krankenhaus den Arzt aufgrund gesetzlicher Vorgaben nur im Anstellungsverhältnis habe beschäftigen dürfen. Denn der Arzt habe ärztliche Behandlungen vorgenommen bzw. sich hierfür bereitgehalten, zu deren Erbringung und Bereithaltung das Krankenhaus im Rahmen des Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung verpflichtet sei. Diese Aufgaben dürfte, so das LSG, das Krankenhaus dem Arzt, der kein niedergelassener Arzt sei, in rechtlich zulässiger Weise nur im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses übertragen. Denn die Berechtigung eines Arztes zur stationären Behandlung von Krankenhauspatienten in einem Krankenhaus als allgemeine Krankenhausleistung setze in der Regel die abhängige Beschäftigung in diesem Krankenhaus voraus. Als Ausnahme komme für die stationäre Tätigkeit im Krankenhaus nur die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten und für die ambulante Tätigkeit im Krankenhaus nur die Kooperation mit niedergelassenen Vertragsärzten in Betracht.

Das zugelassene Krankenhaus sei nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet. Bei der Krankenhausbehandlung stehen Leistungen im Vordergrund, die in bestimmten Fällen für die Gewährleistung der Volksgesundheit unerlässlich, jedoch vom niedergelassenen Arzt im Regelfall nicht zu erbringen sind, weil sie – wie insbesondere die stationäre Versorgung der Patienten und/oder das interdisziplinäre Zusammenwirken unterschiedlicher Fachrichtungen bei Diagnose und Behandlung – die Möglichkeiten eines niedergelassenen Arztes regelmäßig überschreiten. Die Krankenhausbehandlung umfasse gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung.

Diese erfolge in der Regel durch angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses. Der angestellte Arzt in Krankenhäusern (bzw. Kliniken) oder Sanatorien habe sich traditionell als zweite Berufsausübungsform neben dem Beruf des niedergelassenen Arztes entwickelt. Das Krankenhaus stehe unter ärztlicher Leitung. Dieser ärztliche Leitungsvorbehalt (§ 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) sei maßgeblich für die Organisation und Weisungsstruktur des Krankenhauses. Die Organisation der gesamten Betriebsabläufe in fachlich-medizinischer Hinsicht sowie die im Krankenhaus erbrachten Leistungen müssen ärztlich gesteuert werden. Dies schließe die ständige ärztliche Verantwortung eines im Krankenhaus tätigen Arztes für jede einzelne Behandlung ein, die nach einem ärztlichen Behandlungsplan durchgeführt werden müsse.

Hierfür sei in personeller Hinsicht eine ausreichende Ausstattung mit jederzeit verfügbarem ärztlichem – und weiterem – Personal (§ 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) erforderlich. Die jederzeitige Verfügung über die Arbeitskraft von Mitarbeitern, hier von Ärzten, sei nur im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen denkbar. Denn für den selbständig Tätigen sei es gerade kennzeichnend, dass er selbst über seine Arbeitskraft verfüge und damit für einen bestimmten Auftraggeber nicht jederzeit verfügbar sei. Ebenso sei die Einhaltung von Dienstplänen und die Abstimmung von Arbeitsabläufen sowie aufgrund der ärztlichen Verantwortungsstruktur die Einbindung in einen Behandlungsplan und das fachliche Weisungsrecht des Chefarztes erforderlich. Dies schließe eine freie Mitarbeit aus. Nur angestellte Ärzte könnten verbindlich in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses eingebunden werden.

Auch das das Sozialgericht Dortmund hat in einem Urteil vom 12.01.2006 (S 10 RJ 307/03), bestätigt vom LSG Nordrhein-Westfalen (L 11 (8) R 50/06), entschieden, dass ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im Rahmen seiner Tätigkeit für eine Klinik als abhängig beschäftigt und damit auch sozialversicherungspflichtig anzusehen sei.


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