Schmerzensgeld nach einem Sportunfall?

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Jeder Sport, ob als Hobby oder professionell ausgeübt, birgt immer eine gewisse Verletzungsgefahr. Da der Sportler sich in der Regel dieser Gefahr bewusst ist, stellt sich daher die Frage, ob ihm im Falle eines durch einen Dritten verursachten Sportunfalls ein Anspruch auf Schadenersatz zusteht.

Die grundsätzlichen Regelungen

Obwohl mit der Ausübung von Sport stets eine gewisse erhöhte Verletzungsgefahr einhergeht, finden sich im Gesetz für den Bereich des Sports keine eigenen spezifischen gesetzlichen Regelungen. Für die Frage, ob im Rahmen von Sportunfällen dem Geschädigten ein Anspruch auf Schadenersatz (z. B. in Form von Schmerzensgeld oder Verdienstausfall) zusteht, ist daher auf die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zurückzugreifen. 

Im Fokus steht hier § 823 Abs. 1 BGB. Hiernach kann Schadenersatz verlangt werden, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig Rechtsgüter eines anderen, wie den Körper oder die Gesundheit, verletzt und demjenigen hieraus ein Schaden entsteht. Erfasst sind dabei sowohl materielle als auch immaterielle Schäden.

Grundsätzlich verbleibt es auch im Bereich des Sports bei den allgemeinen zivilrechtlichen Anforderungen. Dahingehend hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.10.2009 – Az.: VI ZR 296/08) konkretisiert, dass Verletzungen, die auch bei regelgerechtem Verhalten auftreten können, von jedem Spielteilnehmer in Kauf genommen werden, weshalb es jedenfalls gegen das Verbot des treuwidrigen Selbstwiderspruchs verstoße, wenn der Geschädigte den Schädiger in Anspruch nehme, obwohl er ebenso gut in die Lage habe kommen können. 

Kommt es zu der Verletzung bei regelgerechtem Verhalten, so scheidet eine Schadenersatzpflicht mangels Verschuldens aus. Die Haftung eines Sportlers durch für einen von ihm verursachten Sportunfall kommt demnach nur dann in Betracht, wenn der schadensverursachende Sportler schuldhaft gegen die Regeln, die für den jeweiligen sportlichen Wettkampf gelten, verstoßen hat. 

Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn dem Sportler Vorsatz vorzuwerfen ist, er also wissentlich gegen die Sportregeln verstoßen hat und er dabei die Verletzung des anderen beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Billigend in Kauf nehmen bedeutet, dass dem Verursacher bewusst war, dass es zu einer Verletzung des anderen Sportlers kommen kann und er dies hingenommen hat. 

Daneben ist in der Regel jedoch auch ein fahrlässiges Handeln des Verursachers für die Begründung eines Schadenersatzanspruchs ausreichend. Dies ist dann der Fall, wenn die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten wurde. In der Regel genügt hierbei eine einfache Fahrlässigkeit.

Besondere Regelungen für Kampfsport und Kontaktsport

Für Kampf- und andere Kontaktsportarten, die mit einem besonders erhöhten Verletzungsrisiko einhergehen, weil sie gerade auf einen Körperkontakt abzielen (z. B. Boxen) oder ein solcher unausweichlich ist (z. B. Fußball), hat die Rechtsprechung besondere Anforderungen entwickelt. Demnach begründet nicht jedes regelwidrige Verhalten, durch das ein Mitspieler verletzt wurde, einen Schadenersatzanspruch. So sind die Sorgfaltsanforderungen, die sich nach den besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Sports richten, an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfes auszurichten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2009 – Az.: VI ZR 296/08). 

Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegt, ist ein Verschulden daher trotz objektiven Regelverstoßes nicht gegeben (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.1976 – Az.: VI ZR 32/74). Entscheidend ist hierbei nicht die Schwere der erlittenen Verletzung, sondern vielmehr der jeweilige Regelverstoß, den der den Unfall verursachende Sportler begangen hat.

Das praktische Problem der Beweisleast

Besteht grundsätzlich eine Schadenersatzpflicht, stellt sich in der Praxis der Beweis, dass der Schädiger fahrlässig gegen die Regeln verstoßen bzw. sich grob unsportlich verhalten hat, als schwierig dar. Die entsprechende Beweislast liegt bei dem Verletzen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.1976 – Az.: VI ZR 32/74). Insbesondere ist vor dem Hintergrund fehlender klar ausdifferenzierter Grenzen ein Nachweis schwierig zu führen. 

Die Ahndung durch einen Schiedsrichter jedenfalls lässt keinen dementsprechenden Schluss zu. So verwies das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 17.05.1988 – Az.: 25 O 29/88) darauf, dass der Schiedsrichter seine Tatsachenentscheidung nicht unter dem Gesichtspunkt eines möglich zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs trifft. Liegt ein Verhalten im Grenzbereich zwischen der einem solchen Kontakt- und Kampfsport eigenen und gebotenen Härte und der unzulässigen Unfairness, dann handelt es sich um einen geringen Verstoß, sodass im Bereich der  Kampf- und Kontaktsportarten ein Schadenersatzanspruch in diesem Falle nicht besteht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.1976 – Az.: VI ZR 32/74).

Noch fair oder schon unfair?

Die Grenze zwischen der fairen gebotenen Härte und einem unzulässigen unfairen Verhalten ist schwer zu ziehen und muss stets unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenarten des Sports und der konkreten Situation beurteilt werden.

Oberlandesgericht München vom 25.02.2009 – Az.: 20 U 3523/08: Der Schädiger griff den Verletzten im Rahmen eines Fußballspieles von hinten – ohne dass dieser dies wahrnehmen konnte – mit einer Grätsche an. Eine realistische Chance, den Ball zu treffen, bestand nicht. Zudem war offensichtlich, dass der Geschädigte hierdurch zu Fall kommen würde und hiermit eine erhöhte Verletzungsgefahr einhergeht. Diese realisierte sich letztlich in einem Schien- und Wadenbeinbruch. Das Gericht sah die Grenze zur unzulässigen Unfairness überschritten und verurteilte den Schädiger zu einem Schadenersatz in Höhe von 15.000 Euro.

Oberlandesgericht Koblenz vom 10.09.2015 – Az.: 3 U 382/15: Während eines Spieles der Altherren-Mannschaften traf der Beklagte den Kläger mit dem Fuß oder Knie am Kopf. Hierdurch erlitt der Geschädigte Frakturen an der Nase, dem Jochbein und der Augenhöhle sowie einen Netzhautabriss mit Netzhautablösung, eine Glaskörperblutung mit hiermit verbundener Sehverschlechterung sowie eine dauerhafte Einschränkung des Sehfeldes. Während der Kläger als Stürmer versuchte, den von dem gegnerischen Torwart abgewehrten Schuss in das Tor zu köpfen, war der Beklagte als Verteidiger bemüht, den Ball vor dem heranstürmenden Kläger aus der Gefahrenzone zu befördern. 

Die konkrete Spielsituation war danach von dem gegenseitigen Bemühen der Parteien geprägt, den Ball jeweils zuerst zu erreichen. Aufgrund der konkreten Torchance könne nach Sicht des Oberlandesgerichts davon ausgegangen werden, dass beide Spieler mit höchstem Einsatz spielten. Da in der konkreten Situation nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Beklagte eine realistische Chance hatte, den Ball zu erreichen, ihn möglicherweise sogar getroffen hatte, handelt es sich vorliegend um einen Fall, der noch nicht die Grenze der Unfairness überschritten hat. Ein Verschulden des Beklagten wurde dementsprechend abgelehnt.

Zusammenfassung

Gerade im Bereich der Kontakt- und Kampfsportarten sind Verletzungen zu erwarten, da der Körperkontakt angestrebt wird bzw. unausweichlich ist. Ein Schadenersatzanspruch ergibt sich in diesen Fällen nur bei einem grob unsportlichen Verhalten, das die Grenze zur Unfairness überschritten hat. Ob dies der Fall ist, ist unter Betrachtung der konkreten Umstände für jeden Einzelfall zu entscheiden, wobei die Beweisplast bei dem Geschädigten liegt. Da sich die konkreten Umstände nur schwer eindeutig beweisen lassen, ist ein Anspruch infolge eines Sportunfalles in vielen Fällen oft nur schwer durchsetzbar.



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