Schufa-Prozess beim EuGH: Arbeiten Auskunfteien im Sinne der DSGVO?

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Worum geht es im Schufa-Prozess?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigt sich derzeit mit wichtigen Fragen zu europäischen Auskunfteien: Sind automatisierte Kreditauskünfte legal? Im Januar 2023 haben zwei Klagen begonnen, die die Zukunft der Branche bestimmen.

  • Wie lange dürfen Auskunfteien Informationen zu Personen und deren Rückzahlung von Restschulden speichern?
  • Ist die automatische Kreditwürdigkeits-Prüfung mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar?

Art. 22 Abs. 1 DSGVO regelt folgendes Verbot: Computer dürfen keine folgenschweren Entscheidungen über Menschen treffen. Händler, Banken, Energieversorger sowie Telekommunikations-Dienstleister nutzen jedoch Auskunfteien (z.B. Schufa), um vor einem Vertragsabschluss deren Kreditwürdigkeit zu prüfen.

Diese Auskunfteien arbeiten mit einem Algorithmus, der dann einen Score erstellt. Dieser Wert gibt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Kunde seinen Zahlungs-Verpflichtungen nachkommt. Ein niedriger Wert erschwert es Verbrauchern, den gewünschten Vertrag abzuschließen. Der EuGH berät nun, ob diese Scoring-Verfahren DSGVO-konform sind.

Das EuGH-Verfahren ist aus zwei zuvor vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden geführten Rechtsstreitigkeiten hervorgegangen. Das Verwaltungsgericht legte dem EuGH mehrere Streitfragen vor. Diese verhandelt der EuGH seit dem 26. Januar 2023. Wann das Gericht das Urteil verkündet, steht noch nicht fest.


Auskunfteien versus DSGVO: Steht das System auf der Kippe?

Die Diskussionen bezüglich automatisierter Entscheidungsfindung in Verbindung mit der DSGVO haben sich in letzter Zeit verschärft. Gemäß Art. 22 DSGVO hat jeder Mensch das Recht „nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt".

Trotz Ausnahme-Regelungen steht fest: Eine Entscheidung, die das Leben von Menschen betrifft, ist grundsätzlich von Menschen zu treffen, nicht durch einen Computer.

Die Rolle der Auskunfteien ist in diesem Zusammenhang strittig. Denn es ist anzunehmen, dass bei diesen Unternehmen das meiste, wenn nicht sogar alles, in höchstem Maße automatisiert abläuft. Schließlich setzen Auskunfteien Algorithmen ein, um anhand verschiedener Merkmale der Kunden die Kreditwürdigkeit zu errechnen.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden geht von folgendem Szenario aus: Eine Entscheidung bezüglich der Bonität hängt erheblich von dem durch die Auskunfteien berechneten Score ab. Es scheint, dass diese Werte mehr Entscheidungsgewalt haben als ein Sachbearbeiter.

Die Schufa streitet jedoch ab, selbst Entscheidungen bezüglich Kredite und Verträge zu fällen. Sie würde lediglich Informationen bereitstellen, die in die Risikobewertung der Banken und Unternehmen einfließen. Schließlich haben diese aufgrund des Kreditwesen-Gesetzes die Pflicht, die Bonität der Verbraucher genau zu prüfen.

Unklar ist weiterhin, wer diese computer-gestützte Entscheidungsfindung zu verantworten hat. Sind es die Auskunfteien oder deren Kunden, also die Banken, Händler und Telekommunikations-Anbieter? Bislang ist noch keine rechtsgültige Entscheidung in Sicht.


Datenspeicherung und Restschuldbefreiung: Der Streit um die Löschfristen 

Den EuGH beschäftigt außerdem eine weitere Klage. Dabei geht es um die Speicherung der Daten bezüglich Restschuldbefreiung nach Insolvenz. Insolvenzgerichte löschen diese Daten nach einem halben Jahr. Darf dann die Schufa solche Informationen drei Jahre speichern?

Die Schufa betont, sie würde sich an die Regelungen der DSGVO halten. Demnach fände die branchen-spezifische Vereinbarung bezüglich Lösch- und Prüffristen (Art. 40 DSGVO) Anwendung. Dies sei außerdem im Verhaltenscodex des Verbands für Auskunfteien festgehalten sowie mit allen Datenschutz-Behörden abgesprochen.

Die Schufa ist außerdem der Meinung, dass im ersten Jahr die Gefahr für Zahlungsausfälle nach der Restschuldbefreiung im Vergleich zu Verbrauchern ohne Negativeinträge 5,5-mal höher sei. Dieses Risiko unbezahlter Raten sinke erst nach mindestens drei Jahren.

2021 wurden in Deutschland ca. 109.000 Privat-Insolvenzen registriert. Es ist anzunehmen, dass dies lediglich einen Bruchteil des Scorings betrifft. Schließlich speichert die Schufa Daten bezüglich der Kreditwürdigkeit von ca. 68 Millionen Bürgern in Deutschland. Täglich gehen bei der Schufa an die 300.000 Anfragen zur Bonität ein.

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