Schulden geerbt und Ausschlagungsfrist verpasst. Welche Möglichkeiten gibt es?

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Einführung: Erbschaft – Vermögen und Schulden

Das Thema Erbschaft ist oft mit gemischten Gefühlen verbunden. Während es einerseits eine finanzielle Unterstützung oder ein Vermächtnis von einem geliebten Menschen sein kann, bringt es andererseits auch Verantwortungen und manchmal unerwartete Belastungen mit sich. Eine der größten Herausforderungen bei einer Erbschaft ist das Verständnis, dass nicht nur Vermögenswerte, sondern auch Schulden des Verstorbenen auf die Erben übergehen können.

Wenn eine Person verstirbt, hinterlässt sie in der Regel einen Nachlass. Dieser Nachlass kann Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, Kunstwerke, aber auch persönliche Gegenstände umfassen. Allerdings gehören zum Nachlass nicht nur positive Vermögenswerte, sondern auch alle Verbindlichkeiten des Verstorbenen – von Hypotheken und Krediten bis hin zu offenen Rechnungen und anderen finanziellen Verpflichtungen.

Die Erben stehen oft vor der Herausforderung, dass sie innerhalb einer relativ kurzen Frist entscheiden müssen, ob sie die Erbschaft annehmen oder ausschlagen. Diese Frist beträgt in Deutschland gemäß § 1944 BGB sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung als Erbe Kenntnis erlangt. Diese kurze Frist kann besonders problematisch sein, da oft nicht genügend Zeit bleibt, um den genauen Wert des Nachlasses und das Ausmaß der Schulden zu ermitteln.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Erben nicht vollständig über den finanziellen Zustand des Verstorbenen informiert sind. Es kann vorkommen, dass nach der Annahme der Erbschaft unerwartete Schulden auftauchen, die den Wert des Nachlasses übersteigen. In solchen Fällen erbt der Erbe nicht nur Vermögen, sondern auch Schulden, was zu einer finanziellen Belastung führen kann.

Die Situation wird noch komplizierter, wenn der Nachlass überschuldet ist, also die Schulden den Wert des Vermögens übersteigen. In solchen Fällen müssen die Erben sorgfältig abwägen, welche rechtlichen Schritte sie unternehmen können, um sich vor einer ungewollten Schuldenlast zu schützen.

In diesem Blogartikel werden wir die verschiedenen Aspekte und Optionen, die Erben in solchen Situationen zur Verfügung stehen, detailliert betrachten und erläutern, wie man mit einer überschuldeten Erbschaft umgehen kann.


Können Schulden geerbt werden?

Nach § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) tritt mit dem Tod einer Person eine sogenannte Universalsukzession ein. Das bedeutet, dass das gesamte Vermögen, aber auch alle Schulden des Verstorbenen auf die Erben übergehen. Dies schließt auch unbekannte Schulden ein. Erben haften für diese Schulden nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit ihrem persönlichen Vermögen, was eine erhebliche finanzielle Gefahr darstellen kann.

Die maßgeblichen Normen sind:

  • § 1922 BGB – Universalsukzession: Dieser Paragraph bildet die Grundlage des Erbrechts in Deutschland. Er besagt, dass mit dem Tod einer Person deren Vermögen (sowohl Aktiva als auch Passiva) auf die Erben übergeht.

  • § 1967 BGB – Erbenhaftung: Nach diesem Paragraphen haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies bedeutet, dass die Erben nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden des Erblassers übernehmen.

  • § 1975 BGB – Beschränkung der Erbenhaftung: Dieser Paragraph ermöglicht es den Erben, ihre Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Dies ist insbesondere relevant, wenn der Nachlass überschuldet ist.


Was tun bei überschuldetem Nachlass? Handlungsmöglichkeiten für Erben.

Wenn sich herausstellt, dass ein Nachlass überschuldet ist, stehen den Erben verschiedene rechtliche Wege offen, um ihre Situation zu bewältigen. Diese Möglichkeiten sind im deutschen Recht verankert und durch verschiedene Urteile präzisiert worden.

Rechtliche Handlungsmöglichkeiten:

  1. Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB): Diese Vorschrift ermöglicht es dem Erben, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, wenn dieser nicht ausreicht, um alle Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen. Die Dürftigkeitseinrede muss gegenüber den Gläubigern geltend gemacht werden.

  2. Nachlassinsolvenzverfahren (§§ 315, 1980 BGB, InsO): Bei Überschuldung des Nachlasses kann der Erbe einen Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens stellen. Dies führt zur Beschränkung der Haftung auf den Nachlass und verhindert, dass die Erben mit ihrem persönlichen Vermögen haften.

  3. Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB): Die Beantragung einer Nachlassverwaltung ist eine weitere Möglichkeit. Hierbei wird ein Nachlassverwalter bestellt, der den Nachlass verwaltet und die Schulden begleicht. Auch hierdurch wird die Haftung auf den Nachlass beschränkt.

  4. Ausschlagung der Erbschaft (§ 1942 BGB): Obwohl die Ausschlagungsfrist bereits verstrichen sein könnte, gibt es in Ausnahmefällen (z.B. bei Unkenntnis über die Überschuldung) die Möglichkeit, die Erbschaft noch auszuschlagen.

  5. Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen: Dies ist relevant, wenn der Erbe nur einen Pflichtteil erbt und kann eine finanzielle Entlastung darstellen.


Enthaftung des Erben

Die Enthaftung des Erben ist ein wesentlicher Aspekt des deutschen Erbrechts, der Erben vor der unbeschränkten Haftung für Nachlassverbindlichkeiten schützt. Es gibt verschiedene rechtliche Mechanismen, die es Erben ermöglichen, ihre Haftung auf den Nachlass zu beschränken oder sich ganz von der Haftung zu befreien.

Rechtliche Grundlagen zur Enthaftung und Rechtsfolgen:

  1. Beschränkung der Haftung auf den Nachlass (§ 1975 BGB): Dieser Paragraph ermöglicht es dem Erben, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Dies kann durch die Beantragung einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens erfolgen.

  2. Nachlassinsolvenzverfahren (Insolvenzordnung - InsO): Durch die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens wird die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt. Die Gläubiger können dann ihre Forderungen nur im Rahmen dieses Verfahrens geltend machen.

  3. Nachlassverwaltung (§ 1981 BGB): Die Anordnung einer Nachlassverwaltung führt ebenfalls zur Beschränkung der Haftung auf den Nachlass. Ein vom Gericht bestellter Nachlassverwalter übernimmt die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses.

  4. Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB): Diese Einrede ermöglicht es dem Erben, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um alle Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen.

  5. Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1942 ff. BGB): Die Ausschlagung der Erbschaft innerhalb der gesetzlichen Frist führt dazu, dass der Erbe so behandelt wird, als hätte er nie geerbt. Dies entbindet ihn von jeglicher Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten.


Fazit

Das Thema der Erbschaft, insbesondere wenn es um die Übernahme von Schulden geht, ist ein komplexes und oft missverstandenes Gebiet des deutschen Rechts. Das Erbrecht bietet jedoch verschiedene Mechanismen, um Erben vor der unbeschränkten Haftung für Nachlassverbindlichkeiten zu schützen. Das Verständnis dieser Mechanismen und die Kenntnis der relevanten rechtlichen Bestimmungen und Urteile sind entscheidend, um angemessen auf die Herausforderungen einer überschuldeten Erbschaft reagieren zu können.

Sollten Sie mit dem Problem unerwarteter Nachlassverbindlichkeiten und/oder einem überschuldeten Nachlass konfrontiert sein, kontaktieren Sie uns.


Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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