Schweizer Vermögensverwalter müssen Provisionen an Kunden auskehren – Klagen in Deutschland möglich

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Zwei Entscheidungen aus der jüngeren Vergangenheit haben auf die Arbeit von aus der Schweiz heraus operierenden Vermögensverwaltern maßgeblichen Einfluss. Zum einen hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein in der Schweiz ansässiger Vermögensverwalter auch vor einem deutschen Gericht verklagt werden kann, zum anderen hat sich das Bundesgericht der Schweiz in einer vielbeachteten Entscheidung zur Auskehrung von Retrozessionen an Vermögensverwaltungskunden beschäftigt.

Mit Urteil vom 6. März 2012 (Az. VI ZR 70/10) hat sich der BGH zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei der Inanspruchnahme schweizerischer Vermögensverwalter und Banken geäußert. Nach dem sog. „Lugano-Übereinkommen" zur internationalen Zuständigkeit in Zivilsachen kann ein Verbraucher aus einem Vertrag zur Erbringung einer Dienstleistung vor dem Gericht seines Wohnsitzes klagen, sofern dem Vertragsabschluss in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist.

Diese Voraussetzungen sah der BGH in der genannten Entscheidung als erfüllt an. In der Regel handelt es sich bei Vermögensverwaltungskunden um Verbraucher im Sinne des sog. „Lugano-Übereinkommens", da die Vermögensanlage meist privaten und nicht gewerblichen oder beruflichen Zwecken dient. Auch der Dienstleistungscharakter liegt bei einem entgeltlichen Vermögensverwaltungsvertrag in aller Regel unproblematisch vor. Für die Erfüllung des Merkmals der Werbung bzw. des ausdrücklichen Angebots ist es darüber hinaus nach Ansicht des BGH nicht erforderlich, dass die Initiative zu dem Angebot vom Vermögensverwalter oder der Bank ausgeht. Ausreichend ist vielmehr, wenn das Angebot auf einer vorherigen - erstmaligen - Kontaktaufnahme durch den Anleger beruht.

Schließlich hat der BGH auch festgestellt, dass in einem solchen Fall die konkrete Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes in der Schweiz im Rahmen des Vermögensverwaltungsvertrages ins Leere geht, da eine solche Vereinbarung nur dann gültig wäre, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit zwischen Vermögensverwalter und Kunden getroffen worden wäre. Damit ist einer Klage in Deutschland gegen einen in der Schweiz ansässigen Vermögensverwalter nicht von vornherein der Weg verbaut, sollte der Vermögensverwaltungsvertrag hierzu andere Regelungen enthalten.

Die Entscheidung bezieht sich auf Fallgestaltungen vor Inkrafttreten einiger Änderungen zum Lugano-Übereinkommen zum 1. Januar 2011. Seit diesem Datum ist lediglich noch entscheidend, dass der Schweizer Vermögensverwalter seine Tätigkeit (auch) auf Deutschland ausgerichtet hat, wobei auch unter diesem Kriterium nach der vorgestellten BGH-Entscheidung unerheblich ist, wenn die Initiative zum Vertragsabschluss vom deutschen Kunden ausgegangen sein sollte.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH in dieser Entscheidung, nach welchem materiellen Recht - nach deutschem oder schweizerischem Recht -  der Fall zu beurteilen war.

Spannend ist diese Frage insbesondere vor dem Hintergrund der nachfolgend am 30. Oktober 2012 getroffenen Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts (Az. 4A 127/2012) zur Herausgabe von Retrozessionen bei der Vermögensverwaltung durch eine Bank. Denn das Zusammenspiel der beiden Entscheidungen kann dazu führen, dass deutsche Kunden einer schweizerischen Vermögensverwaltung vor deutschen Gerichten auf die Herausgabe vereinnahmter Provisionen klagen können.

Mit seinem Urteil vom 30. Oktober 2012 hat das Bundesgericht der Schweiz klargestellt, dass eine Bank, die als Vermögensverwalterin tätig wird, Vertriebs- und Bestandspflegeprovisionen, die sie für den Vertrieb von Anlagefonds oder strukturierten Produkten erhält, an den Kunden herausgeben muss. Die Herausgabepflicht besteht dabei auch dann, wenn die Retrozessionen von eigenen Konzerngesellschaften an die vermögensverwaltende Bank fließen.

Nach einer früheren Bundesgerichts-Entscheidung (vgl. BGE 137 III 393) ist im Übrigen eine pauschale Verzichtsklausel bzgl. Retrozessionen, wie sie von vielen Vermögensverwaltern verwendet wird, nicht gültig. Nach Ansicht der Schweizer Bundesrichter muss ein Kunde vielmehr den Umfang der Retrozessionen auf die er verzichten soll sowie deren Berechnungsgrundlagen kennen, um wirksam auf eine Auskehrung verzichten zu können.

Ansprechpartner: Rechtsanwalt Bernd Jochem (+49 89 64 98 45-0, jochem@rrlaw.de)


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