Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung: demnächst noch mehr reines „Befindlichkeitsdelikt“?!

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Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung: demnächst noch mehr reines „Befindlichkeitsdelikt“?!

Sexualstrafrecht ist der Bereich des Strafrechts, der die meisten Justizirrtümer in Form von Verurteilungen zu Unrecht aufweist.

Grund dafür sind Falschaussagen der oder des vermeintlich Geschädigten – sei es bewusst aus persönlichen Motiven. Oder, weil sich eine Person nach zunächst einverständlichem Sex missbraucht und als Opfer fühlt und die „Tat“ anzeigt. Nunmehr – geht es nach dem Referentenentwurf des BMJV – drohen sexuelle Nötigung und Vergewaltigung endgültig zu reinen „Befindlichkeitsdelikten“ zu werden.

Denn Kernpunkt der geplanten Gesetzesreform ist, dass künftig einzig der entgegenstehende Wille des potentiellen Opfers gegenüber einer sexuellen Handlung im Ergebnis darüber entscheidet, ob eine sexuelle Begegnung als Sexualdelikt strafbar ist oder nicht. Demnach soll nunmehr demnächst jede „nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung“ künftig strafbar sein. Anlass der Reform ist die Istanbul-Konvention des Europarats – nicht die Presse über die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht im Bereich Kölner Hauptbahnhof.

Die aktuelle Gesetzeslage:

Noch setzt die Strafbarkeit einer sexuellen Handlung als sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177 StGB) neben dem entgegenstehenden Willen des potentiellen Opfers zusätzliche Begleitumstände voraus.

Etwa, dass sich das Opfer in einer schutzlosen Lage befindet. Oder, dass der „Täter“ gegenüber dem potentiellen Opfer körperliche Gewalt ausübt oder mit der Ausübung körperlicher Gewalt droht, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. Das in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der Debatte um die Ereignisse in der Silvesternacht vielzitierte „Nein“ allein zu ignorieren, begründet de lege lata indes noch keinen Vorwurf der sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung.

Ebenso wenig, wenn der „Täter“ zwar Gewalt anwendet oder androht, darin aber kein enger ursächlicher Zusammenhang zu den ausgeübten sexuellen Handlungen besteht. Oder, wenn der „Täter“ einen „Überraschungsmoment“ für die sexuelle Handlung ausnutzt. Dabei unterscheiden sich sexuelle Nötigung und Vergewaltigung nur insoweit, als das Gesetz die Vergewaltigung als „besonders schweren Fall“ der sexuellen Nötigung sieht. Demnach ist eine sexuelle Nötigung eine Vergewaltigung, sobald Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper des Opfers verbunden sind, vorliegen.

Und die Neuregelung?

Im Ergebnis soll entsprechend des Referentenentwurfs nunmehr jede „nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung“ demnächst strafbar sein:

So sollen sämtliche von einer anderen Person unerwünschte, bislang aber strafrechtlich irrelevante sexuelle Handlungen, allesamt nach § 179 StGB strafbar sein.

§ 179 StGB – aktuell noch als „Sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger“ im StGB, soll sodann als allumfassender „Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände“ sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB) umfassen.

Bestraft werden soll der Täter danach bereits dann, wenn sich das Opfer subjektiv als schutzlos empfindet. Einer objektiv schutzlosen Lage für das Opfer bedarf es demnach nicht mehr. Ebenso in denjenigen Fällen, in denen der Täter einen „Überraschungsmoment“ ausnutzt, um sich dem Opfer sexuell zu nähern sowie dann, wenn sich das Opfer in keiner Weise erkennbar wehrt. Ferner dann, wenn der Täter (anstelle bisher mit Gewalt für Leib und Leben) bereits mit einem „empfindlichen Übel“ droht.

Im Ergebnis also noch mehr Beweisprobleme. Noch mehr Raum für Falschaussagen, Suggestion und der Gefahr darauf basierender Fehlurteile. Und die spannend bleibende Frage, wie denn auf solch einer Grundlage Sexualität überhaupt noch genussvoll gelebt werden kann.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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