Sexueller Missbrauch eines Kindes durch handgeschriebenen Zettel mit sexuellem Inhalt

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Leitsatz

Ein sexueller Missbrauch eines Kindes gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB liegt vor, wenn auf ein Kind mittels sexueller Schriften eingewirkt wird. Nicht notwendig ist, dass dieses Einwirken über eine räumliche Distanz, z. B. über das Internet, erfolgt. Ein sexueller Missbrauch kommt auch in Betracht, wenn dem Kind im Rahmen eines persönlichen Kontakts ein Zettel mit sexuellen Inhalten vorgelegt wird. 

Einleitung

Nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer auf ein Kind mittels Schriften oder mittels Informations- oder Kommunikationstechnologie einwirkt, um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen. Dabei sind Schriften auch handgeschriebene Zettel mit sexuellem Inhalt. Unstreitig wird die Norm erfüllt, sobald man über das Internet Kontakt zum Kind aufnimmt. Ob der Straftatbestand aber auch einschlägig ist, wenn man sich in unmittelbarer Nähe zum Kind befindet, musste der BGH entscheiden.

Sachverhalt

Der BGH hat mit Beschluss vom 16.07.2015 – 4 StR 219/15 – folgenden Fall entschieden:

Der Angeklagte lernte auf dem Campingplatz einen Jungen kennen. Diesen forderte der Angeklagte zu einer „Mutprobe“ auf, in dem er auf einen Zettel schrieb: „Willst Du zur Clique gehören und Geld verdienen? Dann komm zur Toilette und wir massieren uns die Dinger.“ Der Angeklagte rief den Jungen zu sich ins Auto und zeigte ihm den Zettel. Er hoffte, den Jungen zur gemeinsamen Masturbation zu veranlassen. Der Junge lehnte ab.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen anderer Missbrauchstaten und dem Verschaffen von kinderpornografischen Schriften gem. § 184b StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. 

Das Landgericht entschied, dass der Angeklagte sich auch nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar gemacht habe. Der Wortlaut der Vorschrift lässt erkennen, dass der Täter nicht abwesend sein muss, um auf ein Kind einzuwirken. Durch die Norm sollte zwar vor allem, aber nicht nur, sexuelle Cyberkriminalität bekämpft werden. Wenn ein körperlich anwesender Täter durch Präsentation von Schriften mit sexuellen Inhalten, das Kind zu sexuellen Handlungen bringen will, macht er sich nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar. Nur ein bloßes Einreden des Täters auf das Kind ohne Zuhilfenahme einer Schrift würde den Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB nicht erfüllen. Die Neufassung des Gesetzestextes brachte nach Auffassung des Landgerichts zum Ausdruck, dass das Einwirken auf ein Kind mit sexuellen Schriften oder mittels anderer Medien, um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bewegen, von der Strafbarkeit der Norm umfasst sein soll. Der BGH bestätigte das Urteil in vollem Umfang. Nach dieser Auslegung kommt eine Strafbarkeit auch in Betracht, wenn sich jemand in körperlicher Nähe zum Kind befindet und dem Kind sexuelle Schriften vorlegt. 

Zusammenfassung

Wer auf ein Kind sexuell einwirkt, indem er ihm einen Zettel zusteckt, auf dem er es um sexuelle Handlungen bittet, macht sich wegen Missbrauchs von Kindern gem. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB strafbar. Auch die Neufassung der Norm soll nicht nur Werke erfassen, die durch das Internet oder andere Telekommunikationsmittel dem Kind gezeigt werden, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen. Es soll auch das Zeigen von Werken zur unmittelbaren Anschauung, wie das Vorzeigen eines handgeschriebenen Zettels, erfasst werden. Da die Anforderungen an eine sexuelle Schrift nicht hoch sind, wird die Strafbarkeit durch diese Auslegung erheblich ausgedehnt. 


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