Sorgerecht: Wer entscheidet über Urlaub des Kindes?

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Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat über einen Fall entschieden, in dem eine Mutter mit ihrem Kind im Juli 2016 in der türkischen Stadt Side Urlaub machen wollte. Der Vater hielt das wegen des militärischen Putschversuchs und der politischen Lage für zu gefährlich. Das Familiengericht musste daher über die Alleinentscheidungsbefugnis der Mutter entscheiden.

1. Der Fall: 

Die Mutter wollte mit ihrem 8-jährigen Sohn im Juli 2016 in den Badeurlaub nach Side in die Türkei fahren. Das Sorgerecht für das Kind stand der Mutter und dem geschiedenen Vater gemeinschaftlich zu. Die Mutter bat den Vater im Mai 2016 um seine Zustimmung zu der beabsichtigten Reise. Der Vater sagte aber „nein“, weil er Angst vor Terroranschlägen hatte und die politische Lage zu unsicher fand.

Das Gericht hielt die Reise wegen angekündigten Terroranschlägen tatsächlich für gefährlich. Die Mutter durfte daher nicht alleine über die Reise des Kindes entscheiden, sondern musste den Vater vorher um sein Einverständnis bitten. (OLG Frankfurt a.M. 21.7.2016 – 5 UF 206/16)

2. Wer entscheidet bei gemeinsamem Sorgerecht?

Bei Trennung und Scheidung behalten in der Regel beide Eltern das Sorgerecht gemeinschaftlich, es sei denn, ein Elternteil beantragt bei Gericht das alleinige Sorgerecht. Wenn beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt sind, entscheiden die Eltern die wichtigen Entscheidungen im Leben des Kindes gemeinsam. Das Gesetz spricht dabei von Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, § 1687 BGB. Die Eltern müssen sich also in solchen Angelegenheiten einigen.

3. Gemeinsame Entscheidung bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung

Was aber sind Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung? Es handelt sich dabei um Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben und nur schwer umkehrbar sind, z. B.:

  • Auswahl der Schule
  • Umzug in eine andere Stadt
  • evtl. Impfung

4. Alleinige Entscheidung bei Dingen des täglichen Lebens

Die Angelegenheiten des täglichen Lebens sind von denen mit erheblicher Bedeutung abzugrenzen. Es handelt sich um Dinge, die keine einschneidende Wirkung auf die Entwicklung des Kindes haben. Der betreuende Elternteil darf alleine entscheiden, z. B.:

  • Ernährung
  • TV- und Internetkonsum
  • Schlafenszeiten
  • Umgang mit Freunden
  • Freizeitgestaltung
  • Arztbesuche

Selbstverständlich ist immer der Einzelfall entscheidend dafür, wie wichtig eine Angelegenheit ist. Wenn ein Kind beispielsweise offensichtliche Anzeichen für eine Computersucht aufzeigt, so ist ein Eingreifen der Eltern angezeigt. Es handelt nicht mehr nur um eine Sache des alltäglichen Lebens (Internetkonsum), sondern hat grundlegende Auswirkungen auf das Kind und muss daher von beiden Eltern entschieden werden. Je wichtiger die Angelegenheit für das Kind, desto eher ist eine gemeinsame Entscheidung erforderlich.

Es ist durchaus auch möglich, dass ein Elternteil nur einen Teil des Sorgerechts auf sich übertragen lässt. Er hat dann die alleinige Entscheidung über alle Dinge, die diesen ganz bestimmten Teilbereich betreffen.

Beispiele für einen abgegrenzten Teil des Sorgerechts:

  • Ausbildung
  • medizinische Versorgung
  • Aufenthaltsbestimmungsrecht

Das Sorgerecht im Übrigen bleibt in diesem Fall aber bei beiden Eltern gemeinsam, d. h. andere grundlegende Entscheidungen müssen weiterhin gemeinsam getroffen werden.

5. Gericht kann über Alleinentscheidung in Einzelsituationen bestimmen

Unter Umständen kann ein Elternteil auch die Alleinentscheidungsbefugnis für eine ganz bestimmte Situation für sich beanspruchen. Hierzu ist ein gerichtlicher Antrag erforderlich, in dem die konkrete Situation dargestellt wird und warum eine alleinige Entscheidung wichtig ist. Das Gericht entscheidet dann nicht über eine generelle Übertragung des Sorgerechts (oder eines Teils davon), sondern nur über eine einzelne streitige Frage (wie hier der Türkeiurlaub). Ist das Gericht davon überzeugt, dass es zum Wohle des Kindes am besten ist, überträgt es dem beantragenden Elternteil die alleinige Entscheidungsgewalt für die bestimmte Situation.

6. Spezialfall Urlaub – ja oder nein?

Ein Urlaub mit dem Kind gehört grundsätzlich nicht zu den Dingen mit erheblicher Bedeutung. Ein Elternteil kann also alleine entscheiden. Nur ausnahmsweise muss der andere Teil zustimmen. Das gleiche gilt übrigens auch für den Umgang: Der Vater kann das Kind während seiner Umgangszeiten mit in den Urlaub nehmen, auch ins Ausland. Es müssen nachvollziehbare Gründe dagegensprechen, wenn die Mutter das verhindern will.

7. Fazit

Grundsätzlich sollen und müssen sich die Eltern bei gemeinsamer Sorge über wichtige Entscheidungen im Leben des gemeinsamen Kindes einigen. Die Gerichte erwarten, dass die Sie mit Ihrem Ex-Partner zusammenarbeiten, wenn es um das Wohl ihres Kindes geht. Das Gericht wird deswegen immer versuchen, die Eltern zu einer Einigung zu bringen. Nur wenn die Sie mit Ihrem Ex-Partner unheilbar streiten, gibt es eine gerichtliche Entscheidung über die streitige Situation.


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